Lokomotive Werks
Das Spiel:
Lokomotive Werks
von Dieter Danziger
für 3-5 Spieler ab 13 Jahren
Spieldauer 2 Stunden
Winsome Games, 2002
Die Rezension:
Peter Nowak
WIN-Wertung:
* WW SS I A 3-5 h
Winsome Games ist ein Verlag, der sich auf die Produktion von Spielen
mit dem Thema Eisenbahnen spezialisiert hat. Dabei reicht die Palette von
einfacheren Karten- und Legespielen bis hin zu komplexen Wirtschaftsspielen.
Das Spielmaterial ist durchwegs einfach gestaltet und produziert. Spielpläne
bestehen üblicherweise aus beidseitig laminiertem dünnen Karton. Auch auf
aufwendiges Schachteldesign wird normalerweise verzichtet. Winsome Games
konzentriert sich schon immer auf das eigentliche Spiel, fast könnte man sagen
Winsome Games produziert „Naked Games“. Aber immer wieder werden Spiele von
Winsome Games von größeren europäischen Verlagen ins Programm übernommen.
Prominentester Vertreter ist zur Zeit sicherlich Trans America von Franz-Benno
Delonge, erschienen bei Winning Moves, das in seiner Urform als Iron Road bei
Winsome Games erschienen ist.
Der vorliegende Titel „Lokomotive Werks“ ist in die Kategorie der
Wirtschaftsspiele einzuordnen. In diesem Spiel haben die Spieler die Aufgabe,
eine Lokomotivfabrik zu managen. Neue Lokomotiven müssen entwickelt,
Produktionskapazitäten erweitert und angepasst werden.
Das Spielmaterial ist, wie in der Einleitung bereits angedeutet,
einfach und konzentriert sich auf das Notwendigste. Das Spiel enthält einen
Spielplan, 20 Würfel, 60 Produktionseinheitenanzeiger, Spielgeld, 43
Lokomotivkarten, 5 Karten zum Anzeigen der Spielreihenfolge und Spielregeln in
deutscher und englischer Sprache (jeweils 4 Seiten).
Der Spielplan ist ein beidseitig laminierter dünner A3 Karton. Er zeigt
in der Mitte die verschiedenen Lokomotiven, die während des Spiels von den
Spielern entwickelt und produziert werden können. Links und rechts neben den
Lokomotiven befinden sich Felder, auf die Würfel abgelegt werden können. Jede
Lokomotive gehört einer bestimmten Gruppe (Personen-, Schnell-, Güter-,
Verschublokomotiven) an, gekennzeichnet durch 4 verschiedene Farben. Von jeder
Gruppe gibt es eine unterschiedliche Anzahl (2 – 5) an Entwicklungsstufen
(Generationen). Weiters sind auf dem Spielplan auch die Kosten für die
Entwicklung einer neuen Lokomotive, die Kosten für die Erweiterung der
Produktionskapazität sowie die Einnahmen, die durch den Verkauf der Lokomotiven
erzielt werden, angegeben. Die Entwicklungskosten der ersten Lokomotive auf dem
Spielplan, das ist eine Personenzuglokomotive der ersten Generation, betragen
$4, die Erhöhung der Produktionskapazität für diese Lokomotive kostet $2 und
das Einkommen für jede verkaufte Lokomotive dieses Typs beträgt $1. Die
weiteren Kosten bzw. Einnahmen für die Lokomotiven folgen einer einfachen
mathematischen Reihe, so steigen die Entwicklungskosten jeweils um $4, die
Produktionskosten jeweils um $2 und die Einnahmen um jeweils $1.
Für jeden Lokomotiventyp auf dem Spielplan gibt es zwischen einer und
vier Lokomotivkarten. Auf diesen Karten befinden sich die gleichen
Informationen, die auch auf dem Spielplan bei der entsprechenden Lokomotive zu
finden sind. Diese Karten entsprechen eigentlich jeweils einer Fabriksanlage,
in der Lokomotiven dieses Typs erzeugt werden können. Mit den
Produktionseinheitenplättchen, das sind eigentlich die Fertigungsstraßen, wird
die Produktionskapazität dieser Fabrik angezeigt. Pro Produktionseinheit kann
eine Lokomotive produziert werden.
