Kohle aus Eisen!
Brass
Der Beginn des Industriezeitalters
Bei den Spieletagen 2007 in Essen haben
Christoph, Peter und ich beim WARFROG Spielestand vorbeigeschaut. Vor uns lag
ein ziemlich großer Spielplan, der u.a. die Städte Lancaster, Liverpool, Manchester
nennt und mit Industriesymbolen für Baumwollspinnereien, Häfen, Schiffswerften,
Zechen und Eisenhütten bebildert ist. Zwischen den neunzehn Städten ziehen sich
blaue und schwarze Linien. Sie stellen mögliche Kanäle und Eisenbahnverbindungen dar. Der Spielplan wird
Lancashire genannt und entführt uns in eine Welt des achtzehnten Jahrhunderts.
In eine Zeit, in der Baumwollspinnereien und Eisenhütten gebaut wurden und die
Dampfkraft und Erfindungen eines James Watt die schwere Arbeit im Bergwerk doch
um einiges erleichtern sollte. Es vollzieht sich gerade jener Wandel vom industriellen
Mittelalter in die moderne Welt, der später als industrielle Revolution
bezeichnet und in die Geschichte eingehen wird.
Worum geht es im Spiel?
Das Spiel wird zu dritt oder zu viert gespielt.
Die Spieler errichten in zwei Perioden Industrien und transportieren Rohstoffe,
wie Kohle, Eisen und Baumwolle in der so genannten Kanalschifffahrts- und
Eisenbahnperiode zu den Häfen der Insel bzw. nach Übersee. Jede Periode besteht
aus mehreren Phasen, wobei die Aktionsphase jeweils die wichtigste ist. Die
Spieler bauen mit ihren Handkarten verschiedene Industrien und verbinden sie
durch Transportwege. Einige Industrien liefern zuerst wertvolle Rohstoffe,
andere bringen sofort BRASS, so wird Geld zu dieser Zeit genannt. Doch Geld ist
nur das Mittel zum Zweck. Für den Bau von Schiffswerften gibt es die meisten
Siegpunkte. Wenn ein auf dem Plan befindliches Plättchen für Baumwollspinnerei,
Zeche, Hafen oder Eisenhütte umgedreht wird, gibt es ebenfalls Siegpunkte.
Zuletzt bringt jede Kanal- und Eisenbahnverbindung eine bestimmte Anzahl
Punkte. Das Spiel gewinnt der Spieler, dessen Marker auf der Siegpunktleiste am
Ende der Eisenbahnperiode am weitesten vorne ist.
Wie beginnt das Spiel?
Jeder Spieler nimmt Geld (30 Pfund)
und einen Satz Industriecounter. Das sind Plättchen, mit einem Symbol für eine Baumwollspinnerei, einem Hafen, einer
Zeche, Eisenhütte oder Schiffswerft. Die Plättchen sind beidseitig zu verwenden
und liefern dem Spieler Informationen. Die Info auf der Vorderseite: Wie hoch
sind die Baukosten? Welcher Technologie-Level - 1 bis 4 - trifft beim Bau zu?
Bringt der Bau Kohle oder Eisen als Rohstoff oder erfordert der Bau Kohle oder
Eisen? In welcher Periode kann gebaut werden? Info auf der Rückseite: Wie viele
Siegpunkte bzw. wie viel Geld bringt der Bau des Industriecounters? Die
Industriecounter sind nach Symbolen getrennt und mit ihrem Technologie-Level
jeweils so zu stapeln, dass der
niedrigste Wert oben auf und der höchste zu unterst liegt. In dieser
Reihenfolge werden die Counter am Spielplan gebaut bzw. entwickelt. Weiters
nimmt sich jeder Spieler vierzehn Plättchen Kanal/Eisenbahn. Zum Bau der
Industrien und Kanäle bzw. Eisenbahnen erhält jeder Spieler acht Industrie-
bzw. Ortskarten. Da es in diesem Spiel auch um Rohstoffe, wie Kohle und Eisen
geht, werden jeweils acht davon am Plan auf den Feldern der Nachfrageleiste
bereit gelegt. Der Wert pro Rohstoff beträgt 1 bis 4 Pfund. Jetzt wird noch der
„Ferne Markt“ mit Plättchen belegt und ein Startspieler bestimmt.
