SPIEL DER TÜRME

 

SPIEL DER TÜRME

von Rudi Hoffmann

für 2-4 Spieler ab 12 Jahren

Schmidt, Bestseller-Autoren-Spiele, 1993

 

Wer kennt ihn nicht, Rudi Hoffmann, den Altmeister des deutschen Spieles. Bereits in den 70er-Jahren veröffentlichte er entzückende Spiele bei Pelikan, wie MINISTER, OGALLALA, SCHÜTZENFEST, oder HAMSTERN bei Spear. Diese Spiele weisen einen erstaunlich hohen Spielwert auf. Noch dazu, wenn man bedenkt, dass damals Mensch-ärgere-Dich-nicht, Fang-den-Hut, Gõnse- und Leiternspiele das herrschende Brettspielniveau wiederspiegelten. Lediglich DKT bzw. Monopoly hoben sich wohltuend aus der Masse der leichten Kost.

 

Zwischenzeitlich musste Rudi Hofmann leider aus beruflichen und krankheitsbedingten Gründen pausieren, und wurde erst in den späten 80er-Jahren wiederentdeckt. Sofort kamen seine neuen Spiele MAESTRO (Hans-im-Glück) und HEUCHEL UND MEUCHEL (Franckh Kosmos) auf die Auswahlliste zum Spiel des Jahres. Sein CAFE INTERNATIONAL von Mattel wurde sogar zum Spiel des Jahres gekürt. Weitere seiner älteren Titel wurden von anderen Verlagen neu auf den Markt gebracht, wie z.B. OGALLALA, eines seiner erfolgreichsten Spiele, das von ASS veröffentlicht wurde.

 

Doch nun - endlich - zum jüngsten Spiel aus der Feder des Meisters der Legespiele: SPIEL DER TÜRME. Lasst Euch nicht vom Titel irritieren. Ja, man baut Türme, schon allein, um nicht vom Gegner überbaut zu werden, aber letztendlich gewinnt wer bei Spielende seine Steine oder auch seine Türme so auf die Symbolfelder der Bauplätze manövriert hat, dass er bei der Abrechnung die meisten Punkte erzielt.

 

Das Spielbrett symbolisiert eine "mittelalterliche" (?) Stadt mit geraden Straßen und rechteckigen Bauplätzen. Es besteht aus 8 x 14 Feldern, mit 1 Feld breiten Straßen und insgesamt 8 unbebauten Stadtvierteln. Jeder Bauplatz besteht aus 4 Feldern, wobei jedes ein anderes Symbol zeigt. Die 80 Spielsteine stellen das Baumaterial dar, und zeigen dieselben 4 Symbole je 5 x pro Farbe. Sie werden zu Beginn des Spieles verdeckt gemischt und der Reihe nach auf die leeren Straßenfelder rund um die Bauplätze verteilt. Jeder Spieler wählt eine Farbe, und es geht los.

 

Reihum muss nun jeder Spieler einen Stein seiner Farbe geradlinig waagrecht oder senkrecht weiterziehen. Steine der eigenen Farbe und leere Felder können problemlos übersprungen werden. Gegnerische Steine stellen ein Hindernis dar. Man darf nicht über sie hinwegziehen. Zeigt ein gegnerischer Stein aber dasselbe Symbol wie der gerade bewegte Stein, darf er besetzt werden. Ein solcher Turm gehört dem Spieler, dessen Farbe obenauf liegt. Er wird wie ein normaler Stein behandelt, darf aber maximal 5 Steine hoch werden und niemals aufgelöst werden. Ein 5 Steine hoher Turm ist also sicher und sollte so schnell wie möglich auf ein Baufeld mit gleichem Symbol gezogen werden! Das ist ein Tipp, keine Regel. Denn, ist nur einer der Baugründe komplett belegt - egal ob die Türme 1 oder 5 Steine hoch sind - ist das Spiel sofort beendet, und es erfolgt die Wertung. Auf die Baufelder darf man nur mit einem Stein/Turm desselben Symbols hinziehen. Danach Wegziehen ist verboten. Für jedes Mal Hineinziehen bekommt man einen Zusatzzug. Es kommt also durchaus zu Kettenreaktionen. Es kann aber durch die Turmbildung auch passieren, dass man sämtliche Steine eines Symbols blockiert hat - schlecht beim Bauplatz erobern! Bei der Wertung zählen alle Steine auf Baufeldern 1 Punkt, die Steine eines Turmes komplett für den Spieler des obersten Steines. Die Punkte auf dem einzigen kompletten Bauplatz zählen sogar doppelt. Es bleibt also jedem überlassen, ob und wann er das Spiel beendet.

