Kurier des Zaren

 

Das Spiel:

Kurier des Zaren

Legespiel von Christiane Knepel & Antje Graf

für 2 – 5 Personen ab 10 Jahren

20 – 40 min

Winning Moves, 2002

 

Die Besprechung:

Kurt Schellenbauer

kurt.schellenbauer@holzmann.at

 

WIN Wertung:

* WW S II U D AA 3-5(2-5) 45 Minuten

 

Wir schreiben das Jahr 1876. Einer der größten Schriftsteller dieses Jahrhunderts bringt wieder ein neues Buch heraus. Es ist Jules Vernes, sein Buch heißt „Michel Strogoff. Moscou-Irkoutsk“ und es erscheint am 14. August 1876 der erste Band und am 6. November 1876 der zweite. Damals sicherlich nicht absehbar, aber heute ein Klassiker der Weltliteratur welcher auch zweimal verfilmt wurde, zuletzt 1999. Bei uns ist dieses Buch besser als „Der Kurier des Zaren“ bekannt, der den Namen Michael (Michail, er ist Russe) Strogoff trug.

 

Den Titel hat sich Winning Moves für sein neues Spiel gewählt. Beim Spieleautorentreffen in Göttingen vor einem Jahr haben zwei junge Autorinnen ein Spiel vorgestellt mit dem Namen „Muscat“. Dieses wurde vom Verlag ein wenig verändert und unter obigem Titel veröffentlicht. Aber zum Vergleich der beiden Spiele komme ich am Ende. Die Schachtel ist in Form und Größe der neuen Linie „Spielvergngügen im Quadrat“ angepasst und uns bereits von Cartagena, Trans America und Clans vertraut. Auf der Vorderseite befinden sich der Kreml und davor die Kuriere, die im Spiel vorkommen. Um an das Original zu erinner,n sind zwei violette 5mm Bänder um die Schachtel gemalt auf denen Muscat, in an die kyrillische Schrift angelehnten Buchstaben, geschrieben steht.

 

Der Spielplan, 60 Kuriere, davon je 3x4 unterschiedliche Typen pro Spieler, 6 Schilder mit der Aufschrift geschlossen, 5 Depeschen, 30 Rubelstücke mit den Werten 3 x3er, 6x2er, 9x1er 3x blanko und 9x njet und natürlich die Spielregel. Geschlossen steht auf den Schildern in der russischen Sprache und in kyrillischer Schrift, ein nettes Detail. Und so nebenbei, njet heißt nein, für die Nicht-Russen unter uns.

 

Der Spielplan zeigt uns 4 Dörfer, die in 4 Ebenen übereinander angeordnet sind. Das unterste Dorf im Sumpf hat 5 Häuser, die beiden darüber liegenden im Wald und Gebirge haben 4 und das oberste Dorf hat wiederum 5. Den Abschluss bildet der Palast, wo man 5 Palastwachen findet mit den Werten 6, 8 und 10. Die Häuser oder Herbergen, wie sie im Spiel bezeichnet werden, sind wiederum in 4 Teile unterteilt, wobei jeder Teil einen kleinen Pfeil trägt der im Uhrzeigersinn weist. Die Abbildung der Häuser ist somit immer in 4 gleiche Teile unterteilt und man findet diese Skizzenhaft auch auf den Kurieren wieder, um diese in weiterer Folge dem Spielplan besser zuordnen zu können. Wo am Spielplan das Haus zu sehen ist, befindet sich auf den Plättchen mit den Kurieren die Spielfarbe und die jeweilige Figur. So befindet sich immer links oben der Offizier, rechts oben der Kosak, rechts unten der Diplomat und links unten die Dame. Jeder Spieler bekommt seine 4 Charaktere je 3 Mal, mischt diese und legt sie als Stapel verdeckt vor sich. Danach deckt jeder den obersten Kurier auf und legt ihn versehen mit der Depesche auf ein freies Feld in einer freien Herberge im Sumpf. Dabei ist darauf zu achten, dass sich in jeder Herberge nur eine Person aufhält und diese natürlich auch auf dem richtigen Platz liegt. Indem ein neuer Kurier aufgedeckt wird, bildet jeder Spieler nun seine Auslage.

 

Das Ziel des Spieles ist es, einen Kurier mit der Depesche als erster zu den Palastwachen zu bringen und diese mit Rubel zu bestechen, um die Depesche abzuliefern.

 

Jeder Spieler hat zu bei seinem Zug 3 Aktionsmöglichkeiten. Er kann einen neuen Kurier einsetzen. Dieser wird wiederum im Sumpfdorf eingesetzt und der Spieler nimmt ihn entweder aus seiner Auslage oder er deckt einen neuen auf und muss dann diesen setzen, so dies möglich ist. Ist dies nicht möglich, weil z.B. alle Plätze für Offiziere besetzt sind oder die Herberge voll ist, kommt der Offizier in die Auslage des jeweiligen Spielers und sein Zug ist damit beendet. Eine Herberge gilt dann als voll besetzt, wenn sich drei Kuriere darin befinden. Sollte sich danach kein Kurier mehr in der Auslage befinden, deckt der Spieler einen neuen auf. Für den außergewöhnlichen Fall, er kann eigentlich nur bei zwei Spieler passieren, dass ein Spieler alle 12 Kuriere eingesetzt hat, darf er sich eine neue Farbe nehmen und mit dieser zusätzlich weiterspielen.