Bei Spielbeginn wird die Reihenfolge der Spieler mit den
Reihenfolgekarten zufällig bestimmt. Im späteren Spielverlauf bestimmt das
jeweilige Barvermögen der Spieler die Reihenfolge. Startspieler ist immer der
Spieler mit dem wenigsten Geld. Der Spieler mit dem meisten Geld kommt immer
als Letzter an die Reihe.
Beim Spiel mit drei oder vier Spielern beginnen die Spieler mit einer
Personenzuglokomotivfabrik der ersten Generation und $10 Startgeld. Bei fünf
Spielern gibt es zu Beginn keine Fabrik, dafür wird etwas mehr Startgeld verteilt.
Je nach Anzahl der Spieler werden zu Beginn des Spiels noch die Anzahl
der existierenden Bestellungen für die erste Lokomotive und zumindest die Höhe
der Erstbestellung für die als nächstes entwickelbare Lokomotive erwürfelt.
Danach läuft das Spiel immer in fünf Phasen ab. In jeder Phase kommt
jeder Spieler entsprechend der festgelegten Spielreihenfolge zum Zug.
In der ersten Phase haben die Spieler die Möglichkeit, eine neue
Lokomotive zu entwickeln. Das kann entweder eine Lokomotive sein für die eine
Erstbestellung vorliegt (eine solche hat zuvor noch kein anderer Spieler
entwickelt) oder eine Lokomotive, für die es schon bestehende Aufträge
(Bestellungen) gibt. Voraussetzung dazu ist aber, dass es noch eine
Lokomotivkarte für diesen Typ gibt. Mit einer neuen Fabrik erhält auch immer
eine Produktionskapazität von 1.
In der nächsten Phase haben die Spieler die Möglichkeit, die
Produktionskapazität ihrer Fabriken zu erhöhen in dem sie diese neu von der
Bank erwerben, oder wenn sie mehrere Fabriken besitzen, in dem sie, durch das Zahlen
der Differenz der Produktionskosten diese von älteren Modellen auf neuere
Modelle übertragen (auf Neudeutsch würde man „upgraden“ schreiben).
Dem „Upgraden“ der Produktionskapazitäten ist während des Spiels
besondere Beachtung zu schenken, da mit Fortschreiten des Spiels durch die
Entwicklung neuerer Lokomotiven die alten Modelle obsolet werden. Gelingt es
nicht, die Produktionskapazität eines veralteten Modells auf ein neueres Modell
zu übertragen, verliert man das gesamte in die Kapazität investierte Geld und
muss außerdem für die Erhöhung der Kapazität bei neueren Modellen wieder den
vollen Preis bezahlen.
In der danach folgenden Produktions- und Verkaufsphase verkaufen die
Spieler in der geltenden Reihenfolge ihre produzierten Lokomotiven. Jeder
Spieler kann pro Verkaufsrunde jeweils pro Lokomotivtyp maximal so viele
Lokomotiven verkaufen, wie der höchste Würfel im Feld Aufträge anzeigt.
Verkauft ein Spieler genau so viele Lokomotiven wie einer der ausliegenden Würfel
anzeigt, wird dieser Würfel in das Feld „Kundenbestand“ geschoben, verkauft ein
Spieler weniger Lokomotiven, wird die Augenanzahl des höchsten Würfel um die
entsprechende Anzahl Augen reduziert. Wenn alle Spieler einmal an der Reihe
waren und noch offen Bestellungen bei den Lokomotiven liegen, gibt es eine
weitere Verkaufsrunde. Das geht solange, bis entweder die Spieler alle ihre
Lokomotiven verkauft haben oder alle existierenden Bestellungen erfüllt wurden.
In dieser Phase ist es immer von Vorteil, der Startspieler zu sein, da
man als solcher den Vorteil hat, auf jeden Fall zumindest einen Teil seiner produzierbaren
Lokomotiven auch verkaufen zu können. In einem Spiel mit vier Spielern kann es
durchaus vorkommen, dass der letzte Spieler in der Spielreihenfolge seine
Lokomotiven nicht mehr verkaufen kann, da noch nicht alle Würfel für die
Kundenbestellungen zum Einsatz gekommen sind oder aufgrund nachlassender
Kundennachfrage bei alten Modellen nicht mehr alle Würfel verwendet werden.
