Ich
bin ein Gott
VINETA – Atlantis des Nordens
Wie man aus einer Katastrophe als Sieger hervorgeht
Als Gott des Nordens hat man es heutzutage wirklich
nicht leicht. Wie sollen wir bloß unsere Langeweile bekämpfen? Uns ist ja soooo
fad. Wie wäre es denn mit einer Hungersnot oder einem strengen Winter? Den
könnten wir über das Land an der Ostsee schicken und uns am Elend der Menschen
ergötzen. Oder besser: Wir lassen die Stadt Vineta mit wohlgeformten Flutwellen
untergehen, Stück für Stück, einen Bezirk nach dem anderen. Und damit es uns
auch dabei nicht zu schnell fad wird, lasst uns doch das Ganze mit einem
kleinen Spielchen verbinden. Jeder von uns 6 Göttern stellt einen Stadtteil und
eines der Völker unter seinen besonderen Schutz, hält diese aber vor den
anderen geheim. Ist schließlich nur noch ein Stadtteil übrig, werden wir sehen,
wer der Mächtigste unter uns ist. Wohlan denn: Lasset das Spiel beginnen!
Vor das Spiel haben die Götter den Schweiß gesetzt
Es mutet zwar etwas eigentümlich an, aber bevor wir es
zerstören können, müssen wir Vineta erst einmal aufbauen. Wie das geht,
schreiben uns die drei Spielregelgötter Mauricio
Gibrin, Mauricio Miyaji und Fabiano Onça vor, denn sie sind verantwortlich für
die gar prächtige Idee. Zunächst werden also die Stadtteile Vinetas
zusammengesetzt und reihum beginnend beim ältesten Gott, der das Startrecht
erhält (und außerdem einen kleinen Turm, der dieses Recht bestätigt), je ein
Häuschen einer beliebigen Farbe in einen beliebigen Stadtteil gesetzt, bis die
Insel vollständig besiedelt ist. Geheim werden uns nun je ein Stadtteil und ein
Volk (also eine Häuserfarbe) zugelost, die wir nicht versinken lassen sollen,
um am Ende als Sieger aus dem Wettkampf hervorzugehen. Jeder erhält noch einen
Götterchip und einen Kartensatz aus 30 Karten, die uns helfen sollen, Vineta
dem Erdboden – oder besser dem Meeresspiegel – gleich zu machen. Welches Unheil
wir mit den Karten über die Stadt kommen lassen können, steht auf der Rückseite
des Dokumentes mit dem Spielaufbau geschrieben, sodass auch während des Spiels
keinerlei Fragen offen bleiben. Warum auch, schließlich sind wir als Götter
doch ohnehin allwissend… Die Regel selbst nimmt lediglich vier Seiten ein, denn
wir wollen uns göttlich amüsieren, nicht dicke Pamphlete wälzen. So ist dann
auch der Ablauf alles andere als kompliziert. Jeder erhält zufällig sieben
seiner Karten auf die Hand, wählt davon eine aus und legt sie verdeckt vor sich
ab. Dann werden die Karten nacheinander aufgedeckt und je nach Art der Karte
abgelegt. Da es ja unser aller Trachten ist, die Stadt zu versenken, bedroht
eine Flutkarte mit 1-4 Wellen einen bestimmten Stadtteil, den wir auswählen,
indem wir dort unseren Götterchip platzieren oder einen bereits bedrohten
Stadtteil mit weiteren Wellen umspülen, indem wir die dort liegende(n)
Flutkarte(n) mit unserer Karte aufstocken, denn nach drei Durchgängen geht der
Stadtteil unter, den die meisten Wellen bedrohen.
Alternativ – und da tritt schließlich
unsere ganze göttliche Macht zu Tage – lassen uns spezielle Götterkarten wie
der „Wechselnde Wind“ eine beliebige Flutkarte entfernen und an eine andere
Reihe anlegen oder beispielsweise die „Ruhige See“ eine Flutkarte ganz aus der
Auslage entfernen. Doch damit nicht genug. Ein Fingerzeig (und die Karte „Rettung“)
genügt und schon verschwinden zwei Häuser aus einem bedrohten Stadtteil und erscheinen
wieder in anderen Gebieten. Oder sogar ganze Siedlungen werden ganz einfach
vertauscht. Und sollten uns die aufmüpfigen Ränkespiele der Mitgötter gänzlich
gegen den Strich gehen, ist es an der Zeit, ein „Machtwort“ zu sprechen und die
bereits an einem Stadtteil ausliegenden Flutkarten um 7 Wellen zu erhöhen oder
zu verringern – ganz nach göttlichem Gusto. So langsam beginnt das kleine
Spielchen Spaß zu machen.
Das Ende naht
Nach jedem Durchgang erhalten wir
wieder eine neue Karte vom Stapel hinzu und können erneut aus sieben auswählen.
Nach drei Durchgängen (oder mehr oder weniger, falls jemand eine weitere der
speziellen Götterkarten gespielt hat und so die laufende Runde verlängern oder
verkürzen darf) geht ein Stadtteil unter und die darin befindlichen Häuser
werden an die am Untergang beteiligten Götter verteilt. Schön reihum in der
Reihenfolge, in der die Karten abgelegt wurden. Wer zuerst eine Flutkarte
gespielt hat, wählt das erste Haus, dann der nächste Gott und so weiter, bis
alle Häuser verteilt sind.