 

Die zweite Aktion wäre eine Depesche zu übergeben. Man kann innerhalb eines Dorfes die Depesche von einem Kurier zu einem anderen weiterreichen, so dieser natürlich von der gleichen Farbe ist, alles andere wäre nicht sinnvoll. Zum nächsten Dorf aufbrechen ist die dritte Aktion. So reisen die Kuriere vom Sumpf in den Wald, dann ins Gebirge und über das Grasland in den Palast. Weiterreisen darf ein Kurier aber nur wenn die Herberge voll ist, das heißt dass sich mindestens drei Kuriere in dieser Herberge befinden und einer davon die Farbe des Spielers trägt. Es dürfen aber nur zwei der drei in das nächste Dorf und zwar der erste, auf den der Pfeil zeigt, und sein rechter Nachbar. Der Spieler bestimmt, welcher zuerst gezogen wird und muss beide in zwei verschiedene Herbergen des nächsten Dorfes platzieren. Depeschen werden immer mitgenommen.

 

Es kann aber der Fall eintreten und dies ist ein wichtiges taktisches Detail, dass sich für den einen oder anderen Charakter kein Platz mehr findet. In diesem Fall kommt dieser Kurier sofort in das nächste Dorf, er überspringt somit eines, und wird dort platziert, so dies möglich ist ansonst wird dort ebenso nochmals verfahren. Der letzte Aufbruch findet dann statt wenn vom Grasland in den Palast gezogen wird und der Kurier seine Depesche den Wachen übergibt. Es können einer Wache auch mehrere Depeschen übergeben werden. Es wird immer zu der Wache gezogen die oberhalb der Herberge sich befindet von wo der Aufbruch statt gefunden hat. Sollte ein Kurier bei einem Aufbruch das letzte Dorf übersprungen haben, dann kommt er automatisch zum Wächter mit der Zahl 10. Es gibt zwei Wächter mit der Zahl 10, zwei mit 8 und einen mit 6.

 

Der Spieler der soeben die Depesche übergeben hat darf, und muss, sofort „Rubeln“. Er führt auch nur noch dies aus und zieht nicht mehr mit seinen Kurieren. Dazu deckt er eines der Rubelstücke auf die verdeckt im Palast liegen. Diese verdeckt dort hinzulegen wäre eigentlich am Anfang zu tun gewesen, habe ich wohl vergessen zu erwähnen. Befindet sich auf dem Rubelstück ein njet muss er sofort aufhören. Bei allen anderen darf er weiter Rubelstücke umdrehen solange er möchte oder er ein njet zieht. Für den Fall, dass der Spieler bereits in diesem Zug Rubelstücke mit Zahlen darauf gefunden hat und er ein njet zieht, muss der diese ebenfalls abgeben. Also bei Zeiten aufhören und man kann die Rubel auch behalten. Sobald ein Spieler die Anzahl an Rubel gesammelt hat, die vor seinem Wächter abgebildet sind, hat er das Spiel gewonnen. Sollten alle Rubelstücke aufgedeckt sein und es hat noch keiner die erforderliche Summe dann gewinnt derjenige der als erster gerubbelt hat.

 

Ich möchte mit den beiden Regelfragen diesen Teil meiner Rezension beginnen. Wenn sich zwei Kuriere, alle beide mit Depeschen ausgestattet, zur gleichen Zeit in den Palast begeben, wann darf der zweite Rubeln? Sofort nach dem ersten Spieler oder muss er warten bis er an die Reihe kommt? Es findet sich diesbezüglich kein Hinweis in der Regel und auch keiner auf der Homepage des Verlags. Wir haben den zweiten Spieler sofort Rubeln lassen und dafür kam er aber in der Spielreihenfolge in dieser Runde nicht mehr zum Zug. Dies erschien uns am fairsten. Die zweite Frage die uns beschäftigt hat, ist ein Satz der Siegbedingung. In der Regel steht geschrieben, dass ein Spieler die erforderliche Summe an Rubel sammeln muss. Ist damit die exakte Anzahl gemeint die vor der Wache steht oder darf man auch mehr sammeln? Ansonst ist die Regel wie wir sie bereits aus den anderen Spielen dieser Serie kennen, klar, einfach, prägnant und übersichtlich. Sogar der Vermerk auf der letzten Seite verweist darauf, dass es erst notwendig ist die letzte Seite zu lesen wenn ein Kurier zum Palast aufbricht.

