ACHTUNG LEHRER!

 

Vorsicht Lehrer!

Autor unbekannt

2-6 Spieler

1985?, Schmidt

 

Vorsicht Lehrer!

Autor unbekannt

4-7 Spieler

1989, Schmidt

 

Als ich kürzlich bei dem bekannten Spielekritiker T. (Name gekürzt) eine rote Schachtel mit der Aufschritt ''Vorsicht Leh-

rer!" entdeckte, dachte ich resignierend: "Jetzt haben sie sogar das alte Taschenspiel, das einige Zeit von der Bildfläche verschunden war, in einer Mogelpackung reaktiviert!". Aber: ''Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt", sagte bereits Wilhelm Busch. In der von Peter Schmitt vorgeschlagenen Deklarationsform würde das heißen: Titel 1.0, Spielregeln 2.0, Spielkarten 1.8, restliches Spielmaterial 2.0, Thematik 1.1. Für die weniger Methodischen folgt nun eine Übersicht über beide Spiele.

 

Version 1.0 (das Taschenspiel) besteht aus einem Spielplan, der einfach eine Zählleiste von O bis 200 ist, auf der einige Felder besonders gekennzeichnet sind, weiters drei Würfeln, zwei Halmakegeln (Zähisteine für Geduldsfadenlänge und Reißfaktor), sechs Chips (Zähisteine für das Sündenregister der Schüler), sowie einem Paket Schüler- und einem Paket Lehrerkarten. Die Spielregel ist ziemlich unklar formuliert, Doppelerwähnungen von Kleinigkeiten lassen viel Wichtiges nahezu verschwinden.

Die Schülerkarten zeigen verschiedene Untaten, die die Schüler während der Stunde begehen können, als da wären: flüstern, Comics lesen, Papierkugeln werfen, Fratzen schneiden, schwindeln, so wie Spickzettel (für Germanophobe:

Schummler) weitergeben (hier wird unterschieden, ob man den Zettel nach links oder rechts weitergibt). Auf den Schülerkarten stehen drei Zahlen: Ein Wert, um den der Geduldsfaden das Lehrers gedehnt wird, zB flüstern - acht Punkte. Daneben steht der Wert, um den das Sündenregister des Schülers erhöht wird (zB bei Fratzen schneiden vier Punkte) und

ein Wert für den Risikowurf, um der Bestrafung zu entgehen (bei Comics lesen 9+ auf 3w6).

Die Lehrerkarten (An die Tafel, Augen im Hinterkopf, Lernperiode, Leseübung, Test und Unaufmerksamer Lehrer). Sie zeigen ebenfalls drei Zahlenwerte: Einen für den Geduldsfaden, einen für Sündenregister und einen Wert für den Risikowurf.

 

Jeder Spieler ist ein Schüler, der nach Beendigung der Stunde als Klassenbravster dastehen sollte. Doch bekanntlich ist der Geist zwar willig, aber das Fleisch schwach. Daher hat jeder Schüler fünf Schandtaten (Karten) in petto. Der Geduldsfadenreißfaktormarkierungsstein wird auf 25 Punkte gesetzt. Ist man an der Reihe, spielt man eine seiner Karten aus, setzt den Geduldsfadenzähler um die entsprechende Punktezahl weiter und kassiert die angegebenen Strafpunkte. Will man keine Strafpunkte, so kann man sich am Risikowurf versuchen: würfelt man mit drei Würfeln die angegebene Zahl oder mehr, so wird einem die Strafe erlassen. Würfelt man jedoch darunter, so kassiert man doppelt soviel "Schmalz". Überschreitet der Geduldsfaden des Lehrers 20, 40, 60 etc. Punkte, so zieht der an der Reihe befindliche Spieler die oberste Lehrerkarte vom Stapel, setzt den Geduldsfaden weiter, und jeder Spieler kassiert die angegebenen Strafpunkte (wer will, darf den Risikowurf machen). Wird eine mit * gekennzeichnete Lehrerkarte gezogen, so reißt der Geduldsfaden des Lehrers, falls ein Spieler bereits mehr Schlechtpunkte gesammelt hat, als der Reißfaktor erlaubt und das Spiel ist zu Ende. Ist dies nicht der Fall, so wird der Reißfaktor um fünf Punkte erhöht (maximal 50) und das Spiel geht weiter. Ist das Spiel zu Ende, werden die Sündenregister der Schüler verglichen; der Spieler mit den wenigsten Schlechtpunkten gewinnt.