Spielverlauf
Das Spiel ist in zwei Perioden
unterteilt, die Kanal- und die Eisenbahnperiode. Jede Periode besteht aus
folgenden Phasen:
1.
Karten
2.
Spieleraktionen
a.
Einkommen
kassieren
b.
Karten in der
Spielerreihenfolge spielen
c.
Startspieler
für die nächste Spielrunde bestimmen
d.
Handkarten
auffüllen
3.
Siegpunkte
4.
Neue Periode
Wie verläuft eine Runde in der
Kanalperiode?
Die Spieler kassieren Einkommen. Jeder
Spieler führt ein Paar Aktionen aus. Ein Paar Aktionen besteht darin, eine
Karte auszuspielen und damit eine Aktion auszuführen, direkt anschließend eine
zweite Karte auszuspielen und damit die zweite Aktion auszuführen. Die Aktionen
schließt ein Spieler vollständig ab, bevor der nächste Spieler an der Reihe
ist.
Der Spieler, der in der Runde am
wenigsten Geld ausgibt, kommt in der nächsten Runde als erster dran. Der
Spieler, der den zweitgeringsten Betrag ausgegeben hat, ist zweiter Spieler
usw. bis zum letzten Spieler, der den höchsten Betrag ausgegeben hat.
Die Spieler spielen Karten aus,
platzieren ihre Industriecounter oder Kanalverbindungen auf dem Plan, genau
nach dem Symbol bzw. im angeführten Ort und legen den Betrag auf das Ausgabefeld
seiner Spielerfarbe. Zum Bau einiger Industrien ist Kohle notwendig. Das Entwickeln
eines höheren Levels erfordert Eisen. Baumwolle kann über einen Hafen oder
fernen Markt verkauft werden.
Beispiel für Runde 1: Der Spieler ROT
besitzt zum Bau einer Baumwollspinnerei die Ortskarte MACCLESFIELD und legt den
passenden Industriecounter unterhalb der Stadt MACCLESFIELD auf ein unbesetztes
Feld des Spielplans. Diese Industrie mit dem Level 1 kann nur in der
Kanalperiode gebaut werden. Der Spieler legt den offenen Betrag von zwölf Pfund
auf das Ausgabefeld seiner Farbe.
Der Spieler GELB besitzt u.a. die
Ortskarte OLDHAM. Er baut mit dieser Karte eine Zeche Level 1 in OLDHAM und
legt zwei Kohlequadern aus dem Vorrat auf das Plättchen drauf. Die Aktion
kostet Spieler GELB fünf Pfund. Diese Zeche
soll im Laufe des Spiels Kohle zum Bau einer Eisenhütte in MANCHESTER liefern. Bevor
die Zeche die Kohle nach MANCHESTER liefern kann, muss aber noch eine
Kanalverbindung gebaut werden.
Der Spieler GRÜN möchte eine Zeche und
eine Baumwollspinnerei (jeweils mit Level 1) entwickeln. Er spielt dafür eine
beliebige Orts- oder Industriekarte aus. Um zu entwickeln, ist jeweils ein
Eisen pro Industriecounter von der Nachfrageleiste zu entnehmen. Da noch alle
Eisen auf der Nachfrageleiste verfügbar sind, zahlt der Spieler nur zwei Pfund.
Der Spieler darf nun das jeweils oberste Plättchen vom Zechen- und
Baumwollspinnereistapel aus dem Spiel nehmen. Die Aktion kostet zwei Pfund.
