Vor
Floridas küste
Key
Largo
Freibeuterei & Piraterie
Die Insel
Die Vorbereitungszeit für das Tauchabenteuer
hält sich in wohltuenden Grenzen. Der optisch überzeugende, aus vier Teilen
bestehende Inselplan ist schnell zusammengesetzt, und erlaubt einen guten
Überblick über die Örtlichkeiten Key Largos: Es gibt da eine Bar „Zur
Meerjungfrau“, einen Markt, die Delphinenbucht (so steht’s in der Regel, Anm.
d. Verf.) und einen Taucherladen „Zum Alten Seewolf“. Verdeckt werden Fünferstapel
von Wrackkarten, auf denen im Verlauf des Spiels untergegangene Schätze
gefunden werden sollen, rund um die Insel verteilt. Dieses „Gefunden-werden-sollen“
deutet die Gefahr an, auf eines der zahlreichen Seeungeheuer zu stoßen, die
bisweilen sogar dem wagemutigsten Taucher einen Strich durch die Rechnung
machen. Ja, auch die Unterwasserwelt ist nicht immer friedlich. Zuletzt wird
noch jede Spielerin mit einem Boot, fünf Aktionskarten, einem 100$-Bündel und
einem Taucher ausgestattet. Ausrüstungsgegenstände für die Tauchakteure kommen
in eine Reserveablage, und ein Rettungsring markiert die Zeitleiste, die zehn reale
Tage symbolisiert. Sobald dann die Startspielerin bestimmt und durch eine
entsprechende Karte festgehalten wurde, geht es los mit dem obligaten
Tagesablauf der Taucherinnen.
Jeden Tag werden zwei Aktionen ausgeführt,
eine am Vormittag, eine am Nachmittag, beginnend mit einem Freitag. Eine
historische Erklärung für diesen Starttermin ließ sich nicht entdecken, doch
sind die Touristen, wie im Regelwerk erläutert wird, an Wochenenden
„zahlreicher und großzügiger“. Und durch den Freitagstart gibt es eben zwei touristisch
überfüllte Termine in der Delphinbucht. Bei diesen Aktionen haben die
Spielerinnen die Qual der Wahl. Soll man nach einem Wrack tauchen, was allerdings
ohne entsprechende Ausrüstung nur in geringer Tiefe und unter großer Gefahr möglich
ist? Klar, hier gibt es Gold, Waren, Antiquitäten und Diamanten zu bergen. Aber
hier lauern eben auch die Seeungeheuer. Und diesen kann man ohne Dreizack nicht
Herr werden. Oder wie wäre es mit einem Besuch in der Bar „Zur Meerjungfrau“?
Dort hängen bereitwillige Taschendiebe, arbeitslose Taucher und dergleichen
Typen herum, und dort verraten windige Matrosen gegen einen harten Drink sogar die
besten aller Tauchstellen. Auch die Delphinbucht ist einen Besuch wert, oder
nicht? Hier darf man als Tourist Guide schnell Bares einstecken, an Wochenenden
(wie oben erwähnt) sogar in großem Stil. Wer Ausrüstungsgegenstände braucht,
egal ob Atemschläuche, Dreizack oder Gewichte, könnte sich in den Tauchladen
„Zum Alten Seewolf“ begeben. Denn ganz ohne Ausrüstung – die noch dazu
limitiert ist – kommt man keinesfalls wirklich weit. Und zuletzt bleibt die
Aktion des Marktbesuches. Ganz wichtig, zweifellos, den die Schätze können weit
über ihrem Basiswert verkauft werden, vorausgesetzt, die richtige Anzahl von
Verkäuferinnen tummelt sich im Marktgelände. Wem diese Aktionsmöglichkeiten
noch nicht diversifiziert genug sind, der darf in einer Ausbauvariante auch
noch die üppige Zahl von 24 Bekanntschaftskarten in der Delphinbucht
bereithalten. Gute Freundschaften sind schnell geschlossen, und Bekannte
können, zum richtigen Zeitpunkt um Hilfe gebeten, dem regen Treiben auf Key
Largo den entscheidenden Kick geben. Tag für Tag geht es so dahin, bis zum
Abend des ominösen Sonntags, an dem Katty alles hinwegfegen wird. Ich hoffe
doch, Sie haben Ihre Schätze bis dahin sicher im Trockenen!