 

Version 2.0 ist, wie bereits angedeutet grundlegend anders. Hatte sich bei 1.0 die Spielregel noch eines internationalen Tones befleißigt, so wird der p.t. Interessent nun mit Ausdrücken überschwemmt die normalerweise nur nördlich des Weißwurstäquators vorkommen: "So, und jetzt schellt die Schulglocke entsetzlich laut der Pauker tritt zur Tür herein und knallt seine Aktentasche...~' - ''Wird der Lehrer fies und will einen mit schlechten Noten kleinarbeiten...' - ''... mehr Kohle abziehen, als er mit seinem lumpigen Lehrergehalt...~'etc.

Hat man das einmal verdaut, so kann man zur Analyse des Spielmateriales schreiten: Ein Spielplan, der ein Klassenzimmer zeigt, sechs Schülerfiguren, eine Lehrerfigur, nur mehr einen Würfel, ein ''Klassenbuch" (Notizblock), um die Schlechtpunkte der Schüler zu notieren und leicht modifizierte Schüler- und Lehrerkarten (sie zeigen nur mehr Strafpunkte, der Geduldsfaden und der Rettungswurf sind abgeschafft).

Hier ist der Lehrer keine Nichtspielerfigur, sondern reihum ist jeder Spieler einmal der Lehrer, es werden also so viele Durchgänge gespielt, wie Spieler teilnehmen. Jeder Schüler hält vier Schülerkarten, der Lehrer ebensoviele Lehrerkarten in der Hand. Die Schüler legen nun verdeckt eine ihrer Karten ab (sofort ergänzen), die einen Streich zeigt, den sie dem Lehrer jetzt spielen wollen. Die Streiche rangieren von "massenhaft lernen" (0 Schlechtpunkte) bis "abgucken" (5 Eintragungen ins Klassenbuch). Haben alle Spieler ihre Schandtat begangen, so spielt der Lehrer nun eine seiner Aktionskarten aus, z.B. "Augen im Hinterkopf haben" (alle Spieler müssen ihre Karte aufdecken und kassieren dafür die Schlechtpunkte), Test! (die Karten bleiben auf dem Tisch liegen, dafür überprüft der Lehrer alle Karten, die die Spieler in der Hand haben und wählt je eine davon für Eintragungen aus), laut vorlesen (der Lehrer bewegt sich mittels Würfel durchs Klassenzimmer und guckt einem Schüler über die Schulter, was dieser so treibt - dieser muß seine Karte aufdecken, die anderen Übeltäter sind noch einmal davongekommen und dürfen die abgelegten Karten ohne Wirkung abwerfen), etc. Es gibt aber auch spezielle Schülerkarten, wie z.B. "Streber der Klasse" (bessert kleine Vergehen aus). Hat der Lehrer nur mehr "Stunde zuende"-Karten, so ist ein Durchgang vorüber, und der nächste Spieler wird Lehrer. War jeder Spieler einmal Lehrer, so ist die Partie aus und der Spieler mit den wenigsten Schlechtpunkten gewinnt.

 

Vergleicht man beide Spiele, so stellt man fest, daß sie nicht zu vergleichen sind. 1.0 ist ein sehr simples Spiel, das leichte Parallelen zu Escalero-Poker aufweist, aber lange nicht so dynamisch ist. Ein Bekannter von mir hat es als unspielbar bezeichnet - dem möchte ich entgegentreten: Das Spiel ist zwar nicht unspielbar, auch nicht wirklich schlecht, sondern einfach hochgradig uninteressant.

2.0 hingegen ist flott zu spielen, unterhaltsam und auch optisch ansprechend. Einen großen Fehler hat jedoch diese Version: Sie ist nicht ausgewogen. Derjenige Spieler, der die Rolle des Lehrers zuletzt verkörpert, hat einen immensen Vorteil: Er kann die Spieler gezielt belästigen ("Aha - der hat weniger Schlechtpunkte als ich - auf ihn' - 'Den brauche ich nicht mehr zuzupflastern, er ist jetzt schon schlechter als ich"). Das ist ein Manko, das man nur schwer tolerieren kann. Ansonsten hat die Version 2.0 alle Punkte auf ihrer Seite.

WlN-Wertung:

Vorsicht Lehrer 1 WWW 4-6 (2-6) m

* Vorsicht Lehrer 2 WW I M DD PP A 7 (4-7) m