VERRAT
Das Spiel: Verrat
für 4 Spieler
von Tom Kremer
Winning Moves, 1999
WIN-Wertung:
WW III AAA U 4 h
Vergleichbare Spiele:
Diplomacy (M)
Inkognito (M)
1997 hat Alex Randolph in den USA zusammen mit Phil Orbanes, Michael
Matschoss und Partner die Spielefirma WINNING MOVES gegründet. Die Firma nannte
sich selbst "die neue Firma mit mehr als 150 Jahren Erfahrung" und
hat seither ca. 20 verschiedene Spiele herausgebracht, meistens wunderschön
gemachte Neuauflagen von alten Parker-Klassikern. In diesem Jahr hat die Firma
eine deutsche Niederlassung gegründet und in Nürnberg neben
Monopoly-Städteausgaben und einigen Neuauflagen wie PIT (ehemals ZASTER), 1000 MEILEN
(vulgo 1000 KILOMETER) oder LANGE LEITUNG (vormals LEG DAS ROHR) auch ein
Autorenspiel vorgestellt, VERRAT von Tom Kremer.
Neben einer graphisch ungewöhnlichen, sehr eigenwilligen und attraktiven
Gestaltung wartet das Spiel noch mit einer eher ungewöhnlichen Besonderheit
auf: Es ist NUR für vier Spieler zu spielen, nicht mehr und auch nicht weniger,
exakt vier müssen es sein, die jeweils drei Wesire dirigieren, die ihrerseits
wiederum versuchen wollen, den Sultan vom Thron zu stürzen. Dazu müssen sie
einen ziemlich kniffligen Balanceakt lösen, nämlich einerseits in den
entlegenen Provinzen Unterstützung finden und andererseits am Hof anwesend
sein, um dort den Einfluss nicht zu verlieren.
Anders ausgedrückt, wer gewinnen will, braucht von den 6 verschiedenen
Machtkarten mindestens je eine.
Die drei Wesire jedes Spielers sind schön gemachte Holzfiguren in einer
Farbe, entsprechend ihrer Formgebung nennt sie die Spielregel auch Der Dicke,
Der Kleine und Der Große. Der Spielplan zeigt den Thronsaal mit Sultansthron
und 12 nummerierten Plätzen für die Wesire, darum herum die sieben
Provinzstädte Bukhara, Gidda, Ishfahan, Kaffa, Shiraz, Tabriz und Uskub. In
diesen Städten liegen zu Spielbeginn Machtkarten: Diese setzen sich aus 36 Machtkarten und 6
Gnadenkarten zusammen, in Kaffa liegen 4 verdeckt, in den anderen Städten 5,
von denen immer die oberste aufgedeckt wird. Die Wesire und die
Ziffernblättchen werden willkürlich auf die Plätze verteilt. Jeder Spieler hat
noch eine Drehscheibe, genannt Reiseplaner, auf der er für seine Wesire die
Städte einstellen kann, in die er sie schicken möchte, und zwei Machtkarten,
die ihm zugeteilt werden. Vor dem eigentlichen Spielbeginn werden noch die
Verräter-Anzeiger verdeckt gemischt und verteilt und so jedem Spieler willkürlich
eine Farbe zugeteilt.
Das eigentliche Spiel besteht aus zweimal Drehscheibe verdeckt
einstellen und dann aufdecken, zuerst den Reiseplaner für einen eigenen Wesir
und eine Stadt oder einen anderen Platz am Hof, der Wesir darf auch stehen
bleiben. Hat man die Stadt allein eingestellt, geht man hin und nimmt die
oberste Machtkarte. Und am Verräter-Anzeiger stellt man ein, welcher Wesir als
Verräter ins Verlies soll, da darf man nur solche einstellen, deren Spieler
schon 4 verschiedene Machtkarten ohne Gnadenkarten haben.
Da das aber doch etwas
trocken wäre, gibt es vorher eine Spielphase namens "Palast-Intrigen
spinnen", alle Spieler berichten möglichst ausschweifend, was sie denn nun
planen, wen sie wohin schicken wollen und wer doch der offensichtliche Kandidat
fürs Verlies wäre, und ob sie einen Tausch an Machtkarten mit einem anderen
Spieler machen wollen. Und wie schon bei Scheherezade und ihren Geschichten ist
der Wahrheitsgehalt aller Aussagen höchst fraglich und keiner braucht sich an
etwas zu halten, was er vereinbart hat.
