Unsere Rezension
Kobolde züchten Monster
DUNGEON PETZ
Der Lord will ein magisches Biest
Man nehme einen Vater von 3 kleinen Kindern. Dazu einen Zentner Fantasie, eine Handvoll Humor – kann auch mehr sein – eine Prise Ironie, eine eigens erschaffene Welt und lasse den Vater Geschichten erfinden.
Er wird sicher, so wie einst der Meine, neue Geschichten, in denen sich die fantasievolle Welt der Märchen mit dem Alltag unseres Daseins vermischt, erzählen. Oder so, wie Vlaada Chvatil, ein neues in manchen Aspekten atemberaubendes, gut durchdachtes, extra für uns (die Spieler) erschaffenes Spiel an den Tag bringen.
So wie die Märchen ihre Struktur (drei Söhne; der Dumme ist der Kluge; ein Drache; eine Prinzessin;…) haben, so hat das Spiel bekannte Mechanismen (verdeckt bieten, Personaleinsatz, Kartenmanagement…). Diese zusammen mit dem Thema ergeben eine Einheit, wie sie nur exakte Wissenschaften in ihren Theorien kennen.
Lassen wir uns jetzt die Mischung von Vatersorgen, Spielmechanismen und fantastischer Welt der Dungeons zeigen. Ob auch wir uns darin, wie schon viele Andere, so wohl fühlen werden?
In diesem eigenständigen Nachfolge-Spiel zu Dungeon Lords haben die Hauptrolle Kobolde und kleine Tierchen, aus denen richtige Monster für die Lords heranwachsen sollen. Es ist ein ökonomisches Modell der Kleintierzucht. Das ganze Szenario besteht aus Babytiere kaufen, im Zoo platzieren, sich um deren Bedürfnisse kümmern, sie heranwachsen sehen, bei Schauen Pokale gewinnen um die Tiere letztendlich gewinnbringend zu verhökern.
Nur hat es einen kleinen Haken. In Spielerterminologie nennt man es Mangelspiel. Die Tierchen selbst wollen nicht immer so, wie wir uns das vorstellen. Haben wir dann für sie auch die richtigen Käfige, Essen,…?
Da kommt eine alte Lady, die sich liebevoll um einen kleinen Racker kümmern möchte, ihn füttern will und was macht dieses Ding? Anstatt brav aus der Hand zu fressen (ansonsten ist es ja so verfressen), versucht es, wütend aus dem Käfig zu entfliehen und beißt wild um sich. Beim zweiten Besuch kommt der Große Herrscher mit einem Wunsch nach einem aggressiven zaubernden Biest. Aber anstatt den Käfig in Kleinholz zu zerlegen, spielt es gerade in einer Ecke mit dem Wollknäuel. In einem unbeachteten Moment kackt es dem Herrscher sogar die Stiefel voll. Mit diesen Situationen muss der arme Spieler fertig werden und möglichst viel Ansehen erlangen. Es fehlt ihm dabei vorne und hinten immer irgendetwas. Wie soll das denn gehen?
Jeder Spieler hat anfangs 6 Kobolde, einen Spielplan mit seinem gerade angelegten Zoo und einen Spielplan mit seiner Vorratskammer und den Koboldunterkünften. Dieser ist eine Spezialität an sich, denn sein Vorderteil ist Spielhilfe und ausklappbarer Sichtschirm zugleich. In die Mitte des Tisches wird ein großer Spielplan gelegt, auf dem sich der eigentliche, gemeinsame interaktive Teil des Spiels abspielt. Es gibt hier Plätze für kleine Tiere, Plätze für neue Käfige, für Käfigerweiterungen (keine Sorge, es ist nicht wie bei manchen Spielerweiterungen, diese sind wirklich von hohem Nutzen), für Gemüse, für Fleisch, für Gold, für magische Gegenstände, ja sogar für kranke Kobolde. Der Spielplan ist wie bei Vlaadas Spielen gut organisiert und wie bei David Cochard so voller kleiner Details, dass ich eigentlich zuerst mehr als eine Stunde damit verbrachte die 97 kleinen Kobolde zusammenzuzählen und zu betrachten und erst dann die kleinen Pflastersteine für Koboldgruppen – Aktionsfelder – bemerkt habe. Obwohl sich einige vom überfüllten Plan gestört fühlen können, ich kann es mir schon ohne die Details nicht mehr vorstellen und freue mich, wann wieder so etwas entsteht. Eines bleibt jedoch wie immer, Vlaada hat für jede Kleinigkeit einen extra Platz reserviert. Und wenn sie nicht mehr drauf passt, so muss noch ein kleinerer Plan her. Auf dem befinden sich der Rundenzähler und kleine Abbildungen des ganzen Spielvorgangs. Außerdem werden hier kleine Kärtchen mit Käufer (Lords) und Schauregeln ausgelegt.
