HECKMECK AM BRATWURMECK
Ein Würfelschmaus im Würmerhaus
Heckmeck bedeutet
laut Wörterbuch „Geschwätz, Unsinn, Durcheinander“. Das Bratwurmeck steht
vielleicht bildhaft für einen Grillrost der Begehrlichkeiten. Und mit diesem
Titel wird auch bereits die Zielsetzung dieses Locker-Zocker-Sommerhits des
Zoch-Verlags zum Ausdruck gebracht. Ein Durcheinander herrscht im wahrsten Sinn
des Wortes bei der Jagd nach den kleinen roten Würmern, die auf einem aus
sechzehn Feldern bestehenden Grillrost der Verspeisung harren. Eine Hektik
kommt schon auf, wenn den Spielern, alias Hühnern, ihre acht Bratwurm-Würfel
locker aus den Krallen fallen. Ständig ist man auf der Suche nach den
schmackhaftesten Würmchen, die sich in der Grillreihe ganz rechts winden.
Lassen Sie sich von
der kurzen Einleitung nicht täuschen. Sie haben es bei „Heckmeck am
Bratwurmeck“ keinesfalls mit einem Kinderspiel zu tun, wenn auch die simplen,
fast selbsterklärenden Regeln dies ebenso anzudeuten scheinen wie der
ungewöhnliche Titel dieses dritten Zwischendurchspiels aus der „Federviehserie“
des Zoch-Verlages (siehe auch: Hick Hack in Gackelwack und Schicki Micki, Anm.
d. Verf). Heckmeck ist das zweifellos ausgefeilteste Werk aus dieser Reihe,
kein Wunder, stammt es doch aus dem Stall des „Meisterzüchters“ Reiner Knizia.
Und dieses Spiel hat auch eine bemerkenswerte Entwicklungsgeschichte, die ich
hier ganz kurz streifen möchte. Reiner Knizia hat das bei Heckmeck praktizierte
Würfelprinzip bereits 1990 erdacht und in seinem exzellenten Buch „Dice Games
Properly Explained“ (Verlag Right Way, GB) vorgestellt. Das Grundelement der
Würfelwahl ist bei „Octo“, so der damalige Titel, gleich wie heute. Zudem wird
dem Leser auf mehreren Seiten mit exakten, wahrscheinlichkeitstheoretischen
Tabellen ein überaus spannender und für das praktische Spiel hilfreicher
Einstieg in die Theorie des Würfelwurfs gegeben. Nie in meinem Leben habe ich
ein besseres Buch über Würfelspiele in Händen gehalten als diese Dice Games. Und
schon damals wurde ich bereits wochenlang mit meinen Freunden zu zahlreichen
Experimenten mit Würfeln angeregt. Schade deshalb, dass in der deutschen
Ausgabe „Das große Buch der Würfelspiele“ (Hugendubel 2000) diese Idee des
Würfelherauslegens ebenso „weggelassen“ wurde wie auch der Abdruck einiger
anderer großer Bluffspiele. Wer also den vollen Würfel-Knizia kennen lernen
möchte, wird sich um die englische Ausgabe bemühen müssen.
Nun aber zurück ins
Heckmeckgeschehen. Das Spielziel ist simpel: mehr Würmer vor sich auftürmen als
die übrigen Mitspieler. „Auftürmen“ gelingt zunächst nur durch Wegnahme der zu Spielbeginn
offen ausliegenden Wurmsteinchen, die eine aufsteigende Reihe (von 21 bis 36)
bilden. Voraussetzung für dieses Wurmfressen ist ein entsprechendes
Pickgeschick. Wurmstein ist jedoch nicht Wurmstein, das muss auch gleich gesagt
werden. Die vier niedrigsten Grill-(pardon:Wurm)steine (21 bis 24) zeigen nur
einen einzigen Wurm, die nächsten vier (25 bis 28) bieten zwei dieser Dinger,
Grillsteine 29 bis 32 zeigen drei der niederen Tiere, und die Topbratwürmer, je
vier Stück, krümeln sich schließlich auf den Steinen 33 bis 36. Reihum wird mit
acht Würfeln versucht, ein möglichst hohes Ergebnis zu erreichen. Fünf Seiten
der Miniquader zeigen die üblichen Augen von 1 bis 5, auf der sechsten Seite
lächelt Sie jedoch ein kleiner, kringelnder, roter Wurm an. Sie dürfen sich bei
Ihrem ersten Wurf für eine der Augenzahlen entscheiden und davon jede beliebige
Menge an Würfeln herauslegen. So würde zum Beispiel der Wurf
2-2-2-3-4-4-5-W(urm) bis zu drei Zweier freimachen, oder aber auch zwei Vierer,
bzw. einen Dreier, Fünfer oder eben einen Wurm. Die Krux dabei ist, dass mit
jedem weiteren Versuch der Wurfserie weniger Würfel zur Verfügung stehen und
außerdem mindestens ein winziger Wurm nötig ist, um die Wurfserie nicht
ungültig werden zu lassen. Dazu kommt dann noch, und das macht das Leben im
Wurmland extrem schwer, dass niemals in einer Wurfserie zweimal die gleiche
Wahl getroffen, das heißt, etwa zweimal die hoch zählende Fünf zur Seite gelegt
werden darf. Im obigen Beispiel würden gewiefte „Hühnchen“ daher wahrscheinlich
eine Zwei oder eine Drei wählen, um die höheren Werte für bessere Resultate
frei zu halten. Der Traumwurf am Hof sieht folgendermaßen aus: W-W-W-W-W-W-W-W,
40 Punkte. Und schon dürfen Sie sich beim schmackhaftesten Wurm des Grills
bedienen. Die Wahrscheinlichkeit für obiges Wurfresultat ist allerdings
infinitesimal gering, daher werden Sie sich wohl mit kleineren Krümeln
bescheiden müssen. Ja, ich habe noch nicht erwähnt, dass ein Wurm genauso viel
zählt wie eine Fünf. Wenn kein passender Wurmstein ausliegt, müssen Sie sich
keine Gedanken machen, Understatement wird am Hühnerhof jederzeit gern gesehen,
nehmen Sie einfach den nächst niedrigeren und stapeln Sie diesen vor sich auf!
