TALES OF THE ARABIAN NlGHTS

 

 

Wer hat sie nicht gelesen, die Geschichten aus Tausend- und-einer Nacht, die Abenteuer von Ali Baba, oder die Odyssee von Sindbad, dem Seefahrer. Hier wird Abenteuer pur geboten, mit einem kräftigen Schuß Magie, und was liegt näher, als auf diesem Hintergrundmaterial aufbauend ein Spiel zu entwickeln. Die Firma West End Games aus New York hat sich darangemacht und das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Gespielt wird auf einer Karte, die Europa, Asien und Nordafrika darstellt, allerdings nicht mit der Genauigkeit, die unsere Karten heutzutage bieten; zu der Zeit von Sindbad war man in der Kartographie noch nicht so weit wie heutzutage. Auf der Karte sind die Städte eingetragen, die durch ein Netz von See- und Landwegen verbunden sind. Entlang dieser Wege bewegen sich dann die Figuren der Spieler.

Diese Figuren müssen zu Beginn des Spieles (ähnlich wie bei Rollenspielcn) erst emmal erschaffcn werden. Zuerst entscheidet jeder Spieler, ob er einen Mann oder eine Frau spielen will. Sodann wählt er für seine Figur drei "Skills" aus. Skills sind Fähigkeiten oder Eigenschaften wie Glück, Aussehen, Waffenkunst, Feilschen, Stehlen, Seemannskunst, Schauspielern oder Geschichtenerzählen. Die Auswahl ist groß und man hat schon seine liebe Not, sich am Anfang für den Einen oder Anderen zu entscheiden. Im Laufe des Spieles kann man neue Skills erlernen, alte verbessern, oder, wenn Allah es so will, einen Skill auch ganz verlieren. Schließlich wird die Figur auch noch mit finanziellen Mitteln versehen, die hier in Form von Wealth-Leveln dargestellt werden. Und endlich geht es los: Alle Spieler starten in Bagdad und machen sich auf, in fernen Ländern Abenteuer zu erleben. Für erfolgreich bestandene Abenteuer und Gefahren gibt es Story- und Destiny-Points. Spielziel ist es, als erster mit der Summe von Story- und Destiny-Points 20 zu erreichen bzw. zu überschreiten. Die Verteilung, also die Anzahl der Story- und Destiny- Points, die er erreichen will, legt allerdings jeder Spieler für sich zu Beginn geheim fest, so daß man nie genau weiß, wann das Spiel dem Ende zugeht.

Das Kernstück des Spieles ist die Begegnung (Encounter). Hat ein Spieler seine Bewegung beendet, so wird mittels einer Karte vom Kartenstapel ermittelt, ob, und mit wem oder was er konfrontiert wird. Aus einer Tabelle kann er sich dann für seine Figur eine Reaktion aussuchen. Aus dieser Reaktion wird nun ein Paragraph im sog. "Book of Tales ermittelt. Unter diesem Paragraphen steht eine kleine Geschichte, die den Anfang einer Begegnung beschreibt. Diese Geschichte wird dem aktiven Spieler von einem anderen vorgelesen. Wie sie aber für den Charakter endet hängt im wesentlichen vom Vorhandensein gewisser Skills ab. Jede Begegnung hat mehrere Ausgänge, von denen nun einer bestimmt werden muß. Bestimmte Ausgänge fordern vom Charakter einen bestimmten Skill; nur wenn der Charakter diesen Skill hat, so kann der Ausgang stattfinden. Für Charaktere ohne einen der geforderten Skills gibt es einen eigenen Ausgang, der aber seinen positive Auswirkungen hat. Auch der ermittelte Ausgang der Begeg-

nung wird wieder von einem anderen

Spieler vorgelesen, was aber nicht selten

ohne ein paar Lacher (Schadenfreude!)

abgeht. Am Ende dieses Ausgangs steht

dann, wieviele Destiny/~Story-Points der

Charakter für diese Begegilung erhält, ob

er Skills gesteigert, verloren oder dazube-

kommen hat, ob er es geschafft hat, sich eh

paar Schätze unter den Nagel zu reißen,

und ob er aufgrund der Begegnung einen

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besonderen ("besonders" auch im negativen

Sinn) Status erlangt hat.

Vielleicht hat man aber auch die Erlaubnis erlangt, einen der sagenhaften Placcs of Power betreten zu dürfen. Dies sind spezielle Felder auf der Karte, die zum Beispiel Stonehenge, Atlantis oder die juwelenbesetzte Festung darstellen und die normalerweise nicht betreten werden dürfen. Die Abenteuer, die dort zu erleben sind, können ungleich riskanter als alle anderen Begegnungen sein, doch wer sie heil übersteht, kann sich großer Schätze sicher sein.

Wehe aber denjenigen, die versagen .... Auch der Status kann sehr verschieden sein. Die Skala reicht von versklavt, verrückt, verflucht über vcrkrüppelt, verirrt, verheiratet bis zu geliebt, Sultan oder Wesir. Jeder Status bringt natürlich gewisse Vor- und/oder Nachteile mit sich. So bewirkt der Status "verheiratet", daß man sich nach jeder Begegnung in irgendeiner Stadt erst einmal auf den Weg nach Hause machen muß, bevor man in einer anderen Stadt eine Begegnung haben darf. Dies kann unter Umständen den Aktionsradius beträchtlich einschränken. Ein anderes Beispiel ist der Status "verrückt". Dadurch hat man keine Kontrolle mehr über die Reaktionen der Figur. Jedesmal, wenn es darum geht, auf eine Begegnung zu reagieren, darf

sich einer der "lieben" Mitspieler die Reaktion aussuchen, und wird damit die Figur mitunter noch tiefer ins Verderben reiten ...