 

Ich habe lange darüber nachgedacht ob ich diesem Spiel einen Stern geben soll oder nicht. Auf der einen Seite bin ich ein Vielspieler, manche bezeichnen mich als Freak, auf der anderen Seite habe ich Familie mit Kinder, Neffen und Nichten im Alter von 8 bis 12 Jahren. Als Vielspieler sehe ich ein zu Beginn taktisches Spiel, wo man sehr gut planen muss und kann wo man seine Kuriere einsetzt und vielleicht sogar das eine oder andere Dorf überspringen kann. Der einzige Glücksmechanismus ist wenn man die Kuriere aufdeckt. Da weiß man nie welcher gerade kommt. Für Pechvögel wiederum kann es sein, dass sie ein oder zweimal hintereinander keinen Kurier legen können und deshalb den jeweiligen Zug verlieren. Ich persönlich finde diese Strafe zu hart. Denn ein Zug ist ja noch verschmerzbar, ein zweiter aber spielentscheidend. Dieser Spieler hat dadurch einen klaren Nachteil. Das Ende des Spieles ist ebenso seltsam. Zuerst ein taktisches Spiel und dann wird durch pures Glück der Sieger ermittelt.

 

Wenn ich aber es aus der Sicht des Familienspiels sehe, dann ist Taktik auch wichtig aber niemand stößt sich daran, dass man am Ende Geldstücke aufdecken muss. Kinder sind es nun mal gewohnt dass man viele Dinge bei Spielen mit dem Würfel regelt und deshalb ist das Glück bei ihnen ein wichtiger Bestandteil des Spielens. Das ist auch der Grund für meinen Stern. Einige von uns sollten davon abgehen, und ich nehme mich dabei nicht aus, immer alles aus unserer „allwissenden Spielerfahrung“ zu betrachten und daran denken das es viele Spieler gibt die einfach nur Spaß haben wollen. Wir sollten diese Gruppe nicht negativ beeinflussen, denn das Spiel ist im Großen und Ganzen gut, einfach zu lernen und zu spielen und es dauert vor allem nicht zu lange. Das sind ja wohl die wichtigsten Faktoren um die Menschen zum Spielen zu bringen und vielleicht findet sich dann aus dieser Gruppe der eine oder andere Begeisterte den wir dann in unsere Freak Abteilung aufnehmen. Mit dem können wir dann in persönlichen Gesprächen diese Spiele vernichten. Kurier des Zaren hat nicht die spielerische Qualität von Trans America oder Clans, aber es fügt sich nahtlos in diese Serie ein und zeigt, dass Winning Moves einen erfolgreichen Weg für Spieler geht, das zeigen auch die Auszeichnungen für die letzten Spiele. Wurde sowohl Trans America als auch Cartagena von der Wiener Spieleakademie der Titel Spielehit verliehen.

 

Ich habe zu Beginn auch von einem Vorgänger gesprochen, nämlich „Muscat“. Die beiden Autorinnen haben in ihrem eigenen Verlag, Sternspieler, dieses Spiel mit 2000 Stück aufgelegt. Es ist übrigens noch erhältlich, auch wenn die Homepage aus Kostengründen geschlossen wurde. Die beiden wollten ihren geringen Profit nicht durch zusätzliche Kosten minimieren, so deren Aussage in einem Forum im Internet. Auch in diesen Spielen findet man verschiedene Ebenen auf denen sich Charaktere befinden. Jede Ebene hat eine bestimmte Punkteanzahl und zwischen den Ebenen befinden sich die Strassen die Minuspunkte bringen. Jedes Mal wenn man von einem Ort in die nächste Ebene aufbricht, werden, wie bei Kurier des Zaren, die beiden ersten in die nächste Ebene gesetzt, wobei jeder Spieler seine eigene Farbe platziert. Der dritte Charakter wird allerdings auf die Strasse befördert und kann in weiterer Folge des Spieles mit Sonderfunktionen wieder eingreifen. Er wird dadurch in vielen Fällen zu einem Störenfried aber auch oft zum Zünglein an der Waage. Wenn sich bei vier oder fünf Spielern 8 Plättchen im Sultanspalast befinden, dann ist das Spiel vorbei und jeder erhält Punkte für seine sich am Spielplan befindlichen Plättchen. Für die unterste Ebene 2 Punkte und die nächste 4 usw. bis zum Palast 10. Für die auf den Strassen befindlichen Plättchen gibt es 1-4 Minuspunkte.

 

Wenn es jemand wirklich taktisch haben will und es auch versteht wenn der Störenfried einmal zuschlägt, ohne dabei gleich verärgert zu sein, der sollte Muscat spielen. Es ist sehr komplex und hier sind wir Freaks gut aufgehoben. Allerdings ist es für die große Masse an Spielern nicht spielbar, weil die Regeln und die Möglichkeiten zu mannigfaltig sind. Eine WIN Wertung für dieses Spiel würde folgendermaßen ausfallen: * SS III K UU A 3-5(3-5) 75 Minuten