FREIGHT TRAIN

 

Zum dritten Mal wehte in Essen der "White Wind". Nach einer totalen Flaute vor zwei Jahren und einer kräftigen Brise im letzten Jahr durfte man gespannt sein, wie es heuer aussehen würde. Die ersten konkreten Wetterberichte besagten dann, daß entgegen einiger Ankündigungen nicht zwei, sondern nur ein Spiel erscheint - private Probleme von Alan Moon und eine ausgelastete Produktion des Herstellerbetriebes machten ein Erscheinen des "Elfenspiels" unmöglich. Nun gut, manchmal ist weniger ja mehr!

Das Cover von Freight Train berauschte mich dann in keinster Weise, aber zum einen hätte ich mir das Spiel sowieso gekauft und zum anderen wußte Peter Gehrmann zu berichten, daß dieses Spiel noch besser sei als jene des letzten Jahres. Nun ja, wer verteufelt schon sein "eigenes Kind"?

Zu Hause war Freight Train eines der ersten Spiele aus Essen, die auf den Tisch kamen. Wie auch die Schachtel so macht auch das Spielmaterial einen sterilen Eindruck. Ein Plan, auf dem fünf Geleise abgebildet sind, fünf kleiner Pläne von minderer Papierqualität mit je zwei Geleisen, eine Unmenge grafisch nicht sehr ansprechend gestalteter Karten, auf denen man Lokomotiven bzw, elf verschiedene Waggontypen findet, und Chips, wie sie schon aus anderen White Wind Spielen bekannt sind.

Wer es noch immer nicht bemerkt haben sollte, Freight Train ist ein Eisenbahnspiel, hat allerdings nichts mit der gleichnamigen Dampfroß-Variante von Derek Carver gemein, die leider wegen der Pleite von Laurin auch nicht wie angekündigt erschienen ist. Vielmehr geht es darum, im Laufe des Spiel Lastenzüge zusammenzustellen, die entweder nur aus einem Typ von Waggons bestehen bzw, von jedem Typ genau einen Waggon enthalten. Am beginn eines jeden Tages wird der Zentralbahnhof, der große Spielplan, mit 25 Waggons aufgefüllt, die im Laufe des Spiels weggenommen werden dürfen und zwar nur so, daß man sie von der offenen Seite her wegnimmt. Will man also einen Waggon aus dem Pulk, so muß man auch einige vielleicht nicht benötigte mitnehmen. Doch soweit sind wir noch gar nicht.

Als Anfangskapital erhält nun jeder Spieler zwölf Waggons, die er gleichmäßig auf seine beiden Gleise verteilt, einige Lokomotiven, abhängig von der Spielerzahl, und fünf Chips. Nun kann der erste Tag beginnen. Ist man an der Reihe, so kann man folgende Aktionen durchführen. Genau drei Waggons vom zentralen Bahnhof nehmen und an eigene Loks anlegen bzw. in den eigenen Bahnhof einfahren lassen, bis zu vier Waggons aus dem eigenen Bahnhof an Loks anlegen, gegen Bezahlung eines Chips alle Waggons im eigenen Bahnhof umordnen oder einmal pro Tag eine weitere Lokkarte nehmen. Davor prüft man noch, ob zwei oder mehr Geleise am zentralen Bahnhof leer sind. Dann kann man nämlich, so man will, eines dieser Geleise wieder auffüllen und so für mehr Auswahl sorgen.

Sobald beim Auffüllen die Tagesende-Karte, die zu Beginn in den Waggonstapel eingemischt wurde, erscheint, wird die Runde fertig gespielt und anschließend gewertet. Dabei erhalten nur die Spieler mit den beiden längsten Zügen jedes Typs - also elf monogame und ein Mix - drei bzw. einen Chip. Außerdem erhält man für jeden im eigenen Bahnhof verbliebenen Waggon einen Kupferchip, doch das ändert sich. Am Ende der zweiten Runde, die gleich abläuft wie die erste, gibt es keine Chips mehr und am dritten Tag muß sogar für jeden verbliebenen Waggon ein Chip als Strafe bezahlt werden. Wer am Ende des Spiels die meisten Chips besitzt, gewinnt. Soweit also der Spielablauf.

 

Ist nun die Gehrmannsche Euphorie gerechtfertigt und Freight Train wirklich das tollste Spiel dieser Serie? Vielleicht tue ich dem Spiel jetzt unrecht, vielleicht bin ich durch die fade Graphik des Materials schon negativ eingestellt, aber ich kann dem leider nicht folgen! Sicherlich ist Freight Train kein schlechtes Spiel, aber es ist farblos, es kommt bei uns keine rechte Stimmung auf.

Die Spielmachanismen, obwohl nicht sonderlich originell, greifen gut ineinander, vor allem das Einmischen der Tagesende-Karte ist gut gelöst und garantiert einen entsprechend langen Spielverlauf. Freight Train besitzt aber in der Grundstruktur Ähnlichkeiten mit dem ebenfalls heuer erschienenen Tutanchamun, wo es auch darum geht, Dinge zu sammeln und ein analoger Wertungsmechanismus verwendet wird. Und wenn man dann einen Preisvergleich anstellt, ist die Sache eigentlich ganz klar.

 

Wer jedoch Freight Train haben möchte, tut gut daran, schnell zuzugreifen, denn im nächsten Jahr wird es das Spiel vermutlich nicht mehr einzeln geben, sondern nur im Gesamtpaket, wie auch heuer schon Elfenroads und/oder Santa Fe, solange bis die beiden Flops des ersten Jahres endlich ihre Käufer gefunden haben.

Als abschließende Wertung möchte ich sagen: Freight Train liegt in meiner White Wind Hitliste eindeutig und sicher an dritter Stelle, weit vor Elfengold und Fishy, aber doch eine Spur hinter Elfenroads und Santa Fe. Es ist, und das möchte ich nochmals ausdrücklich betonen, ein Spiel, das von der Idee und dem Mechanismen durchaus zu überzeugen weiß, das aber im Vergleich zu den beiden letztgenannten Spielen in Grafik und Spielatmosphäre deutlich abfällt, auch wenn der Spielplan von Santa Fe auch keine Preise gewinnen würde. Vor einem Kauf sollte man also wenn möglich eine Probepartie spielen, um zu sehen, ob diese Punkte für den eigenen Geschmack relevant sind.