MIT FREUNDEN

 

Magische Amulette und knarzende Statuen

TOBAGO

Spannendes Deduktionsspiel ohne jegliche Deduktion

 

Kid                       

Family                  

Friends         ein    

Expert                           

 

Alter                    

Spezial                 

 

Sogar der Verlag selbst bezeichnet TOBAGO von Autor Bruce Allen als Deduktionsspiel. Ob es im Hause Zoch nie gespielt wurde? Bestimmt wurde es das, denn die redaktionelle Bearbeitung ist vorbildlich, das beginnt schon mit der genialen Idee, den dreiteiligen Spielplan so zu gestalten, dass er beidseitig genutzt und in bis zu 32 verschiedenen Variationen immer wieder neu zusammengefügt werden kann, sodass tatsächlich kein Spiel wie das andere ist. Dennoch geht es dabei keineswegs um Deduktion, auch wenn es das Ziel der zwei bis vier Spieler ist, als Schatzjäger Fundorte von Schätzen auf einer mysteriösen Insel zu bestimmen und diese möglichst vor den anderen zu heben.

 

Mal was anderes

Herkömmliche Deduktionsspiele sind in der Regel alle ähnlich aufgebaut. Da gibt es Verdächtige, Tatwaffen oder bestimmte Orte, die niemand kennt und die im Laufe des Spiels durch Hinweise oder Fragen nach und nach ans Tageslicht kommen, wie z.B. bei CLUEDO, der Mutter aller Deduktionsspiele. Nicht so bei TOBAGO. Hier bestimmen die Spieler selbst über die Fundorte der Schätze und müssen dann nur noch rechtzeitig mit ihrem kleinen hölzernen Geländewagen vor Ort sein, um den konkurrierenden Schatzjägern das Gold vor der Nase wegzuschnappen. Wie das funktionieren soll? Das lässt sich am besten am Beispiel eines konkreten Spielzugs auf dem geheimnisvollen Eiland beschreiben. Zunächst wird dieses beliebig aus drei Teilen zusammengesetzt und mit vier kleinen Hütten und rudimentärer Vegetation in Form von drei schmucken Holzpalmen bestückt. Am faszinierendsten jedoch sind die drei massiven steinernen Statuen, die ein wenig an die Felsköpfe der Osterinseln erinnern und die im Landesinneren aufgestellt werden. Ihnen kommt im Laufe des Spiels eine ganz besondere Bedeutung zu, sind es doch ihre geheimnisvollen Blicke, die auf wundersame Weise magische Amulette aus dem Meer aufsteigen lassen. (Spielmechanisch wird einfach ein Pappplättchen auf das Spielplanfeld neben dem Meer gelegt, in dessen Richtung die Gesichter der Statuen gerade zeigen, aber einmal von der Geschichte gefangen, glauben wir gerne, dass diese mysteriösen Kräfte wirklich existieren.) Vier Schätze gilt es zunächst zu finden und zu heben, deren Aufbewahrungsort von sogenannten Hinweiskarten vorgegeben wird. Neben vier Häufchen aus verschiedenfarbigen Holzwürfelchen liegen vier Karten aus. Jede der Karten schränkt die möglichen Fundorte ein. Zeigt also beispielsweise die Karte neben den weißen Würfeln das Symbol für „Neben einer Hütte“, kommen als Fundort für diesen Schatz alle Felder in Frage, die neben einer auf dem Spielplan stehenden Hütte liegen und werden zur besseren Orientierung entsprechend mit weißen Würfeln markiert.

Ausgestattet mit einem farbigen Geländewagen, einigen Windrosen in derselben Farbe und vier zufällig zugeteilten Hinweiskarten (auf den Fundort der Schätze) starten wir dann ins Spiel.

 

Jeder ist seines Glückes Schmied

Wer am Zug ist, bewegt entweder seinen Geländewagen auf der Insel um drei Teilstrecken weiter oder legt eine Hinweiskarte an einen der vier Schatzpfade an und ergänzt seine Kartenhand dann wieder auf vier. Erstere Option ist schnell erklärt und auch im echten Spiel abgehandelt. Fahrten im selben Gelände (es gibt derer sechs, nämlich Strand, Buschland, See, Dschungel, Fluss und Gebirge) dürfen beliebig weit führen und zählen als eine einzige Teilstrecke, jeder Geländewechsel gilt ebenfalls als Teilstrecke. Grundsätzlich dürfen alle Spielplanfelder befahren werden, lediglich das Meer ist tabu. Das ist logisch und einfach umzusetzen.