 

So kurz, so gut. Die Spielregel ist komplett und übersichtlich geschrieben, keine Frage bleibt offen, das Spielmaterial ist hübsch anzusehen und das Spielvergnügen... Stellt Euch einmal vor, 4 Steine verschiedener Farben, aber gleichen Symbols liegen gegenseitig erreichbar (z.T. auch über mehrere gleichfarbige andere Symbole) beieinander. Soll ich jetzt lieber den Blauen abdecken, dann liege ich in Reichweite des Roten, dort decke ich aber das Feld von gegenüber des Bauplatzes. Vorsicht, der Grüne bereitet alles vor, in der nächsten Runde einen Bauplatz zu schließen! Ich werde doch lieber soviel wie möglich in die Bauplätze hineinfahren, selbst wenn dann einige meiner Steine noch überdeckt werden.

 

Da die Startaufstellung jedes mal verschieden ist, entwickelt sich jedes Spiel anders. Sind die Steine gleichmäßig verteilt, werden mehr Türme gebaut, bis die Bauplätze gestürmt werden. Hat jedoch einer oder mehrere Spieler eine Anhäufung von Steinen auf dem Spielplan, egal ob von Anfang an oder erst im Laufe des Spieles, wird es gefährlich. Denn hineingezogen ist schnell, und durch die Zusatzzüge kann sich blitzartig allerhand tun. Da ist es sehr wichtig, die Gesamtheit der Spielsteine und deren Zugmöglichkeiten ständig im Auge zu behalten. Zeigt mir denjenigen, der alle 112 Felder so überwacht, dass er jeden Gegner voll unter Kontrolle hat. Spielt man lieber wie ich intuitiv und impulsiv, mit einem flüchtigen Blick zur Erfassung der Gesamtlage, verliert man sicher die ersten Spiele, bis man nach dem berühmten Aha!-Erlebnis vor dem Zug einmal genauer hinschaut. Ausgesprochene Tüftler benötigen dafür mindestens 30 Minuten, wenn sie für jeden Stein alle Möglichkeiten bis in die 6. oder 8. Generation hinauf ausrechnen. Doch da habe ich jetzt übertrieben, ich weiß. Es kommt darauf an, vom allgemeinen Lauern und Taktieren im Gefahrenfall sofort umzuschwenken und aktiv zu werden. Ein Spiel für Katzen!

 

Ich kann nur feststellen, dass mir das Spiel sehr gut gefällt und dass ich es jedem Spieler, nicht nur ausgesprochenen Rudi-Hofmann-Fans, wärmstens ans Herz legen möchte. Noch dazu, da SPIEL DER TÜRME eines seiner besten Taktik-Legespiele sein dürfte! Die Jury zum Spiel des Jahres hat das auch honoriert, indem auch dieses Spiel heuer auf die Auswahlliste gewählt wurde. Die Ausstattung ist, wie gesagt, wunderschön anzusehen, und dass die Schachtel viel Luft enthält - naja, ist bei einer Schmidt-Standardschachtel nicht anders möglich.

 

Lasst Euch auch bitte nicht davon beeindrucken, dass es durch die zufällige Startaufstellung der Steine immer wieder passiert, dass einer der Spieler innerhalb der ersten 3-4 Runden das Spiel gewinnt, ohne dass die anderen dagegen etwas tun können. Die Veranstalter der Essener Meisterschaft 1993 haben dem auch Rechnung getragen, indem sie verbieten, innerhalb der ersten Runden das Spiel zu beenden. Vielleicht könnte dieser gute Vorschlag auch einmal in die normale Spielregel von Schmidt einfließen? Dann wäre das Spiel perfekt!

Egal, die Stimmung passt, der Spielspaß passt, worauf wartet Ihr noch?

 

WIN-Wertung

* SPIEL DER TÜRME W SSS III M UUU AAA 2-4 (4)