Das ganze Spiel dauert 5 bzw. 6 Runden. Eine Runde besteht aus Aufbau, Einkaufstour, Bedürfnissen, Angeberei, Verkauf und Altern. Beim Aufbau geht es darum, den großen Spielplan mit neuem Material zu bestücken und Einkommen zu kassieren. Da ist der Spieler noch nicht gefragt. Es wird automatisch abgehandelt. Genau wie im Leben, da legt man auch keine Hand an um Geld vom Staat zu kassieren J. Bei der Einkaufstour geht es aber hart zu. Zuerst klappen alle ihre Sichtschirme hoch und verteilen danach ihre Kobolde in höchstens 6 Gruppen. Eine Gruppe kann durch zusätzliches Gold verstärkt werden, muss aber mindestens einen Kobold beinhalten. Danach werden die Sichtschirme wieder nach unten geklappt und es beginnt der Spieler mit der stärksten Koboldgruppe. Er darf für diese Gruppe ein Aktionsfeld wählen, oder sie in die Unterkünfte zurückschicken. Nach ihm ist derjenige dran, der jetzt die stärkste Gruppe hat usw. Starke Gruppen sind immer gefragt, denn nicht jeder Spieler kann in einer Runde ein Tierchen kaufen, nicht jeder kann in einer Runde einen Käfig abschleppen, nicht jeder… Ich sehe schon, Sie haben es kapiert. Die Spieler kommen sich hier dauernd in die Quere und versuchen abzuschätzen was ihnen noch bis zu ihrem nächsten Einsetzen übrigbleibt. Nach Beenden der Einkaufstour heißt es die eingekauften Tiere, Käfige, Futter, Magische Gegenstände, Käfigerweiterungen, Schlaftrank nach Hause zu nehmen und alles gut ordnen. Die Kobolde selber tummeln sich noch im Supermar…, ach nein! – auf dem Spielplan wollte ich sagen.
Jetzt kommt die Phase der Bedürfnisse. Jedes Tierchen hat einen drehbaren Teil, bei dem farbige Vierecke hervorkommen. Jedes Viereck bedeutet ein Bedürfnis. Ein grünes steht meistens für Hunger. Ein hungriges Tier sollte man füttern. Ein gelbes Rechteck bedeutet meistens Spiellust. Da sollte man mit ihm spielen oder ihm ein Spielzeug besorgt haben. Rot steht meistens für Aggression und violett für Zaubern. Da müssen die Spieler drauf achten, dass die Käfige es aushalten. Für jedes Bedürfnis zieht ein Spieler die entsprechende Karte. Die Zusammensetzung der Symbole bei den farblichen Karten hat ein Spieler jederzeit auf der Innenseite des Sichtschirms vor sich. Damit es nicht nur auf „blind ziehen und zum Tier dazulegen“ vereinfacht wird, haben die Spieler Anfang jeder Runde eine Karte von jeder Farbe als Überbleibsel der letzten Runde auf der Hand. Dann können sie mit wenigstens einer Karte pro Farbe sicher rechnen. Waren sie so clever und haben ein magisches Buch ergattert, haben sie noch eine Karte pro Buch im Voraus dazu. Hat ein Spieler mehrere Tierchen, so zieht er für alle die Karten und kann sie beliebig kombinieren. Nur die Kartenfarben müssen bei jedem Tier stimmen. Und dann kommt es zur Auflösung. Wieder ist am Sichtschirm eine Anleitung dazu. Habe ich eigentlich schon geschrieben, dass mir der Sichtschirm gut gefällt und dass er mehrere Nutzen hat? Kann man das Tierchen nicht befriedigen, leidet es und bekommt einen Leidensmarker. Die sind nicht gut. Die mag man nicht bei den Schauen und die mögen auch die Käufer nicht. Manchmal kackt es den Käfig voll. Sobald sich der leert, kann man ihn ausmisten. Hat das Tier Krankheitssymbole auf den Karten, hängt die Anzahl der Leidensmarker nicht alleine von Krankheitssymbolen, sondern auch von der Anzahl an Häufchen im Käfig ab. Aggression muss der Käfig aushalten, es können jedoch auch Kobolde den Käfig halten. Ein zauberndes Tierchen sollte stets im Anti-Magie-Käfig stecken. Ist der Käfig zu schwach, kann das Tier mutieren oder in eine andere Dimension und damit aus dem Spiel verschwinden. Jede Karte kann durch einen Trank ersetzt werden. Die gezogenen Karten mit den Handkarten für mehrere Tiere richtig zu kombinieren erfordert schon volle Konzentration und Kombinationsfähigkeit. Dieser Schritt ist der eigentliche Verlangsamer im Spiel. Ansonsten geht alles andere flott. Es bedarf eines ganzen Mannes – Frau – Mathematikers – … diese Aufgabe zu lösen.