Logisches Denken ist aber auch und vor allem beim Ausspielen der Hinweise gefordert, denn jede ausgespielte Karte wird an einen der vier Schatzpfade angelegt (wir erinnern uns, die mit den Würfeln) und muss den möglichen Fundort weiter einschränken, sonst darf die Karte nicht gelegt werden. Zudem sind Hinweise, die sich gegenseitig ausschließen, ebenfalls nicht erlaubt. Im obigen Beispiel würde der Hinweis „Im Gebirge“ den ursprünglichen Hinweis „Neben einer Hütte“ einschränken, denn nun kommen als Fundort nur noch die Felder in Frage, die gleichzeitig neben einer Hütte und im Gebirge liegen. Der Hinweisgeber legt seine Karte also an den weißen Schatzpfad an und platziert eine seiner Windrosen darauf, um anzuzeigen, dass er Anspruch auf einen Teil des Schatzes hat. Clever gelöst, denn so ist sichergestellt, dass derjenige, der mehr Hinweise zu einem Schatzpfad beigesteuert hat, auch potenziell einen größeren Anteil an der Beute erhält, wenn es ans Verteilen geht. Die jetzt nicht mehr gültigen Würfelchen werden vom Spielplan entfernt. Ist nur noch ein einziger Würfel geblieben, bezeichnet diese Stelle den tatsächlichen Fundort und spätestens jetzt (meistens schon früher) werden sich die Geländewagen auf den Weg machen, um zuerst am Fundort zu sein und den Schatz zu heben. Wer dies nämlich tut, legt noch eine weitere Windrose unter den Pfad, dessen Schatz er gehoben hat und darf bei der Beuteverteilung als Erster zuschlagen.

 

Kribbeliger Beutepoker

Selbst die Schatzverteilung wird bei TOBAGO zu einem Abenteuer in sich, denn sie ist von Allen schlau konzipiert worden. Jeder erhält so viele Goldkarten mit Werten von zwei bis zu sechs Goldstücken vom verdeckten Stapel, wie eigene Windrosen am entsprechenden Schatzpfad liegen und sieht sie sich heimlich an. Jeder weiß also zumindest zum Teil, was ihn erwartet. Dann werden die Karten zusammengemischt, durch eine weitere unbekannte vom Stapel ergänzt und die oberste nun dem Schatzheber feilgeboten. Lehnt er ab, darf sie der Besitzer der Hinweiskarte darüber nehmen oder ebenfalls ablehnen. So werden alle Karten nacheinander aufgedeckt und das Spiel wird zu einem echten Zocken um die besten Karten. Sollte man besser warten, bis hochwertigere Karten kommen, obwohl man gar nicht weiß, ob und wenn ja welche dabei sind oder sich mit sicheren zwei Goldstücken zufrieden geben, deren Existenz man kennt? Spritzig wird das Ganze durch die Tatsache, dass auch zwei verfluchte Schätze im Spiel sind, die irgendwann ab der 12. verteilten Goldkarte auftauchen werden, aber wann genau, weiß niemand. Hat vielleicht einer der Mitspieler einen Fluch gezogen und greift sich darum schnell die niedrigen Werte, um überhaupt etwas abzubekommen, bevor der Fluch die Verteilung abrupt beendet? Oder blufft er nur, um die anderen nervös zu machen und am Ende, wenn alle ihre Schätze haben, den versteckten Sechser abzugreifen? Dieses Zocken macht Spaß und passt hervorragend zum Spielthema. Taucht ein Fluch auf, erhält niemand mehr eine Goldkarte. Zudem muss jeder, der noch Windrosen an dem Pfad liegen hat, seine wertvollste Goldkarte abgebeben. Es sein denn, er verfügt über eines der eingangs erwähnten magischen Amulette, das er stattdessen opfern muss und so vor dem Fluch geschützt ist. Es ist also ratsam, bei seinen Fahrten über die Insel nicht nur auf Schatzjagd zu gehen, sondern auch auf dem Weg das ein oder andere Amulett einzusammeln. Hier greifen die einzelnen Elemente der Spielmechanik hervorragend ineinander, denn alles in miteinander verwoben und ganz ohne Amulette hinkt man schnell ziemlich hinterher, schützen diese doch nicht nur vor dem Fluch, sondern erlauben mitunter eine Extrafahrt mit dem Wagen, lassen ein beliebiges Steinchen auf dem Spielplan verschwinden oder ermöglichen das Ausspielen einer zweiten Hinweiskarte oder gar den Tausch der ganzen Kartenhand gegen Hinweise vom verdeckten Zugstapel. So lässt sich tatsächlich planen, wann welcher Hinweis gespielt werden sollte, um noch im selben Zug mit dem Wagen am Fundort zu stehen und den Schatz zu heben.

 

Es knarzt gewaltig auf TOBAGO

Jedes Mal, wenn ein Schatz gehoben wurde, erscheinen Amulette auf den Feldern am Spielplanrand, auf die die Statuen blicken. Danach drehen sie sich laut Spielregel „knarzend“ um sechzig Grad im Uhrzeigersinn, um beim nächsten gehobenen Schatz erneut in ihrer Blickrichtung Amulette aus dem Meer aufsteigen zu lassen. So lässt sich sogar planen, wann und wo genau zukünftig ein Amulett erscheinen wird und der gewiefte Schatzjäger wird seine Fahrten im Geländewagen tunlichst so gestalten, dass er bereits in der Nähe ist oder im Idealfall schon da steht, wo ein Amulett gerade auftaucht.

