UNSERE REZENSION

 

Machtspiele zwischen Frankreich und England

 

Richelieu

 

Richelieu unterstützen oder die graue Eminenz fördern

 

Frankreich im 17. Jahrhundert. Auf der einen Seite kämpfen König Ludwig XIII. und Kardinal Richelieu darum, die Macht zu behalten, ihnen gegenüber ganz England, die Habsburger und der französische Adel. Zwangsläufig war man gezwungen, sich für eine Seite zu entscheiden. So auch die Spieler in Richelieu, dem Spiel von White Goblin Games. Und nur wer die richtige Seite unterstützt, gewinnt auch daran! Leider dumm, dass man erst am Ende der einzelnen Machtgeplänkel weiß, ob man die siegreiche, „richtige“ Seite gefördert hat oder doch nur leer ausgeht. Und ist man ein echter Wendehals, hat man seine Freude daran, ständig die Seiten zu wechseln. Mit der Mehrheit mitschwimmen lautet der Trend.

 

Der wesentliche Mechanismus von Richelieu ist das Spiel um Mehrheiten. Die Spieler setzen wiederholt auf eine der beiden rivalisierenden Mächte und sobald eine Wertung ausgelöst wird, gewinnen die Spieler der mächtigeren Seite. Die Beeinflussung der Machtverhältnisse bewirken die Spieler, indem sie Agenten auf dem Spielplan setzen. Immer drei Zwistigkeiten sind gleichzeitig am Spielplan verfügbar, in denen Agenten eingesetzt werden können.

 

Dieser Spielplan ist das wesentliche Element des Spiels, auf dem das gesamte Spielgeschehen abläuft. Er enthält die bereits angedeuteten drei Bereiche, wo die Machtverhältnisse zwischen Frankreich und England entschieden werden, die sogenannten Intrigenboxen, die die Spieler im Lauf des Spieles mit Agenten besetzen. Diese Intrigenboxen werden mit Intrigentafeln belegt, derer es 13 Tafeln gibt, die Richelieu unterstützen, und weitere 13, derer sich England, den französischen Adel, die Habsburger oder die Protestanten bemächtigen können, unterscheidbar anhand des Wappens und der Farbe des Hintergrunds. Jede Intrigentafel enthält fünf Plätze für den Einsatz der Agenten, einen Bonus für den Spieler, der mit seinen Agenten am meisten zum Sieg der Intrige beigetragen hat, einen Bonus für den Spieler an zweiter Position und einer Angabe, wie sich Kardinal Richelieu am Spielplan weiterbewegt.

 

Drei verschiedene Zählleisten sind am Spielplan abgebildet, eine für die Markierung der Höhe des eigenen Einkommens, eine für die eigene militärische Stärke und schließlich die obligatorische Prestigeleiste (Ja, auch in diesem Spiel geht es wieder einmal um Prestige!), die über den Spielsieg entscheidet. Die Prestigeleiste enthält außerdem die Startposition des Kardinal Richelieu, die rote Spielfigur im Spiel.

Auch die beiden anderen Spielfiguren, die Königin in Pink und die Graue Eminenz in – unglaublich, aber wahr – Grau haben ihren Platz auf dem Spielplan, den sie auch zu Beginn des Spieles einnehmen, d.h., um bei der Nomenklatur der Spielregel zu bleiben, ihren Palast, auch wenn diese Bezeichnung für eine farbgleiche Ellipse wohl etwas übertrieben ist.

Vervollständigt wird der Spielplan noch mit zwei Ablageflächen, eine für bereits gewertete Agenten und die andere für Schmuckmarker, sowie einer Wertungsleiste für die Schlusswertung am Spielende.

 

Das „Werkzeug“ der Spieler sind ihre Agenten. Diese halten sie hinter einem Sichtschirm geheim. Jeder Spieler hat 10 Agenten in Form von runden Plättchen in seiner Spielerfarbe zur Verfügung, mit unterschiedlicher Wertigkeit von -2, 1, 2 oder 3. Zu Beginn hat jeder Spieler alle seine Agenten hinter seinem Sichtschirm.

