PERLEN DER SPIELKUNST

 

CAYLUS

 

Die Gunst des Königs     

 

Liebe Leserin, lieber Leser! „1289. Um die Grenzen des französischen Reiches zu befestigen, beschließt König Philipp der Schöne ein neues Schloss zu bauen. Zurzeit ist Caylus nur eine unbedeutende Siedlung, aber bald werden Baumeister und Arbeiter in großer Zahl heran strömen, angezogen von den Reichtümern, die das geplante Bauwerk ihnen einbringen kann. Um die Baustelle herum beginnt sich langsam eine Stadt zu entwickeln … Die Spieler schlüpfen in die Rolle der Baumeister, die das Schloss des Königs errichten und die Infrastruktur der Stadt entwickeln, die am Fuß des Schlosses liegt. Sie streben nach Prestige und versuchen die Gunst des Königs zu erlangen. Wenn das Schloss fertig gebaut ist, endet das Spiel, und es gewinnt derjenige Spieler, der am meisten Prestige besitzt.“ Mit diesen Worten leitet das Regelheft das herausfordernde Abenteuer aus dem Verlagshaus Ystari Games ein. Und diese Worte sind auch bereits Programm. Sie stellen ein ebenso vielschichtiges wie anspruchsvolles, ein zeitintensives wie auch interaktives Spielerlebnis der Oberklasse vor. Das alles auf einem bunten Spielplan à la Arnaud Demaegd (Erinnerungen an „Ys“ werden wach), mit Spielmaterial, das aus Hunderten von Einzelteilen besteht. Voilà, machen Sie sich bereit auf ein Eintauchen in ein strategisch-taktisches Abenteuer für zwei, drei, vier oder gar fünf Baumeister. Wo? Klarerweise im Österreichischen Spielemuseum in Leopoldsdorf. www.spielen.at

 

Das kritische Auge des Rezensenten sucht und findet unentwegt im Lichtkegel der Expertenrunde. Bei „Caylus“ muss zunächst die Eleganz und Stimmigkeit des Spielablaufs betont werden. Verzweigt mögen die einzelnen Entscheidungskreuzungen schon sein, klar und deutlich bleibt dennoch der Gesamtprozess des Schlossbaus. Keine Sekunde sind die Spieler vom eigentlichen Sinn der Sache, dem Einsetzen und Werten der Arbeiter, abgelenkt oder gar ausgeschlossen, ist doch jede Überlegung des einen Spielers ebenso für den anderen bindend und von nachhaltiger Wirkung. Immer bleibt das eine oder andere Bedürfnis unbefriedigt, fast wie im wirklichen Leben. Mal fehlt es am schnöden Mammon, mal verspräche ein winziges Holz oder ein locker hervorgeholtes Tuch den großen Wurf. Gelingt endlich ein Prachtbau, liegt dieser vielleicht gerade knapp außerhalb der Einflusssphäre des Vogtes. Ist man im Schloss nur Zweiter, steht man nicht in der so ersehnten Gunst des Königs. Setzt man seinen Arbeiter auf eines der dringend benötigten Gebäude, hat man beim nächsten bereits das Nachsehen. Wird der falsche Rohstoffes erworben, fehlen vielleicht im richtigen Moment die Nahrung oder das Holz. Die Gegner schlafen nicht, so viel steht fest. Fast wie von unsichtbarer Hand gezogen, wandert der Seneschall weiter und weiter auf seiner einsamen Straße, und mit ihm nähert sich das Spiel dem Ende. Vielleicht auch noch ein Wort zum Spielplan: eigenwillig und interessant, in knalligen Farben gehalten, funktional und mit einer Kramerleiste versehen. Zudem muss die hochelegante Idee des Reihumeinsatzes von sechs Arbeitern pro Runde hervorgehoben werden. Dadurch entsteht eine permanent spürbare Interaktion, die alle Beteiligten ständig zu Aktionen mahnt und zu Reaktionen zwingt. Hier entsteht Leben um den Spieltisch, hier werden parallel Rohstoffnachschub, Gebäudebau, Zugreihenfolge, Schlossmaurertätigkeit, Bewegungen des Vogtes wie auch diverse Sonderaktionen und Gunstpunkte  beim König ausgeschachert. „Caylus“ ist ein hervorragendes Entwicklungsspiel, das von Ihren Ambitionen als Baumeister lebt. Was will man mehr!  

 

Rückmeldungen an: hugo.kastner@chello.at               

Homepage: www.hugo-kastner.at

 

EMPFEHLUNG # 87

Spieler: 2-5

Alter: 12+

Autor: William Attia

Gestaltung: Arnaud Demaegd

Dauer: 90+

Preis: ca. 35 Euro

Jahr: 2005

Verlag: Ystari / Huch! & friends

www.ystari.com

 

Taktik: 8 von 9

Info±: 0 von 9

Glück: 1 von 9

 

Zwei und mehr Stunden, die von taktischen und strategischen Entscheidungen getragen werden, und die einen gleich bleibend hohen Spannungslevel garantieren, müssen schon veranschlagt werden. Glücksfaktoren sind nicht existent, der Bluff ist gleich null, und es leidet niemand an Informationsmangel, wird doch alles offen gespielt. „Caylus“ kann im Spannungsdreieck Kompetenz-Infostand-Glück als beinahe lupenreines Logikabenteuer eingestuft werden. Beinahe deshalb, da bei drei und mehr Spielern die Sitzordnung, und damit verbunden der Aspekt der Reihenfolge der Handlungsentscheidungen, doch einen gewissen Grad an Zufall ins Geschehen bringt.   

 

Hugos EXPERTENTIPP

 

In die Spielregel muss man sich erst einmal einlesen. Ohne Erfahrung erschließen sich die unterschiedlichen Strategien nicht, was bedeutet, dass der erste Schlossbau wohl nur als Testspiel verstanden werden darf. Dennoch muss betont werden, dass alle Regeln präzise und folgerichtig erläutert sind. Da jedoch die Gebäudeplättchen keinen Text sondern nur Ideogramme tragen, braucht es doch einige Zeit, bis sich die Spieler richtig orientieren können, ohne ständig im Regelwerk nachzuschlagen.  Wichtig ist auch die tiefe Kenntnis der einzelnen Spielphasen. Auch die vom Autor beigelegten Ratschläge sollten unbedingt gelesen und befolgt werden, will man eine realistische Chance haben, diesen Bauvergleichskampf siegreich zu meistern.

 

Hugos BLITZLICHT

 

Meine erste Begegnung mit dem Französischen Reich des 13. Jahrhunderts war beinahe eine Art Déjà-vu Erlebnis, schufen doch einige der Mechanismen, die Rohstoffe, die Gebäudeplättchen wie auch die Zielorientierung ein momentan lebhaftes Bild, eine vage Illusion des bereits Gesehenen und Vertrauten. Das war doch schon da, das kann ich deutlich wieder erkennen, so ging es mir durch den Sinn. Oder war es doch nur eine vorgespiegelte Vertrautheit – die sich dann auch blitzartig wieder verflüchtigte? Letztlich egal, muss ich zugeben, macht doch „Calyus“ in jedem Fall einen nachhaltig starken Eindruck,  mit einer als „gewaltig“ empfundenen Herausforderung an Geist und Energie der Spieler.  

 

VORANKÜNDIGUNG

 

DICKE LUFT IN DER GRUFT

Vampire im Morgengrauen