Das Ende ist nah, wenn die 8. Runde
vorbei ist, denn dann ist ein einziger Stadtteil noch nicht den Gewalten
unseres Treibens zum Opfer gefallen. Jedes Haus, das dort noch in der Farbe
steht, die uns zu Beginn zugelost wurde, bringt nun 3 Punkte ein, handelt es
sich um den Stadtteil, den wir schützen sollten, gibt es je nach seiner Lage 2
bis 7 Punkte, wobei es für einen Stadtteil auf dem äußeren Ring, der also näher
am Wasser gebaut wurde, mehr Punkte gibt. Schließlich zählt jedes Haus, das wir
im Laufe der Partie erobern konnten, je einen Punkt. Wer die meisten Punkte
hat, gewinnt.
Die Glücksgöttin dominiert
Doch warum man gewinnt, das haben letztlich
leider doch nicht wir Möchtegerngötter in der Hand, sondern vielmehr
Glücksgöttin Fortuna, die über Vineta thront wie das Orakel von Delphi und selbst
den besten Bluff und die durchdachteste Taktik zum Scheitern verurteilt, wenn
uns die wirklich wichtigen Karten auf der Hand fehlen und das mächtige
„Machtwort“ viel zu spät im Stapel erscheint. Aber Götter sind schließlich auch
nur Menschen und das Ziel des Spiels ist es keineswegs, Allmachtsphantasien zu
beflügeln, sondern vielmehr Familien für lockere 45 Minuten an den Spieltisch
zu bringen. Da stört auch ein großer Glücksfaktor nicht, zumal eine Partie
immer spannend bleibt, selbst wenn der eigene Stadtteil schon in der 1. oder 2.
Runde versinkt. Durch die Häuserwertung am Ende kann man dennoch genug Punkte
für den Sieg übrig haben und das Feld von hinten aufrollen. Und man kann sich –
und vor allem die Mitspieler – hervorragend ärgern. Wer damit klarkommt und
nicht zu zart besaitet ist, wird vor allem mit mindestens vier Spielern jede
Menge Spaß beim Untergang von Vineta haben. Umsetzung und Material sind stimmig
und das Thema, sich vor dem Hintergrund einer Flutkatastrophe zu amüsieren, mag
zwar auf manche nicht ganz politisch korrekt wirken, doch diese Argumentationen
kennen wir zu Haufe aus Kritiken zu Spielen wie Puerto Rico oder Pompeji.
Niemand wird nach dem Winning-Moves Spiel anschließend loslaufen und mit
göttlicher Kraft eine Stadt dem Erdboden gleichmachen. Es sei denn, auf dem
Spielbrett, denn Vineta lädt auch nach mehreren Spielen immer wieder zu einer neuen
Partie ein.
Fazit
Vineta hat alles, was ein gutes
Familienspiel benötigt und ist rundum gelungen. Regel und Material sind
vorbildlich, nur der schon angesprochene Glücksfaktor trübt ein wenig den guten
Gesamteindruck. Letztlich ist es nicht ganz befriedigend, am Ende nicht so
recht zu wissen, warum man eigentlich gewonnen oder verloren hat. Dies macht
zwar den Spielausgang immer ungewiss, Vineta dadurch aber sicher nicht zu einem
Spiel für Vielspieler. Aber das will es auch gar nicht sein. Und wer dann doch
etwas mehr Taktik einbringen will, kann z.B. folgende Hausregel ausprobieren:
Die Karten werden nicht verdeckt, sondern nacheinander offen gespielt. So kann
man direkt auf die Aktion des Vorgängers reagieren. Beim Nachziehen darf man
sich zudem die drei obersten Karten ansehen und eine davon auswählen, die
anderen beiden kommen unter den Stapel.
So, jetzt muss ich aber wirklich
Schluss machen, ich muss zurück ans Spielbrett. Gott spielen!
Stefan Olschewski
Spieler: 2-6
Alter: ab 10
Jahren
Dauer: ca. 45
Minuten
Autor: Fabiano Onca, Mauricia Gibrin und
Mauricio Miyali
Grafik: Claus
Stephan, Martin Hoffmann
Vertrieb: Piatnik
Preis: ca.
28,00 Euro
Verlag: Winning
Moves
www.winning-moves.de
Genre: Bluff-
und Ärgerspiel
Zielgruppe: Familie und Freunde
Mechanismus: Karten nutzen, Häuser
setzen
Strategie :
****
Taktik : ****
Glück : ******
Interaktion : ******
Kommunikation : *****
Atmosphäre : ******
Kommentar:
Tolle Spielatmosphäre
Hochwertiges Material und stimmungsvolle Grafik
einfache Regeln
sehr glücksbetont
spannend und kurzweilig
mit interessantem Mechanismus
kein Spiel für Strategen und Taktiker
Vergleichbar:
Verdeckte Zielvorgabe erfüllen: Heimlich & Co, Amigo, Clans, Winning Moves
Verkleinerung / Vergrößerung des Spielplans: Eiszeit, alea
Spielgefühl: Guillotine, Amigo
Stefan
Olschewski
Trotz des
Themas familientaugliches, taktisches Bluff- und Ärgerspiel mit recht hohem
Glücksfaktor durch die begrenzte Kartenauswahl und zufälliges Nachziehen. Gelungene
Umsetzung in Sachen Grafik und Spielmaterial.