Leider arbeiten diese Agenten aber nicht umsonst! Um zu einer Intrige auf die Reise geschickt zu werden, wollen sie natürlich bezahlt werden! Glücklicherweise hat man ja immer ein wenig Kleingeld dabei, entweder als Goldmünzen, die Louis d’Or im Wert von 3, oder als Silbermünzen, die Louis d’Argent im Wert von eins. Zu Spielbeginn hat jeder Spieler Geld im Wert von 7. Gelegentlich kann es allerdings passieren, dass das Geld nicht reicht – dauernd Agenten auf einen Einsatz zu schicken ist doch recht teuer! Zum Glück gibt es deshalb ja auch noch Schmuck zu verhökern. Jeder Spieler erhält zu Beginn des Spieles zwei Schmuckmarker und weitere zwei Schmuckmarker werden auf der Ablagefläche am Spielplan abgelegt. Den Schmuck kann man während des Spiels als eigene Aktion in Geld umwandeln.

Um den Einblick in das Spielmaterial abzurunden, seien hier noch die 3 Markierungssteine pro Spieler für die einzelnen Leisten erwähnt und das Prestigeplättchen 30+ pro Spieler, da die Prestigeleiste am Spielplan bei 30 endet und wer will sich schon mit so wenig Prestige zufrieden geben? Die Markierungssteine werden übrigens zu Beginn bei Prestige und Militär auf das Feld 0 gesetzt, und bei Einkommen auf das Feld 1.

 

Kardinal Richelieu hat natürlich eine wichtige Rolle in diesem Spiel. Seine Spielfigur wandert auf der Prestigeleiste auf und ab und entscheidet darüber, ob ein Spieler am Zug eine oder zwei Aktionen durchführen darf. Zu Beginn des Spieles besetzt er die Position 7. Wenn sich der Markierungsstein des Spielers auf der Prestigeleiste hinter Richelieu befindet, also auf einem niedrigeren Feld, darf der Spieler zwei Aktionen machen. Bei Gleichstand oder wenn der Markierungsstein vor Richelieu liegt, hat der Spieler nur eine Aktion während seines Zuges. Dadurch werden weiter hinten liegende Spieler gegenüber den führenden bevorzugt.

Beginnend beim Startspieler sind die Spieler reihum im Uhrzeigersinn am Zug und können bei ihrer einzelnen oder zwei Aktionen zwischen vier verschiedenen Möglichkeiten auswählen: Agenten setzen, Einkommen kassieren, ein Offizierspatent kaufen oder mit Schmuck handeln.

Agenten setzen ist dabei die wichtigste Aktionsmöglichkeit und auch die einzige, die auch zweimal in einem Spielzug durchgeführt werden darf, sofern der Spieler am Zug zwei Aktionen zur Verfügung hat. Wählt ein Spieler diese Aktion, nimmt er einen Agenten seiner Wahl aus seinem Vorrat hinter seinem Sichtschirm und platziert ihn auf einem freien Platz auf einer Intrigentafel. Jede Intrigentafel hat fünf Plätze zur Auswahl, die aber mit unterschiedlichen Kosten verbunden sind. Die Position am weitesten links ist die teuerste Position und kostet 3 Silbermünzen. Danach geht es weiter mit 2 – 1 – 1 – 0. Auf den Feldern, die Kosten verursachen, werden Agenten verdeckt abgelegt, pro Feld ist ein Agent möglich. Auf dem Feld mit Kosten 0 muss der Agent hingegen offen abgelegt werden. Will ein Spieler in seinem Zug zwei Agenten setzen, kostet der zweite Agent 2 Silbermünzen extra.

Bei jeder Aktion, kann der Spieler frei entscheiden, auf welcher Intrigentafel er seinen Agenten einsetzt. Damit füllen sich langsam die sechs Intrigentafeln in den drei Intrigenboxen auf dem Spielplan. Setzt ein Spieler seinen Agenten auf das letzte freie Feld einer Intrigentafel, so wird die Intrige ausgewertet.

Dazu werden alle Agenten auf beiden Intrigentafeln dieser Box aufgedeckt. Die Werte aller Agenten pro Tafel werden zusammengezählt und das Ergebnis verglichen. Die Tafel mit mehr Punkten auf den Agentenplättchen hat gewonnen, bei Gleichstand gewinnt immer die Intrigentafel von Kardinal Richelieu. Danach wird die siegreiche Tafel pro Spieler ausgewertet. Derjenige Spieler, der die meisten Punkte zum Sieg beigetragen hat, bekommt den Bonus für den ersten Spieler, derjenige Spieler mit den zweitmeisten Punkten – sofern es ihn gibt – bekommt den Bonus für den zweiten Spieler. Anschließend wandert Richelieu auf der Prestigeleiste weiter: Gewinnt die Intrigentafel des Kardinals, wandert er nach vorn, verliert sie, wandert er nach hinten, die Weite ist jeweils auf der Intrigentafel angegeben. Kommt es bei der Punktwertung pro Spieler zu einem Gleichstand, entscheidet die Position des Agenten, der am weitesten links liegt, wer die Wertung gewinnt. Schließlich erhält der erste Spieler noch die siegreiche Intrigentafel. Die Anzahl der gesammelten Intrigentafeln wird bei Spielende ausgewertet.

