TOON

The Cartoon Roleplaying Game

 

Rollenspiel, aber anders

 

Fans von Rollenspielen aller Arten mögen mir verzeihen: Ich kann ihnen nur mäßiges Interesse entgegenbringen. Der Aufwand an Regeln und das Resultat stehen in keinem vernünftigen Verhältnis. Und auch an die Kreativität und die Phantasie der Spieler werden nur geringe Anforderungen gestellt. An die Logik noch viel geringere!

Ja,ja! Ich höre die Proteste. Und daher möchte ich diese Ansichten auch kurz begründen: Daß die Regeln umfangreich sind, wird niemand bestreiten. Sie stehen ja für die vorgebliche Realistik des Rollenspiels. Aber was kommt dabei heraus? Bei jedem Zug (in jeder Spielsituation) haben die Spieler - denn meistens agieren sie - mehr oder weniger gezwungen - als Gruppe) die Wahl zwischen einigen Möglichkeiten, deren Konsequenzen nicht vorherzusehen sind.

 

Welchen Weg nehmen? Einen Raum, eine Kiste durchsuchen? Zurückweichen oder kämpfen? In Wirklichkeit haben sie meist nicht einmal diese Wahl: denn um das Spielziel zu erreichen, müssen die mit Neugier verbundenen Risken und die Gefahren eines Kampfen auf sich genommen werden, müssen die Örtlichkeiten möglichst vollständig erforscht werden. (Und wenn die Spieler zu hartnäckig an einer Gefahr vorbeigehen, läßt sie der Gamemaster von sich aus über sie hereinbrechen). Als Grundlage für die Handlungen dienen die Beschreibungen des GM. Mit etwas Erfahrung wird man wissen, wie diese zu interpretieren sind bzw. welche Fragen man zu stellen hat, um vermeidbaren Überraschungen zu entgehen. Der Rest hängt vom Zufall ab: von einem (unnötig) komplizierten Würfelsystem (das angeblich die realistische Situation wiedergibt).Der Ausgang einer ausgedehnten Würfelorgie könnte allerdings mit einem einzigen Zufallsentscheid genauso gut bestimmt werden. Oder, um nicht ganz extrem zu sein, durch wesentlich weniger Würfe. Gibt es wirklich Spieler, die sich beim Würfeln als tolle Kämpfer vorkommen, die sich vor den Würfen des GM fürchten, weil sie die Angriffe gefährlicher Wesen darstellen?

Somit steckt in der aufwendigen Hülle eines Rollenspiels im Grunde nicht mehr als in rollenspielähnlichen Brettspielen (TALIMAN, WARLOCK, VERLIES), ja sogar kaum als in Spielen wie BARRIKADE und MENSCH ÄRGERE DICH NICHT. Und wenn ich bei weniger Aufwand das gleiche Spielvergnügen haben kann, dann ziehe ich das vor (Und noch mehr ziehe ich Spiele vor, bei denen die Würfel eine geringere Rolle spielen).

 

Auch die reichlich angebotenen Spiel-Module und ebenso die verschiedenen Spielsysteme bieten eigentlich keine Abwechslung - denn was sich ändert ist nur die Fassade. Übrigens die ursprüngliche Idee, nämlich daß der GM die Spiele kreativ selbst erfindet, scheint sich nicht durchgesetzt zu haben). Und auch die Erfahrung, die zu mächtigeren Rollen führt, ändert nichts. Denn damit das Spiel interessant bleibt, werden den erfahrenen Kämpfern auch stärkere Gegner entgegengestellt. Und so bleibt alles beim Alten.

 

Nun aber zu TOON. Denn TOON ist anders. Nicht viel. Aber an wesentlicher Stelle.

TOON ist ein Spiel, bei dem die Teilnehmer in die Rolle einer Comic-Figur schlüpfen. Wie es bei comics üblich ist, haben sie ein bestimmten Ziel vor Augen (welches, ist nicht von Bedeutung). Und sie versuchen unermüdlich, es zu erreichen. Kein Fehlschlag ist von Dauer. Aber auch kein Erfolg.

 

Wie bei anderen Rollenspielen, so verfügt auch hier jeder Spieler über gewisse Fähigkeiten, die mehr oder weniger ausgeprägt sind, angegeben durch Würfelwerte. Sie sind in fünf Gruppen (Attribute) zusammengefaßt:

MUSCLE (wie Kämpfen, Werfen usw.), ZIP (wie ein Fahrzeug lenken, schwimmen usw.), SMARTS (wie sich verstecken, Spuren lesen), CHUTZPE (wie Überredungskunst) SHTICKS (wie Gestalt ändern, unglaubliche Schnelligkeit usw). Und er besitzt verschiedene Dinge vom Seil bis zum Juckpulver.

Es ist hier natürlich nicht möglich, die Regeln von TOON zu beschreiben, obwohl sie kürzer sind als bei anderen Rollenspielen. Soviel muß genügen: Die Spieler geben der Reihe nach an, welche Handlung (zur Erreichung ihres Zieles oder auch nicht) sie beabsichtigen: sie kann gegen eine vom Spielleiter gelenkte Figur oder gegen einen Mitspieler gerichtet sein oder gegen niemand. Durch Würfeln (natürlich) gegen die entsprechende Fähigkeit wird bestimmt, ob sie gelingt. WIE dieses Würfeln ausgeht, ist dabei nicht von Belang. Wie bei Comics eben.

Und darin liegt der große Unterschied, der TOON auszeichnet.

Nicht, OB eine Aktion gelingt ist wichtig, sondern WIE sie gelingt, bzw. scheitert. Und hier wird die Kreativität und Phantasie der Spieler wirklich gefordert. Sie müssen nämlich originelle Ideen für ihre Handlungen entwickeln. Der Spielleiter muß geschickt = schlagfertig reagieren und der (Comic)-Logik entsprechende Abläufe erfinden. Die Spieler müssen ihrerseits wieder darauf reagieren.

Also noch einmal: nicht WAS geschieht, sondern WIE es geschieht, wie es "eingekleidet" wird, ist wichtig. Die Phantasie, Kreativität aller Spieler wird herausgefordert

Das heißt: ob das Spiel ein Erfolg wird, hängt von der Spielrunde ab. Die Regeln sind nur ein Katalysator für (hoffentlich gekonntes) Blödeln. Also ist TOON natürlich auch kein ROLLENSPIEL und nicht einmal ein Spiel im engeren Sinn. Aber wenn man die Idee mag - gute Unterhaltung.