Hexenball
Das Spiel:
Hexenball
von
für 3 bis 6 Spieler ab 7 Jahren
30 bis 45 Minuten
Meine Wertung:
* Hexenball WW II UUU A
4 - 6 (3 - 6) m
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"Spieler!"
Ich kann den abfälligen Unterton
direkt hören, den mancher uns gegenüber ausdrückt. Dabei wissen jene ja gar
nicht, was wir - der Leser dieser Zeilen ebenso wie der Schreiber - alles auf
uns nehmen. Die meinen vielleicht, wir amüsieren uns nur so, ein unnötiger
Zeitvertreib, ohne jeden Nutzen. Wenn die wüssten.....
Wenn auf der britischen Insel der
König im Sterben liegt und ein neuer König "Löwenherz" gesucht wird,
wer bemüht sich dann um möglichst große Gebiete und Machtpunkte? Wer errichtet
ganze Türme im von einem verheerenden Wirbelsturm verwüsteten Kastillien, um
den Nachfolger des alten Königs zu bestimmen? Und wer erweitert im fernen Indien
des 18. Jahrhunderts in den Städten und Provinzen seinen Einfluss, um das
zerfallende Reich zu retten? Wer wohl?
Na eben.
Manchmal sind unsere Aufgaben
historisch nicht ganz so bedeutend. Neulich erreichte uns die Kunde, dass die Hexenkönigin
Karabossa nach mehreren Jahrhunderten vom vielen Zaubern müde geworden sei und
in den verdienten Ruhestand treten wolle. Zuvor noch wolle sie eine machtvolle
Hexe finden, die ihre Nachfolge antreten soll. Ein klarer Fall für uns. Wir
schlüpfen pflichtbewusst in die Rollen der mächtigen Hexen Ursula Pustel, Hilda
Schielauge und Konsorten und machen uns an die Arbeit.
Dass wir dabei keine Quizaufgaben
lösen und uns auch nicht ruhig hinsetzen, um die Nachfolgerin auszudiskutieren,
kann man sich leicht vorstellen. Schließlich sind wir ja Hexen. Also wird
gezaubert, was das Zeug hält. Unsere Zaubermacht beziehen wir (dies ist ein
Umstand, der den meisten Nichthexen bislang unbekannt sein dürfte) aus
sogenannten Krötengören, kleinen wertvollen Tiere unbekannter biologischer
Herkunft, die wir in einer speziellen Krötengören-Truhe aufbewahren. 10 Stück
machen unser Zauberpotential anfangs aus. Durch allerlei Hexenduelle,
Zaubersprüche und Hexereien wird versucht, die Anzahl der Krötengören der
missliebigen Konkurrenz auf Null zu senken, ergo ihre Zauberkräfte zu
eliminieren, um sie so aus dem Nachfolge-Rennen zu boxen. Wer schließlich als
einzige noch Krötengören übrig hat, wird als neue Hexenkönigin gekrönt.
Herzstück des Spiels sind die 121
Karten. 84 davon stellen Zaubertrank-Karten dar, lauter so appetitliches Zeugs
wie etwa Schneckengedärm, Waldkauzkaka, Kuhfladennektar oder Schabenspeisaft.
Die Bezeichnung ist aber ohnehin nicht von Bedeutung, spielrelevant ist
lediglich, dass es die Zaubertrank-Karten in 5 verschiedenen Farben mit
unterschiedlicher Häufigkeit gibt: 3 graue, 8 blaue, 15 grüne, 23 gelbe und 35
rote.