Ist die Diskussion durch
Vereinbarung oder die Sanduhr beendet, werden zuerst die Reiseplaner
aufgedeckt, die Wesire ziehen immer in eine Stadt, auch wenn dort andere Wesire
sind oder hinwollen, möchte ein Wesir allerdings an den Hof, kann er das nur,
wenn der Platz frei ist und niemand sonst einen Wesir dort hin ziehen will.
Dabei wird in der Reihenfolge der Platznummern, auf denen die Wesire stehen,
gezogen.
Haben alle die neuen Plätze
eingenommen, nehmen die Spieler in gleicher Reihenfolge die Machtkarten an
sich, die ihnen zustehen, in Kaffa darf der Spieler alle anschauen und sich
eine aussuchen. Danach kann der Wesir auf Platz 1 noch von einem Spieler eine
Machtkarte verlangen, wenn er sie nicht und der andere sie doppelt hat.
Dann werden die
Verräter-Anzeiger aufgedeckt und die Wesire am Hof stimmen mit den bei den
Plätzen angegebenen Stimmen ab, wer nun als Verräter ins Verlies muss, bei
Stimmengleichheit geht der Wesir auf dem Platz mit der höchsten Zahl in den
Kerker mit der Nimmer 1, ist das besetzt, geht der dortige Wesir in Nr 2 usw.
Landet ein Wesir auf der Insel der Verbannung ist er aus dem Spiel. Wesire in
Verlies 2 und 3 können mit Gnadenkarte befreit werden. Als letzte Aktion rückt
dann noch jeder Spieler im Uhrzeigersinn einen Platz weiter und die nächste
Runde beginnt mit den Palast-Intrigen.
Wer sechs verschiedene
Machtkarten hat und seinen Wesir auf den Platz rechts vom Sultan setzen kann,
gewinnt und beendet das Spiel sofort.
Bisher war es einfach, aber
jetzt muss ich meine Meinung sagen, und die ist äußerst zwiespältig: Mit den
richtigen Leuten macht das Spiel unheimlich viel Spaß, weil bei den
Palast-Intrigen geblödelt und witzig formuliert wird, teilweise ist der Inhalt
gar nicht mehr so wichtig wie der Spaß, es wird schon irgendein Wesir im
Verlies landen. Mit den falschen Leuten ist diese Phase, die eigentlich das
Herzstück des Spiels ist, einfach fade und bringt nicht viel, weil man ohnehin
wenig planen kann, weil ja nach den Verhandlungen erst alles eingestellt ist
und ich ohnehin erst wenn einer mehr Machtkarten hat, abschätzen kann, wohin er
vielleicht will, um fehlende zu holen. Und wenn ich sechs Karten habe, kann ich
den Platz rechts vom Sultan nicht direkt erreichen, weil ihn garantiert ein
anderer auch einstellt, also muss ich versuchen, durch automatisches Vorrücken
bei Rundenende dorthin zu kommen, auch nicht wirklich ideal.
Für die Spielideen würde
ich dem Spiel gerne ein bis zwei Sterne in unserer Wertung geben, vor allem der
ständige Zwiespalt, Wahlstimmen und Kartenerwerb gegeneinander abwägen zu
müssen, ist hochinteressant. Nur leider hapert es an der Umsetzung, irgendwie
hatte ich trotz Verhandeln und Einstellen das Gefühl, gespielt zu werden, und
wer das Pech hat, dass sich alle gegen ihn stellen, wird nicht weit kommen und
wenig Freude am Spiel haben.
Daher alles in allem kein
Stern, ein dickes Lob für Spielidee, Graphik, Ausstattung und Ambition und eine
Bitte um etwas überarbeitete Regeln und teilweise auch Neuformulierung der
Spielregel, so wird zum Beispiel der manchmal lebensrettende Tausch von Karten
nur ganz am Rande erwähnt.