Positiv sticht bei Key Largo sofort die liebevolle Ausstattung ins Auge, besonders was
die Graphik der Aktions-, Wrack- und Bekanntschaftskarten anbelangt. Für
Sprachenliebhaber mögen sogar italienische, französische und deutsche
Benennungen der Personenkärtchen ihren Reiz haben. Positiv auch die leichte
Erfassbarkeit der Regel, selbst für eine nicht allzu versierte Leserin. Wie
schon bei den Vorgängerspielen hält man auch die Nummer 5 der Tilsit-Edition
gerne in Händen. Format, Cover und – seltsamerweise – auch die Textur der
Schachtel wirken animierend auf die Seele des passionierten Sammlers. Was gibt
es dagegen zu bemängeln? Zum einen schiene mir ein Inselplan aus einem Stück
praktischer als das Konstrukt aus vier Teilen. Gut, damit kann man leben. Doch
die Plastikschiffchen haben nicht nur Schlagseite, sie stürzen beim leisesten
Windhauch zum unpassenden Zeitpunkt ins blaue Meer. Lästig, wenn auch nicht den
Spielmechanismus beeinträchtigend, möchte ich anmerken. Tiefgreifender dagegen
die Kritik an der Spielerinnenzahl. Speziell wegen der unterschiedlichen
Auswirkungen auf die Verkaufspreise am Markt macht es einen großen Unterschied,
ob drei, vier oder fünf Akteure um den Tisch sitzen. Die größere
Spielerinnenzahl bringt eindeutig mehr Leben und Trubel ins Geschehen und ist
daher deutlich höher zu bewerten. Abrundend noch eine positive Bemerkung zu den
Bekanntschaftskarten. Es gibt da die unterschiedlichsten Typen: Glückspilz,
Saboteur, Trunkenbold, Taschendieb, Schlauchhändler, Discounter, Schieber,
Goldsucher und viele mehr. Diese Gestalten greifen an den verschiedensten Orten
frei nach Ihrem Willen in die Aktionen ein – und bringen ein wohltuendes
Element der Abwechslung nach Key Largo. Vor allem, wenn Ihnen nach mehr als nur
einem Tauchabenteuer zumute ist.
Mein persönliches Fazit: Bei entsprechender Durchmischung der
Spielrunde wird Key Largo gute Noten
erhalten, da gibt es keinen Zweifel. Klar, im Dreieck Glück-Bluff-Logik (siehe
meinen Artikel im Buch der Spiele 2005, Hrsg. Dagmar de Cassan) ist eine
gewisse Kopflastigkeit zu Ersterem unverkennbar. Doch die verdeckt gehaltenen
Schatzkarten und die Unberechenbarkeit der Aktionsreihenfolge bringt auch einen
guten Schuss Bluff ins Spiel. Taktische Momente dagegen sind rar, was jedoch
bei dem vom Autorenteam beabsichtigten Charakter des Abenteuerspiels keine
wirkliche Beeinträchtigung darstellt. Stimmung und Spielgefühl sind dem Thema
elegant angepasst, Planung und Überraschung halten sich in goldener Balance.
Und letztlich giert jeder Akteur nach dem großen Erlös und hofft und bangt bis
zuletzt bei jeder seiner Entscheidungen. Noch lebt Key Largo – für ganze zehn Tage, bis zum Eintreffen des
vernichtenden Orkans. Machen Sie das Beste daraus!
Hugo
Kastner
Key Largo ist eindeutig für
Gelegenheitsspieler und die abenteuerhungrige Familie konzipiert. Viel wird vom
Glück bestimmt, und dennoch greifen die verschiedenen Mechanismen locker genug
ineinander, um eine stimmige und dichte Atmosphäre zu schaffen. Für die
fortgeschrittenen „Taucherinnen“ gibt es ja zudem noch die
Bekanntschaftskarten, die eine durchaus facettenreiche Spielanlage erlauben.
ÜBERBLICK
Idee: Paul
Randles
Autor: Mike
Selinker & Bruno Faidutti
Grafik: David
Cochard
Vertrieb: Fachhandel
Preis: ca.
30 Euro
Verlag: Tilsit
Editions 2006
www.tilsit.fr
Spieler: 3-5
Alter: 10
Dauer:
60
BEWERTUNG
Genre: Abenteuerspiel
Zielgruppe: Familie
Mechanismus: Schätze
bergen & verkaufen
Strategie: *
Taktik: ***
Glück: *****
Interaktion: ****
Kommunikation: ***
Atmosphäre: *****
Kommentar:
Relativ Glücksabhängig
Schöne Ausstattung
Vermittelt Abenteuerstimmung
Gut abgestimmte Aktionen
Auf den ersten Blick wird der Spielexperte
stark an den Inselplan des frühen Tilsit-Spiels Maka Bana erinnert! Allerdings wirklich nur auf den ersten Blick.
Denn Key Largo geht vom reinen
Prinzip des Stein-Schere-Papier doch weit hinaus in
Richtung Abenteuer und Erlebnis. Ob dies allerdings einen nachhaltigeren
Spielreiz bewirkt, wird wohl von den Spielertypen abhängen. Mein persönliches
Gefühl tendiert eher zum schnörkellosen Zocken der vormaligen Tilsit-Edition.
Hat Ihnen diese allerdings zugesagt, können Sie auch bei Key Largo ein paar anregende Stunden des Eintauchens in eine Welt
der Freibeuterei und Piraterie erleben.
Vergleichbar:
Submarine, Winning
Moves
Makabana, Tilsit