Beachte: Am Ende der Kanalperiode
werden alle Industriecounter mit Level 1 vom Plan genommen, daher lohnt es sich
zu entwickeln!
Spieler VIOLETT möchte einen Kredit
von zwanzig Pfund nehmen. Er rückt
seinen Spielstein auf der Zählleiste um zwei Farben zurück. Keine Kosten.
Was ist in der ersten Runde passiert?
Zu Beginn der ersten Runde kassiert
noch kein Spieler ein Einkommen. Zwei Spieler haben einen Industriecounter gelegt. In der
Kanalperiode sind dafür die entsprechenden Ortskarten erforderlich. Ein Spieler
hat seine Industrien entwickelt. Für eine Entwicklung wurde eine Orts- bzw.
Industriekarte gespielt und Eisen von der Nachfrageleiste genommen. Ein Spieler
hat einen Kredit aufgenommen und als einziger Spieler keine Kosten zu zahlen.
Spieler ROT hat mit zwölf Pfund den höchsten Betrag ausgegeben, Spieler GELB
mit fünf Pfund den zweit höchsten, Spieler GRÜN hat für die zwei Eisen zwei
Pfund ausgegeben. Die Spielerreihenfolge lautet daher: VIOLETT vor GRÜN und
GELB. Spieler ROT kommt als letzter Spieler an die Reihe. Die Handkarten werden
pro Spieler auf acht Karten aufgefüllt.
Wie geht ab der zweiten Runde weiter?
In der zweiten Runde dürfen alle
Spieler eine zweite Karte spielen. Spieler VIOLETT spielt die Ortskarte MACCLESFIELD und
baut eine Baumwollspinnerei mit Level 1. VIOLETT baut mit der zweiten Karte eine
Kanalverbindung und ermöglicht so den Transport der Baumwolle für die nächste
Runde nach „THE MIDLANDS“. Kosten: fünfzehn Pfund. Spieler GRÜN baut eine Zeche
des Zweier-Levels in BURNLEY und baut eine Kanalverbindung nach BLACKBURN.
Kosten: Zehn Pfund. Spieler GELB baut zwei Kanalverbindungen. Einen Kanal baut
er nach MANCHESTER und einen weiteren nach STOCKPORT. Kosten: sechs Pfund.
Spieler ROT kann nun seine Baumwolle verkaufen, da Spieler VIOLETT eine
Verbindung zum Hafen gebaut hat. Er tut dies über den fernen Markt. Er zieht
ein Kärtchen mit 0. Dafür erhält VIOLETT drei Pfund in bar ausgezahlt. Nun wird
der Industriecounter umgedreht und sein Zählstein wird um drei Felder nach
links gerückt. Damit sind seine Einkünfte auf zwei Pfund gestiegen.
Was ist sonst noch zu beachten?
Jedes Mal, wenn alle Kohle oder
Eisenquader vom Industriecounter genommen wurden, wird der Counter umgedreht
und der Spielstein auf der Einkommensleiste nach links gerückt. Spieler GRÜN
hat in BLACKBURN eine Eisenhütte gebaut und sofort sechs Pfund von der Bank für
das Eisen bekommen, das an die Nachfrageleiste abgegeben wurde. Es ist möglich,
dass der Spieler sein Aktionspaar für nur eine Aktion nutzt. So kann er auf
jedem Feld in Lancashire eine Industrie bauen. Ein Spieler kann in seinem Zug
auch bestehende Industriecounter „überbauen“. In der Kanalperiode darf ein
Spieler an einem Ort nicht mehr als eine Industrie bauen. Nach dem Bau einer
Schiffswerft wird der Counter sofort umgedreht. Immer wenn ein Counter
umgedreht wird, rückt der Spieler mit seinem Zählstein auf der Einkommensleiste
vor. Die Siegpunkte dafür werden jedoch nur am Ende einer Periode abgerechnet.
