LEMMING

 

 

Lemminge (lat. Microtinae) sind jene Nagetiere im Norden Europas, die vor allem durch ihre "selbstmörderischen Wanderungen" berühmt geworden sind. Ich erinnere mich noch genau daran, wie wir uns irn Naturgeschichteunterricht -

heute heißt das Biologieunterricht - über diese verrückten Tierchen und ihr tödliches Treiben amüsierten. Daß dabei aber ein Wettrennen stattfindet, bei dem es darum geht, möglichst langsam zu sein - der langsame Tod ist doch der Schönste?!? -, wußte unsere Lehrerin nicht.

 

Kein Wunder, gab es doch damals noch nicht das zweite Spiel der Firma Spielefreaks Ltd., für das der sympatische Besitzer Eamon Bloomfleld und Jamie Campbell verantwortlich zeichnen.

 

Als Rennbahn für den Lauf in den Tod wählten die beiden ein Stück Hochebene, die an drei Seiten durch ein unüberwindliches Hindernis begrenzt ist und an

der vierten abrupt ins Meer abfällt. Aus spieltechnischen Gründen ist die Ebene mit einem Sechsecksmuster überzogen, wobei jedes Feld durch eine Zahl zwischen 1 und 9 bzw. durch eine Kartenfarbe -Pik, Herz, Karo oder Kreuz - gekennzeichnet ist.

 

Zu Beginn des Spiels werden die 12 am Rennen teilnehmenden Lemminge auf die 2 bis 4 Spieler gleichmäßig verteilt. Des weiteren erhält jeder Bube, Dame und König eines gewöhnlichen Kartenspiels und zusätzlich drei Karten aus dem Stapel der verbleibenden Zahlenkarten, wobei das AS als 1 zählt. Nimmt man

von einem gewöhnlichen Kartenspiel zwei weitere Sätze von Bildkarten, so können sogar 6 Personen am Spiel teilnehmen.

Nach diesen Vorbereitungen kann es endlich losgehen. Jede Runde beginnt damit, daß die 12 Lemmingkarten, durch die jeder Lemming eindeutig identifiziert werden kann, gut gemischt und der Reihe nach aufgedeckt werden. Der jeweils so bestimmte Lemming führt dann seinen Zug aus.

 

Dieser besteht darin, daß der Lemming vier Felder nach vorne, also in Richtung des Wassers, zieht. Da es sich bei der Rennbahn aber um keinen seit Tausenden Jahren gepflegten englischen Rasen handelt, liegen dort immer wieder Dinge herum, die einen beim Erfüllen seiner genetischen Pflicht behindern und so zum Ausweichen zwingen. Im Spiel wird dies so symbolisiert, daß der jeweilige Spieler prüft, ob er eine Karte besitzt, die eines der Symbole - Zahl oder Farbe - jener vier Felder zeigt, die der Lemming in seinem Zug betreten

müßte. Ist dem so, so kann er eine solche ausspielen - sie wird sofort wieder ergänzt und damit dieses Feld blockieren. Der Lemming muß dann davor seinen Kurs um 60 Grad ändern. Dadurch hat man bereits eine (bescheidene) Möglichkeit, das Vorwärtskommen seiner Lemminge zu bremsen.

 

Die richtige Bedeutung des Blockierens erkennt man aber erst dann, wenn man

weißt, daß die Physik, genauer der Impulssatz, bei diesem Rennen eine wichtige Rolle spielt.

Gelangt nämlich der am Zug befindliche Lemming auf ein Feld, das einem besetzten Feld benachbart ist, so gibt er seine Bewegungsenergie an diesen Lemming weiter. Dieser rast nun sofort in der entsprechenden Richtung (und zwar in Richtung jener Seite die der gemeinsamen Seite der beiden Hexfelder gegenüberliegt) soviele Felder los, wie der ihn aktivierende Lemming bis zu diesem Zeitpunkt zurückgelegt hat, außer - ja außer er trifft dabei erneut auf einen Lemming und aktiviert nun diesen.

Die so entstehende Kettenreaktion endet erst dann, wenn ein Lemming seinen Zug ohne "Feindberühnung" beenden konnte. Dabei darf aber nur der Weg des ersten Lemmings blockiert werden, alle anderen müssen unbeeinflußt weiterlaufen

 

Durch diese Regel kommt nun eine Menge Interaktion ins Spiel und obwohl man meinen sollte, daß es keine Schwierigkeiten geben kann, eine solche Ketten-

reaktion vorauszuplanen, kommt es immer wieder vor - vor allem, wenn man sehr "schnell" spielt und nicht stundenlang auf jedem Zug herumbrütet -, daß man mit offenem Mund zusieht, wie sich Lemminge (meist vom Wasser weg) bewegen, die sich nach den genialen Berechnungen eigentlich gar nicht bewegen durften.