Damit tritt ein regulierender Effekt ein, der zumindest in der ersten Hälfte
des Spiels verhindern soll, dass ein Spieler, der eine gute Runde hatte, von
den anderen Spielern nicht mehr eingeholt werden kann. Ein Effekt, der bei
vielen Aufbauspielen ähnlicher Art immer wieder auftritt. Gegen Ende des Spiels
lässt der Regulierungseffekt aber nach, da ein Spieler der über ausreichend
Reserven verfügt, jederzeit eine neue Lokomotive entwickeln kann und meistens
auch noch über genug zusätzliche Reserven verfügt, auch alle Produktionskapazitäten
auf die neue Lokomotive zu übertragen.
Haben alle Spieler ihre Lokomotiven verkauft (oder hatten zumindest die
Möglichkeit es zu tun), kommt die unangenehmste aller Phasen. Der
Finanzminister tritt auf dem Plan und verlangt von jedem Spieler eine Steuer in
der Höhe von 10% seines Barvermögens (
In der letzten Phase wird die Marktnachfrage aktualisiert. Hierbei muss
genau darauf geachtet werden, wie viele Generationen eines Lokomotivtyps
gleichzeitig auf dem Markt sind. Ist nur eine Generation auf dem Markt, wird,
sollte noch nicht die maximale Anzahl an Würfeln für diese Lokomotive verwendet
werden, ein Würfel zum Kundenbestand hinzugefügt und danach werden alle Würfel
im Kundenbestand neu gewürfelt und in das Feld Bestellungen gelegt. Sind zwei
Generationen eines Typs gleichzeitig aktiv, wird von der alten Lokomotive ein
Würfel entfernt und wenn notwendig beim neuen Typ ein Würfel hinzugefügt. Die
Würfel im Kundenbestand werden neu gewürfelt und zu den Bestellungen gelegt.
Sind drei Generation aktiv, wird die älteste Lokomotive sofort vom Markt
genommen (auch die Spieler müssen Fabriken für diesen Typ sofort ersatzlos
abgeben), die mittlere Generation bekommt sofort die maximale Würfelzahl, bei
der neuesten Generation wird ein Würfel hinzugefügt. Es werden wieder alle
Würfel im Kundenbestand neu gewürfelt und zu den Bestellungen hinzugefügt.
Nach dem Festlegen der neuen Marktnachfrage geht das Spiel wieder mit
der ersten Phase, der Entwicklungsphase, weiter.
Trotz des relativ einfachen Spielmechanismus und dem spartanischen
Spielmaterial hat das Spiel absolut seinen Reiz und hat in unseren Testpartien
sogar Leute gefesselt, die mit Wirtschaftsspielen dieser Art normalerweise
nichts am Hut haben. Auch das vorzeitige Ausscheiden eines Spielers bei einer
der Testpartien aufgrund falscher Investitionen am Beginn des Spiels hat nicht
dazu geführt, dass das Spiel als generell unausgewogen verurteilt wurde. Aber
es zeigt schon, dass man besonders zu Beginn des Spiels, wenn man nur über sehr
eingeschränkte finanzielle Mittel verfügt, seine Züge sehr genau planen sollte.
Vor allem darf man nie die Würfel der Marktnachfrage und die
Entwicklungsmöglichkeiten, seien es die eigenen oder die der anderen Spieler,
unberücksichtigt lassen.
Der Verwaltungsaufwand (Einstellen der Spielparameter, Aktualisieren
der eigenen Besitztümer, ...) ist für ein Wirtschaftsaufbauspiel relativ
gering. Vergleichbare Spiele haben oft einen wesentlich höheren
Verwaltungsaufwand, ohne dadurch wesentlich mehr Spaß zu machen.
Trotz allem muss aber auch ein Minuspunkt angebracht werden. Da die
letzte Lokomotivgeneration üblicherweise entwickelt wird, bevor ein Spieler
nahe genug an die Siegbedingung herankommt, erscheint das Spiel gegen Ende
subjektiv etwas zu lang, da die anderen Mitspieler in dieser Phase kaum noch
Gewinnchancen für sich sehen.
Für Liebhaber von Wirtschaftsspielen kann dieses Spiel jedoch ohne
weiteres empfohlen werden, bietet es doch mit der durch Würfeln dargestellten
Marktnachfrage meines Wissens einen einzigartigen Mechanismus.