Die Spieler müssen die Industrien mit Kanalverbindungen
zu einem dichten Netz ausbauen, da jede Verbindung am Ende der Periode
wertvolle Siegpunkte bringt. Nachdem alle Karten gespielt wurden endet die
Kanalperiode. Es werden alle Industriecounter mit dem Level 1 und alle
Kanalverbindungen vom Plan entfernt. Für umgedrehte Industriecounter und
Kanalverbindungen werden Siegpunkte vergeben.
Was ändert sich in der
Eisenbahnperiode?
Mit der Eisenbahnperiode können alle
Spieler auf mehreren Feldern eines Ortes bauen. Die Zechen bekommen mehr an
Bedeutung, da für jede Eisenbahnverbindung Kohle erforderlich ist. Weiters
können zwei Verbindungen auf einmal gebaut
werden.
Mit Ende der Eisenbahnperiode werden
nochmals alle Verbindungen und umgedrehte Industriecounter in Siegpunkte
abgerechnet.
Bewertung
In BRASS kommen interessante
Spielmechanismen zum Einsatz. Infolge der Abhängigkeit, die zwischen den
Industrien und Rohstoffen besteht, entsteht eine logische Abfolge von Aktionen
im Spiel. Beim Ausbau der Industrien spielen die Karten, vor allem die
Ortskarten, eine nicht unwesentliche Rolle. Wenn einem das Kartenglück nicht
treu ist, kann man den Ausbau der Verbindungen forcieren und zum Ende einer
Periode wichtige Siegpunkte erhalten. Ein gewisser Spielreiz entsteht beim Bau von Verbindungen
auch dadurch, dass andere Spieler vom Verbindungsnetz profitieren. Bei einigen
Orten kann ein Spieler einen Vorteil erlangen, wenn er zuerst baut. Im Spiel herrscht punkto Geld jedoch
immer ein Mangel. Geld ermöglicht nicht nur die Investitionen, sondern regelt
mit den Ausgaben auch die Spielerreihenfolge. So gesehen ist es wichtig, dass man
Investitionen zur richtigen Zeit tätigt sich nicht verzettelt. Einige
Investitionen bringen wichtige Siegpunkte, andere sind für den Spielverlauf
wichtig. Die Interaktion spielt insofern eine Rolle, dass jeder Spieler nicht
nur für sich baut, sondern sich die Spieler vielmehr an einem Netzwerk
beteiligen, dessen Auswirkung fast jeden Spieler betrifft. Man benötigt im
Spiel jedoch schon die Fähigkeit zur (Voraus)Planung, um seine Aktionen
aufeinander abzustimmen. Mit der Interaktion eröffnen sich im Laufe des Spieles
immer neue Möglichkeiten seine Aktionen neu zu planen und das macht das Spiel
auch interessant.
Erwin Kocsan
Spieler : 3-4
Alter :
13+
Dauer :
ca. 120 Minuten
Autor :
Martin Wallace
Grafik :
Peter Dennis
Vertrieb : Heidelberger
Preis :
ca. € 40,00
Verlag :
Warfrog 2007
www.warfroggames.com
Genre :
Aufbau- und Entwicklungsspiel
Zielgruppe : Freunde, Experten
Mechanismen : investieren, entwickeln, vorausplanen
Strategie : ***
Taktik :
*****
Glück :
**
Interaktion : ******
Kommunikation : ***
Atmosphäre : ******
Kommentar :
Spielerfahrung nötig
Viele ineinandergreifende Mechanismen
Gute Simulation
Mangelmechanismus bezüglich Geld
Attraktive Ausstattung
Vergleichbar:
Thema – Industria, Queen
Mechanismen, Thema – Indonesia,
Splotter
Erwin Koscan:
Eine Kombination interessanter
Mechanismen, die sehr realistisch das Zusammenspiel von Rohstoffen und
Produktion sowie Transport widerspiegelt.