Die Intrigentafel der unterlegenen Seite kommt aus dem Spiel. Alle Agenten auf beiden Tafeln landen offen auf dem Ablagefeld für Agenten am Spielplan. Danach wird die Intrigenbox mit zwei neuen Intrigentafeln belegt, eine aus dem Lager von Richelieu, die zweite aus dem Lager der Gegner.

Setzt ein Spieler seinen letzten Agenten aus seinem eigenen Vorrat, nimmt er sich alle seine Agenten wieder hinter seinen Sichtschirm, die auf dem Ablagefeld liegen. Fällt dieses Ereignis mit der Auswertung einer Intrigentafel zusammen, nimmt er sich seine Agenten vor der Auswertung.

 

Der Bonus auf der Intrigentafel kann verschieden ausfallen. Meist ist es eine Kombination aus Siegpunkten und einem weiteren Gewinn. Dies kann Geld sein, das Vorrücken auf der Militärleiste, das Vorrücken auf der Einkommensleiste oder der Einsatz weiterer Personen. Dazu zählen die Königin oder die Graue Eminenz. Die beiden Spielfiguren kommen ausschließlich durch diese Boni ins Spiel. Der Spieler, der den Bonus erhält, darf je nach Symbol entweder die Königin auf einen freien Platz einer Intrigentafel des Kardinal Richelieus setzen oder die Graue Eminenz auf einen freien Platz der gegnerischen Seite Richelieus. Bei der Auswertung einer Intrige sind diese Personen 3 Punkte wert, zählen aber nicht für einen Spieler, sondern nur für die Wertung der Tafel. Nach der Auswertung wandern diese Spielfiguren wieder in ihren Palast, außer ein Bonus lässt sie zu einer anderen Intrigentafel wandern. Schließlich gibt es noch zwei Boni, die Agenten betreffen: Ein Bonus erlaubt dem Spieler sofort einen eigenen Agenten kostenlos zu setzen, der andere einen fremden Agenten auf einer Intrigentafel zu verschieben.

Eine weitere wichtige Aktionsmöglichkeit ist das Kassieren von Einnahmen. Entsprechend der Position des Markierungssteins des Spielers auf der Einkommensleiste erhält er zwischen einen und fünf Silbermünzen. Der Markierungsstein selbst kann nur durch den entsprechenden Bonus auf einer Intrigentafel oder durch Weiterziehen auf der Militärleiste an eine höhere Position gelangen.

Auch die Aktion des Kaufens eines Offizierspatents ist besonders zu Beginn wertvoll und ist gleichbedeutend mit dem Weiterziehen auf der Militärleiste. Dabei bringt das Ziehen auf einzelne Felder auf der Militärleiste noch einen zusätzlichen Bonus wie das Versetzen des Markierungssteins auf der Einkommensleiste um eins oder der Erhalt eines Prestigepunktes. Allerdings wird das Weiterziehen auf der Militärleiste immer teurer. Man bezahlt nämlich die Kosten, die auf dem Feld angegeben sind, auf das man zieht. Weiters gibt es eine gravierende Einschränkung für diese Aktion: Diese darf ein Spieler nur dann nutzen, wenn sein Markierungsstein auf der Prestigeleiste hinter der Spielfigur von Kardinal Richelieu steht! Die höchste, 10. Position zu erreichen ist daher eher illusorisch.

 

Als letzte Aktionsmöglichkeit darf der Spieler einen eigenen Schmuckstein zum Gegenwert von 5 Silbermünzen verkaufen oder einen Schmuckstein aus der Ablage am Spielplan kaufen. Dies kostet allerdings 8 Silbermünzen und kann natürlich nur genutzt werden, wenn es einen Schmuckstein auf der Ablage gibt. Der Sinn dieses Handelns liegt darin, dass jeder Schmuckstein am Ende 4 Prestigepunkte wert ist.

Auf diese Art und Weise werden alle 13 Paare an Intrigentafeln durchgespielt, danach endet das Spiel und es folgt die Schlusswertung.