Aber dem ist noch nicht genug. So diszipliniert sich die Lemminge während jeder Runde verhalten, so sehr "flippen" sie am Ende einer solchen aus.

 

Hier wählt nun jeder Spieler eine Karte - Bildkarte, wenn er aktiv werden möchte, Zahlenkarte, wenn nicht. Haben mehrere Spieler dieselbe Bildkarte gewählt, so patten sie sich aus und nehmen die Karte wieder auf.

Alle anderen, die eine Bildkarte gespielt haben, beginnend mit jenem, der einen König wählte, dürfen nun einen beliebigen! Lemming bewegen, vorausgesetzt, sie besitzen eine Karte mit jenem Symbol, auf dem der Lemming gerade sitzt.

In diesem Fall schießt er, unbeeinflußt von irgendwelchen Blockaden, augenblicklich 4 Felder in Richtung Wasser vor. Trifft er dabei aber auf einen anderen Lemming, stoppt er und aktiviert nun diesen. Und erstaunlicherweise verliert in dieser Phase des Spiels sogar die Physik die Gültigkeit, denn dieser bewegt sich im Gegensatz zu oben wieder 4 Felder vorwärts, es sei denn, es kommt zu einer neuerlichen Berührung.

Auch hier endet das Ganze erst dann wenn es einem Lemming gelingt, seine 4 Felder unbeeinflußt zurückzulegen. Die traurige? Pflicht, jene Lemmingkarten auszusondern, die zu Tieren gehören, welche das kühle Naß bereits erreicht haben, beendet eine Runde.

Nun kann es im Laufe das Spiels aber natürlich passieren, daß die Karte eines Lemmings aufgedeckt wird, der bereits früher in dieser Runde das Ziel erreichte. Und auch jetzt beginnen die noch lebenden Lemminge zur Überraschung aller durchzudrehen. Wieder gehorchen sie jedem und man muß nun nicht einmal eine Bildkarte ausspielen, um einen beliebigen Lemming bewegen zu dürfen, einzig eine Karte mit dem Symbol, auf dem der Lemming gerade sitzt, ist dazu notwendig.

Wie bereits erwähnt, erhält man umso mehr Punkte, je später ein Lemming von

der Klippe springt. Gelingt es einem sogar, eigene Tiere solange zurückzuhalten, daß sie zum Schluß die einzigen Überlebenden sind, so gibt noch Bonuspunkte.

Sieger eines Rennens ist nun jenes Team, das die meisten Punkte erreichte.

Ein komplettes Spiel sollte nach Empfehlung der Autoren aber über mindestens 3

Rennen führen - selbstverständlich nicht mit denselben Lemmingen, das wäre ja

Tierquälerei -, wobei die Punkte der einzelnen Rennen addiert werden.

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Soweit also der Spielverlauf, der so ziemlich alles enthält. was ein gutes Spiel ausmacht - jede Menge Taktik, etwas Glück bei der Kartenverteilung und eine Riesenportion Interaktion.

 

Doch wie fast alle Dinge hat auch Lemming zwei Seiten, womit wir beim Spielmaterial wären. Was soll ich sagen? Die Schachtel ist aus so dünnen Material, daß man daß Gefühl hat, sie würde bereits beim bloßen Ansehen kaputt gehen. Die Graphik des sehr stabilen Spielplans ist einfach scheußlich und bei den Lemmingkarten sind - zumindest bei meiner Version - einige Zahlen wegen eines Fehldrucks einfach überklebt. Einzig die Standardspielkarten sind von sehr guter Qualität.

 

Aber dies sind, verglichen mit dem Spielwert, nur kleine Nebensächlichkeiten, durch die man sich auf keinen Fall von einer Partie abhalten lassen sollte.

 

WlN-Wertunn:

Lemming: SSS UU A 2-4(6) m

PS. Noch ein kurzer Hinweis für Sammler. Im Gegensatz zu Family Business, dem ersten Spiel der Spielfreaks LTd, sind die Kopien von Lemming nicht numeriert, zumindest mein Exemplar nicht, obwohl dafür ein Platz vorgesehen ist. Ob diesmal die Auflage nicht, wie beim ersten Spiel, mit 1000 Stück limitiert ist, oder ob darauf wegen der Probleme, mit denen Eamon zur Zeit zu kämpfen hat, verzichtet wurde, habe ich ihn in Essen zu fragen vergessen.