Das Heben eines Schatzes zählt nicht als Aktion, sodass es manchmal sogar möglich ist, in einem Spielzug und unter Einsatz von Amuletten, von denen beliebig viele in einem Zug gespielt werden können, gleich mehrere Schätze zu heben. Wenn die letzte Goldkarte verteilt wurde, endet das Spiel und der reichste Schatzjäger gewinnt die atmosphärische Mischung aus Logik, Bluff und Wettrennen auf einem Spielplan, der zusammen mit dem übrigen Material eine Augenweide ist und bei dessen grafischer Gestaltung sich Victor Boden selbst übertroffen hat. Nun wird auch klar, warum von Deduktion keine Rede sein kann: Es geht gar nicht darum, zuvor versteckte oder heimlich bestimmte Orte zu finden, sondern die Fundstelle mit Hilfe der eigenen Karten so festzulegen, dass man selbst den Schatz heben kann – natürlich nur, wenn nicht zuvor jemand einen passenden Hinweis legt, der die Fundstelle präzise kennzeichnet und einem dann auch noch den Schatz vor der Nase wegschnappt. Es empfiehlt sich also, an mehreren Schatzpfaden beteiligt zu sein, um zumindest ein Stück vom Kuchen abzubekommen, denn jede Windrose auf einem Hinweis bringt sicher eine Goldkarte bei der Verteilung des Schatzes. Beim Platzieren der Würfel und dem logischen Ausschließen einzelner Orte beim Ausspielen einer Hinweiskarte helfen alle Spieler gerne mit, einerseits, um sicherzustellen, dass der Kartenleger nicht zufällig ein wichtiges Würfelchen zu viel abräumt, aber auch, weil es einfach Spaß macht, gemeinsam die Fundorte immer weiter einzugrenzen – Konkurrenz gibt es erst beim Heben und Verteilen eines Schatzes. Und das nicht zu knapp.

 

Eine runde Sache!

Eine Schatzjagd auf TOBAGO macht nicht nur Familien, sonder auch Experten Spaß, sofern sie sich auf das Abenteuer einlassen und in die Spielatmosphäre eintauchen, die vergessen lässt, dass hier Vieles vom Glück abhängt. Welche Karten ich auf die Hand bekomme, kann ich nicht beeinflussen, was ich damit mache allerdings schon. Im Spiel zu viert wird schnell die eigene Strategie zunichte gemacht, wenn ein schon sicher geglaubter Schatz in den Fingern eines Konkurrenten landet, nur weil dieser eine ebenfalls passende Karte und dann auch noch zwei Amulette pfiffig eingesetzt hat. Zu zweit wird die Sache taktischer, aber nicht ganz so atmosphärisch. Obwohl, oder vielleicht gerade weil der Autor mehrere völlig unterschiedliche Elemente (Karten spielen und Fundorte eingrenzen, Wettrennen mit den Geländewagen, Sammeln von Amuletten und Zocken um die Beute) gewitzt miteinander kombiniert, wird eine Partie TOBAGO nie langweilig. Der variable Spielplan und die beinahe beliebige Grundbebauung mit Hütten, Palmen und Statuen zu Spielbeginn tun ein Übriges, um jede Partie wirklich einzigartig zu machen. Da fällt es leicht, sich durchaus mehr als nur einmal auf Schatzsuche zu begeben.

 

Stefan Olschewski

stefan@stefanmagie.tobit.net

 

Spieler         : 2-4

Alter            : ab 10 Jahren

Dauer           : ca. 60 Min

 

Autor           : Bruce Allen

Grafik          : Victor Boden

Vertrieb A.   : Piatnik

Preis            : ca. 30,- Euro

Verlag          : Zoch 2009

                     www.zoch-verlag.com

 

Genre                    : Logisches Lauf- und Sammelspiel
Zielgruppe             : Mit Freunden

Mechanismen         : Gebiete eingrenzen und dort Schätze heben

 

Zufall                     : 3

Wissen                  :

Planung                 : 4

Kreativität              : 4

Kommunikation      : 5

Geschicklichkeit      :

Action                   :

 

Kommentar:

Gestalterisch rundum eine Augenweide
Ungewöhnliche Mechanismen zu einem stimmigen Ganzen vereint
Weniger kompetitiv als erwartet
Gelungene Mischung aus Glück und Taktik

 

Vergleichbar:

In der Zusammenstellung der Mechanismen einzigartig, vom Thema her vergleichbar z.B. mit Goldland (Goldsieber) oder Dracheninsel (AMIGO).

 

Atmosphäre: 7

Stefan Olschewski

Atmosphärisch dichtes Gewebe aus innovativen Spielelementen und toller gestalterischer Umsetzung mit hohem Aufforderungscharakter und Wiederspielreiz.