In der Schlusswertung erhält jeder Spieler Bonuspunkte für seine gesammelten Intrigentafeln. Bei den Richelieu-feindlichen Intrigentafeln zählt die Anzahl der Intrigentafeln einer Farbe. Bereits bei einer einzigen Tafel in einer Farbe erhält der Spieler einen Bonuspunkt. Dies steigert sich bis zu 9 bei allen 3 Tafeln bzw. 16 Bonuspunkten bei allen 4 Tafeln im Falle von England. Anders werden die Intrigentafeln Richelieus gewertet. Hier zählt die Mehrheit gegenüber den anderen Spielern. Der Spieler mit der Mehrheit erhält 8 Punkte, der zweite 4. Bei einem Gleichstand wird geteilt. Die gewonnenen Bonuspunkte werden auf der Prestigeleiste gezogen. Weiters erhält man die Anzahl an Prestigepunkten entsprechend der Position auf der Einkommensleiste und auf der Militärleiste auf der Prestigeleiste hinzu. Schließlich fährt man noch je 4 Punkte pro gesammelten Schmuckmarker auf der Prestigeleiste weiter. Wer nun die Führung auf der Prestigeleiste innehat, hat gewonnen.

 

Richelieu ein reines Mehrheitenspiel. Wem diese Art von Spiel zusagt, der wird auch an Richelieu Gefallen finden. Mit dem System der Bonuspunkte für Intrigentafeln gleicher Farbe sind auch strategische Komponenten enthalten, allerdings haben die Testspiele gezeigt, dass eine Strategie nur schwer zu verfolgen ist. Dazu ist das Spiel einfach zu interaktiv. Auch die Information der bereits offen liegenden Agenten der anderen Spieler auf der Ablage, lässt nur Vermutungen aber keine eindeutigen Schlüsse über die fremden Agenten auf den Intrigentafeln zu. Aus Sicht eines Vielspielers wird Richelieu wahrscheinlich nur kurz zur Unterhaltung beitragen. Das Spiel bietet keine unterschiedlichen Möglichkeiten für Taktiken oder Strategien zum Sieg und läuft auch während des Spieles ziemlich gleichmäßig ab. Die 13 Intrigentafelpaare werden vom ersten bis zum letzten durchgespielt, und dies läuft immer gleich ab. Das Spiel ist daher nicht allzu abwechslungsreich, auch die Wertung eines Intrigentafelpaares nach Beendigung einer Intrige ist nur selten Anlass zur Überraschung, da meist im Vorhinein schon klar ist, welche Tafel gewinnen wird, da es nur selten Sinn macht, auf die gegnerische Tafel zu setzen, sobald eine der beiden Tafeln besetzt wird. Interessant wäre der Mechanismus zur Bestimmung der Anzahl der Aktionen im Spielzug. Allerdings funktioniert das Regulativ zur Förderung der hinteren Spieler nur bedingt, da besonders im späteren Spielverlauf Kardinal Richelieu meist so weit hinten auf der Prestigeleiste steht, dass sowieso kein Spieler mehr hinter ihm ist. Ist ein Spieler allerdings hinter Richelieu, so verschafft dies dem Spieler schon deutliche Vorteile. Aber das meist nur kurzzeitig, denn schafft es ein Spieler durch diesen Vorteil eine Intrigentafel zu gewinnen, so gewinnt er in der Regel mehr Prestigepunkte als Richelieu und überholt ihn damit in vielen Fällen.

 

Positiv anzumerken ist, dass Richelieu ein einfach zu erlernendes Spiel ist. Die Spielregel ist kurz und übersichtlich gehalten und ermöglicht einen schnellen Einstieg. Damit ist das Spiel vorzugsweise für den Freundeskreis zu empfehlen. Durch die oben erwähnten strategischen Komponenten und auch die wichtige Komponente des Einschätzens der anderen Spieler haben Erwachsene wohl Vorteile gegenüber Kindern, dennoch lässt sich das Spiel sicher auch in der Familie spielen.

 

Bernhard Czermak

 

Spieler: 2-4

Alter: 10+

Dauer: 60+

Autor: Olivier Lamontagne

Grafik: Marco Morte

Preis: ca. 32 Euro

Verlag: White Goblin Games 2012

Web: www.whitegoblingames.com

Genre: Mehrheitenspiel

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: multi

Regeln: de en fr it nl

Text im Spiel: Nein

 

Kommentar:

Einfache Spielregeln

Übersichtliches Spielmaterial

Hohe Interaktivität

 

Vergleichbar:

Jerusalem (Abacusspiele)

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einstufung: 4

 

Bernhard Czermak:

Das Spiel besticht durch seine einfachen Spielregeln und den zügigen Spielablauf, bietet aber wenig Variationen und läuft eher monoton ab. Der Spielreiz liegt in der Einschätzung des Handelns der anderen Spieler.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0