So ein Zauberduell läuft
folgendermaßen ab: Man wählt eine gegnerische Hexe aus und legt eine oder zwei
Zaubertrank-Karten aus, beispielsweise 1 seltene blaue mit 1 häufigen roten. Es
versteht sich von selbst, dass Angriffe mit weniger häufigeren Karten
schwieriger abzuwehren sind. Die
herausgeforderte Hexe muss nun mit einer Karte der selben Farbe oder mit der
selben Kombination parieren, in unserem Fall also ebenfalls 1 blaue und 1 rote
Karte. Gelingt dies nicht, verliert die herausgeforderte Hexe 1 Krötengöre aus
ihrer Truhe, die Herausforderin darf zur Belohnung eine Karte vom Stapel
nachziehen. Kann die Hexe jedoch parieren, darf sie 1 Karte nachziehen, die
Herausforderin braucht hingegen keine Krötengöre abgeben.
Das sind also die ziemlich einfachen
Duellregeln. Man kann sich übrigens vor einem Duell nicht drücken. Wenn eine
Hexe an der Reihe ist, muss sie eine andere Hexe angreifen. Die Handkarten, von
denen man anfangs 10 Karten erhält, werden daher zwangsläufig immer weniger.
Erst nach zwei Runden kommt man wieder zu Nachschub, und zwar kriegt man so
viele Karten, wie man noch Krötengören in seiner Truhe besitzt, die Kartenhand
darf aber 10 Karten nicht übersteigen.
Und wo bleibt da die Zauberei?
Berechtigte Frage. Die Antwort liegt in den 37 Hexerei-Karten, die sich auch im
Stapel befinden. Damit kann man - Hokus Pokus! - alle Hexen gleichzeitig
angreifen, oder - Abrakadabra! - einen Angriff auf eine andere Hexe ablenken,
oder - Simsalabim! - eine Zaubertrank-Karte einfach so hervorzaubern, und
vieles mehr. Der Einsatz ist ein wenig eingeschränkt, lediglich eine
Hexerei-Karte darf pro Angriff bzw. Verteidigung verwendet werden. (Wir haben
allerdings in unseren Spielrunden den Einsatz gewisser Karten etwas genauer
spezifizieren müssen, um Streitereien und unterschiedliche Regelauslegungen zu
vermeiden). Diese Hexerei-Karten sind das Tüpfelchen auf dem I, denn erst durch
sie erfährt der "Hexenball" seine Überraschungsmoment.
Und irgendwann mal hat sich unsere
ganz Mühe dann gelohnt: Die Nachfolgerin der Hexenkönigin Karabossa steht fest.
Es ist diejenige Hexe, die als einzige noch Krötengören übrig hat. Die gute
halbe Stunde, die der Hexenball dauert, ist recht kurzweilig. Es werden keine
besonderen intellektuellen Fähigkeiten oder taktisches Geschick verlangt. Die
Devise lautet: Möglichst Karten schonen und gezielt einsetzen und vor allem
"immer feste druff" auf die anderen. Da hat "Hexenball"
einige auffallende Ähnlichkeiten mit dem Klassiker "Family Business",
auch hier kann es fatal sein, wenn man mal eine Schwäche zeigt. Kann ein
Spieler zum Beispiel gerade mal keine gelbe Karte abwehren, stürzen sich - Geiern
nicht ungleich - die anderen Spieler sofort auf das arme Opfer. Tja, das Leben
ist hart, aber wir Spieler sind ja solche ständigen Attacken, beinharte Duelle
und den knallharten Überlebenskampf "jeder gegen jeden" bereits
gewohnt.
Das Interessante an
"Hexenball" ist jedoch die Zielgruppe: Es erscheint nämlich im Verlag
"Tilsit Kids" und richtet sich an Kinder ab 7 Jahren. Zugegeben, von
der Grafik her passt's, auch vom einfachen Spielmechanismus, und die Tatsache,
dass es die
Hexerei-Karten in drei
Schwierigkeitsstufen gibt, macht das Spiel tatsächlich bereits für Erstklässler
spielbar. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Kinder diesen Alters den
Frustfaktor der gezielten Angriffe ("Warum
immer auf mich?") und des Ausscheidens verdauen. In unseren
Erwachsenenrunden hat sich "Hexenball" fast schon zu einem kleinen
Kultspiel entwickelt: Locker, lustig, glücksbetont und so richtig schön
gemein....