Gottseidank gibt es immer noch die Möglichkeit, einen Status wieder loszuwerden, doch dies wird einem sehr selten einfach

gemacht.

Zusätzliche Begegnungen können stattfinden, wenn sich zwei Spieler auf dem gleichen Feld befinden. Die ankommende Figur kann dan versuchen, die andere Figur mit Hilfe eines ihrer Skills anzugreifen, oder ihr einen unliebsamen Status zu verpassen. Doch dafür müssen meistens einige der mühsam erabenteuerten Story-oder Destiny-Points ausgegeben werden,

was die Spieler davon abhalten wird, aufeinander loszugehen. Zudem kann sich der Angegriffene wehren, wenn er den gleichen Skill hat wie der, mit dem der Angreifer ihn angreift. Man wird zu diesen Mitteln erst in der Endphase des Spiels greifen, wenn es darum geht, dem Gegner seinen Sieg in der letzten Minute doch noch abzunehmen.

Wer siegen will, muß nämlich nicht nur die erforderlichen 20 Points (oder mehr) in der richtigen Verteilung aufweisen können. Er muß bei der Anspruchserklärung auf den Sieg zum einen in Bagdad sein, und zum anderen dort noch eine Runde verbleiben. Diese letzte Runde gibt allen anderen Spielern die Gelegenheit, diesem Spieler den Sieg doch noch zu entreißen, indem sie ihn z.B. angreifen. Hat der Spieler diesen Feuerzauber überstanden und immer noch die erforderlichen Punkte, so hat er endgültig gewonnen, andernfalls geht das -Spiel wieder weiter, seinen gewohnten Gang.

Hat man erst ein paar Mal nach diesen Regeln gespielt, so kann man die Regelerweiterungen einbeziehen. Diese bieten zwei interessante Elemente: Zum einen eine Art Charakterklasse, den Händler, zum anderen die sogenannte "Quest". Ein Spieler kann sich zu Beginn entscheiden, anstatt eines Abenteurers einen

Händler zu spielen. Der Händler ist nun nicht mehr auf der Jagd nach Points, sondern versucht möglichst viel Profit zu machen, indem er Handelsverbindungen zwischen weit entfernten Städten aufbaut. Um zu gewinnen, muß er den Wealth-Level 'fabulous" erreichen, der zumindest den Besitz eines großen Schatzes verlangt. Und um an einen solchen heranzukommen, ist auch etwas Glück erforderlich. Die Quest ist eine weitere Möglichkeit, zu gewinnen. Eine Quest,ist eine Suche nach einem bestimmten Gegenstand oder Lebewesen. Um zu erfahren, wo sich das Objekt

befindet, muß man sich zu einer bestimmten Person, z.B. einem Räuberhauptmann, begeben. Dort erfährt man entweder, wo sich das Objekt befindet, oder aber den Namen einer weiteren Person, die dies wissen könnte. Mit der Anzahl der Personen, die man befragt hat, steigt dann die Wahrscheinlichkeit, daß man den Ort erfährt. Es gibt zwei Möglichkeiten, einer Person zu begegnen. Zum einen durch wahnsinnig viel Glück beim Ziehen der Begegnungskarte, oder aber (was viel häufiger vorkommt) durch die Reise in eine bestimmte Gegend (z.B. das der Stadt Bagdad nächstgelegene Bergfeld). Die Quest wird wiederum mit Hilfe von Karten und Paragraphen aus dem Book of Tales abgewickelt. Hat man zwei Quests erfolgreich absolviert und ist nach Bagdad zurückgekehrt, so hat man, falls einem die lieben Mitspieler keinen Strich durch die Rechnung machen, das Spiel gewonnen. Hat man überhaupt keine Mitspieler gefunden, so kann man "Tales of the Arabian Nights" auch hervorragend Solo spielen. Dann werden allerdings die Siegbedingungen etwas hochgeschraubt, und man muß sie zudem noch erreichen, bevor der Kartenstapel aufgebraucht ist.

Tales of the Arabian Nights ist ein wunderschönes Spiel, in dem viel Liebe zum Detail steckt. Das fängt schon beim tollen Bild auf der Schachtel an und setzt sich in den Regeln leert, in denen die Geschichte von Shoherezade erzählt wird, und in denen auch Anmerkungen über die arabische Kultur für westliche Spieler zu finden sind, z.B. was die Rolle der Prau im Orient

betraf. Durch das raffinierte Paragrahen-und Karten-System wird das Spiel nicht so schnell langweilig wie es bei den Solo-Aben-

teuer- Spielbüchern der Fall ist. Das Herz des Spieles, das Book of Tales, umfaßt auf (14 Seiten 14(H)! Paragraphen, die zum großen Teil in drei bis vier Unterparagraphen aufgeteilt sind. Da kamt man sich auch nach oftmaligem Spiel nicht so

einfach merken, wie man in welcher Situation zu reagieren hat, um eine Begegnung zu überstehen. Und auch "sinnvolle" Reaktionen wie z.B. bei jeder Begegnung anzugreifen, weil man zufällig den Skill Waffenkunst beherrscht, bringt nicht immer Vorteile. Die Erfahrung hat gezeigt, daß viele Wendungen überraschend kommen. Doch gerade dies macht den Reiz des Spiels aus.