Nach der Auswertung von Schäden durch Bedürfnisse werden Schauen veranstaltet. Die vorhin zugeordneten Karten zählen da mit. Ab der zweiten Runde werden Schauen veranstaltet. Wer am besten abschneidet, bekommt 8 (im Spiel zu viert) Ansehenspunkte, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Selbstverständlich gibt es einen zweiten und eine dritten, aber auch einen vierten Platz. Es sind die Schauregeln immer im Voraus zu sehen und somit können sich Spieler von Runde zu Runde die „richtigen“ Karten auf der Hand aufbewahren. Es gibt Einzelschauen und Vergleichsschauen. Entweder ist nur eines ihrer Tierchen beteiligt oder der ganze Zoo.
Jetzt kommen wir zum eigentlichen Ziel der kleinen Kobolde. Denn nur ihrer Idee (oder war es die von Vlaada?) verdanken wir dieses Spiel. Sie wollen ja die Tiere nur für die Lords erziehen. Jeder Lord hat andere Vorlieben. Doch jeder will ein reifes Tier – es muss mindestens zwei Runden reifer und älter sein, als es beim Einkauf war. Daher kommen die ersten Einkäufer erst in der dritten Runde ins Spiel. Sichtbar sind sie auch 2 Runden im Voraus. Keiner von ihnen mag leidende Tiere – die Leidensmarker bedeuten daher Punkteabzüge. Man verkauft die Tiere für Geld und Ansehenspunkte. Geld ist vom Alter des Tieres abhängig und Ansehenspunkte sind der doppelte Wert der Übereinstimmung mit den Ansprüchen der Lords. War der Spieler clever und hat einen Kobold zum Markt aufs Podium geschickt, wird der Wert sogar verdreifacht. Und wieder weiß der Spieler alles schon zwei Runden bevor der Verkaufswahn losgeht.
Nach dem ganzen schauen die Spieler noch nach, ob in den Unterkünften nicht irgendein Kobold die Däumchen dreht. Der soll schnell ausmisten gehen. Gibt es nichts zum ausmisten, soll er sich wenigstens nützlich machen und Gold anschaffen.
Und schon geht es in die letzte Phase der Runde. Aus kleinen lieben Tierchen werden Teenager, das Futter in den Unterkünften verfault ein kleines oder großes Bisschen. Somit kann sich Fleisch nur über zwei Runden halten. Gemüse hält dafür 3 Runden aus. Und endlich kommen die Kobolde heim. Die nächste Runde kann beginnen.
Während des Spiels haben die Spieler schon ihre Punkte gemacht und am Schluss werden ihre Spielpläne nochmals wie in einer Schau gewertet. Wer danach das größte Ansehen hat, hat gewonnen.
Dieses Spiel besticht mit der Grafik der kleinen Tiere. Die meisten Spieler haben den Eindruck, sie hätten etwas aufgebaut und die Punkte sind eigentlich Nebensache. Übrigens, mein liebstes Tierchen ist die Echfe. Und Ihres?
Monika Dillingerová
Spieler: 2-4
Alter: 12+
Dauer: 90+
Autor: Vlaada Chvátil
Grafik: David Cochard
Preis: ca. 40 Euro
Verlag: Heidelberger 2011
Web: www.hds-fantasy.de
Genre: Mangelspiel mit Kartenmanagement
Zielgruppe: Für Experten
Version: de
Regeln: cz de en es fr pl
Text im Spiel: nein
Kommentar:
Detailreicher, entzückender Plan
Witziges Thema
Gute Kombination von Mechanismen
Vergleichbar:
Grundsätzlich Worker Placement und Mangelspiel, in Thema und Mechanismenkombination einzigartig
Andere Ausgaben:
In Englisch bei Z-Man Games
Meine Einschätzung: 6
Monika Dillingerová:
Ein faszinierendes Spiel, sowohl von der Aussattung als auch der Idee – und ziemlich realistisch, wenn die lieben Tierchen immer genau das tun, was sie nicht sollen, wenn die Käufer kommen
Zufall (rosa): 0
Taktik (türkis): 3
Strategie (blau): 2
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0