Schlimm wird es, wenn es Ihnen nicht gelingt, zumindest einen ausliegenden Wert
zu erreichen, oder wenn ein Wurf nur bereits heraus gelegte Augen dupliziert.
Dann müssen Sie den obersten Ihrer bereits sicher geglaubten Würmchen
zurücklegen und dafür den höchsten Grillstein der Reihe umdrehen. Niemand kann
sich mehr an diesem Topwurm delektieren. So brutal geht es zu am heißen
Bratwurmeck. Doch Achtung, keine Regel ohne Ausnahme. Sollte der zurückgelegte
Grillstein den Topwert zeigen, bleibt er offen liegen. Schließlich haben auch
Bratwürmer ihre Ehre zu verteidigen. Vorbei ist diese Wurmorgie, sobald der
letzte offene Bratwurm verzehrt wurde. Dann werden die einzelnen Stapelwerte
verglichen – Sie haben noch die unterschiedliche Zahl der Würmchen pro
Grillstein im Ohr! – und der Topheckmeckspieler durch ein lautes Gegacker
gefeiert. Bei Gleichstand beim Wurmkauf entscheidet der wertvollste Grillstein.
So ist eben das Verständnis von Gerechtigkeit bei diesem Heckmeckspielchen.
Wenn es Ihnen beliebt und Sie die Sozialisation der Hühnerwelt schätzen, können
Sie Heckmeck auch als Teamspiel genießen. Am Ende wird die Wurmbeute der Stapel
einfach zusammengezählt. Gemeinsam schmeckt das Mahl eben doppelt gut, nicht
wahr!
Mit Gusto gehe ich
nun an die eigentliche Kritik heran. „Heckmeck am Bratwurmeck“ ist endlich
wieder mal ein Spiel, wo es nicht gleich bei der ersten oder zweiten Partie zu
kleinen Regeladaptionen und vertiefenden Variationen kommt. Heckmeck ist aus
einem Guss, da passt alles zusammen, vom Spielprinzip bis zu den wunderbar
illustrierten und haptisch sehr befriedigenden Spielsteinen. Hier haben Autor,
Verlag und Graphikerin zusammengewirkt, hier kann man um wenig Geld ein
schnelles und dennoch auch taktisch geprägtes Spiel erwerben, bei dem Alter und
Spielerzahl völlig nebensächlich werden. Nun, Reiner Knizia bürgt ja allemal
für Qualität, warum sollte es diesmal anders sein. Aber gerade dieser geniale
Spielerfinder ist doch viel mehr für seine Abend füllenden, fast episch
angelegten, exakt ausgetüftelten Werke bekannt. Ein „Knizia“ lebt, sollte man
meinen, von ungewöhnlichen, brillant aufeinander abgestimmten Mechanismen, wie
wir sie in seinen Meisterwerken „Euphrat & Tigris“, „Modern Art“,
„Samurai“, Amun-Re“ oder „Ra“, um nur einige zu nennen, erleben durften. Aber
schon mit „Einfach genial“ hat der in seiner Wahlheimat Großbritannien tätige
Autor seine Fähigkeit angezeigt, auch den simplen Spielgedanken in lockerer und
befreiender Form präsentieren zu können. Bei „Heckmeck am Bratwurmeck“ werden
Spieldauer und Regelmechanismus nochmals um eine Stufe reduziert, und dies bei
Beibehaltung der Knizia-gewohnten Spannung.
Falls Sie sich als
Leser dieser Rezension fragen, ob beim platten Würfeln überhaupt ein taktisches
Element und ein Grundmaß an Interaktion zu finden sind (siehe WIN-Wertung), so
darf ich Sie gleich beruhigen. Die Taktik liegt vor allem im richtigen
Herauslegen der Würfel. Gehen Sie gleich beim ersten Wurf auf Nummer sicher und
wählen ein einziges, armseliges Würmchen, so werden Sie unter Umständen keinen
hohen Wurf zusammen bringen. Entscheiden Sie sich dagegen für drei Fünfer, kann
es passieren, dass sich bei den weiteren Würfen der Serie überhaupt kein Wurm zeigt,
Sie daher einen bereits halb verzehrten Wurmstein abgeben müssen. Daher sollten
Ihre Entscheidungen davon abhängen, zu welchem Zeitpunkt eine Wurfserie
angegangen wird. Ganz zu Spielbeginn, wo noch alle sechzehn Grillplatten voll
belegt sind, können Sie schon mal was riskieren. Sie haben ja noch absolut
nichts zu verlieren. Liegt aber ein hoher Grillstein vor Ihnen aus, mit vier
Würmern darauf, sollten Sie auf jeden Fall zumindest einen weiteren, niedrigen
Grillstein sicherstellen, um nicht einen wertvollen Zähler zu verlieren. Dieses
Ziel führt auch gleich zum Thema Interaktion. Wenn es Ihnen nämlich gelingt,
exakt den Wurfwert zu erreichen, der bei einem der Mitspieler ganz zuoberst auf
dessen Stapel liegt, dürfen Sie seinen Wurmhappen stehlen. Das ist doppelt
schmackhaft, da Sie ja gewinnen, der andere dagegen hungrig zurückbleibt. Sie sehen
schon, Heckmeck ist beileibe nicht nur ein stumpfes Würfeln. Vernünftige,
kurzfristige Teilziele sind immer gefragt, eine Portion Glück kann dennoch
nicht schaden. Wenn dem nicht so wäre, gäbe es auch kein echtes, lustvolles
Heckmeck, oder sehen Sie dies anders?
Mein persönliches
Fazit: Dieses kleine Spiel – die Schachtel misst gerade mal 13 x 13 cm – gehört
mit zum Besten, was ich als Rezensent in den letzten Jahren zur Bearbeitung
bekommen habe. Kaum zu glauben, wie hoch das Verlangen mitzuspielen schon bei
den ersten paar Würfen wird, und zwar bei jedem, der beim hektischen
Würfelgeklunker (in unserer grün befilzten Tasse) auch nur kurz zuschaut. Nicht
einmal springt der eine oder andere Spieler auf und schreit sich den Frust von
der „wurmgepeinigten“ Seele. Ob es die von Doris Matthäus mit Gefühl und
Detailliebe gestalteten Würmchen sind, die leicht in der Hand liegenden dominoartigen
Grillsteine des Zoch-Verlags oder die brillante Idee des genialen Reiner Knizia,
ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich ist es das einmalige Zusammenspiel dieser
drei Faktoren, das „Heckmeck“ zu einem Suchtspiel werden lässt, egal in welcher
Altersgruppe. Es vergeht bei uns im Moment kein Spielabend mehr ohne das
obligate Treffen zum Würmergrill der Extraklasse, am ewig Freude spendenden und
schmackhaften Bratwurmeck.
HECKMECK AM BRATWURMECK
Spieler: 2-7
Alter: ab
8 Jahren
Dauer: 20
Minuten
Verlag: Zoch
Verlag 2005
Autor: Reiner Knizia
Illustration: Doris Matthäus
Preis: ca.
€ 10
WIN WERTUNG
Genre: Würfelspiel
Zielgruppe: Familie,
Zocker, Experten …
Mechanismus: Taktische Würfelergebnisse produzieren
Strategie: **
Taktik: ***
Glück: *****
Interaktion: ******
Kommunikation: ***
Atmosphäre: ******
Kommentar:
Enormer Suchtfaktor
Exzellentes
Spielmaterial
Kurzweilig und altersunabhängig
Hugo Kastner: Kaum zuvor in meinem Leben ist es
vorgekommen, dass in meiner Spielrunde eine Neuerscheinung derart eingeschlagen
hat wie „Heckmeck“, dieses turbulente, kuriose und kurzweilige Würfeldrama.
Meine Freunde und Bekannten scheinen bedingungslos der „Wurmsucht“ verfallen zu
sein. Uns so vergeht kein Spielabend, an dem nicht zumindest ein, zwei schnelle
„Wurmmatcherl“ (so der Wiener Jargon) ausgetragen werden. Daher meine *****-Empfehlung:
Kaufen, Spielen & Verschenken! Wer an „Can’t Stop“ oder „Würfelpoker“ seine
Freude hat, wird auch „Heckmeck am Bratwurmeck“ zu seinen Favoriten zählen.
Hugo Kastner