Kohle, Kies
& Knete
Kohle, Kies
& Knete
von Sid
Sackson
für 3-6
Spieler ab 12 Jahren
Schmidt
Spiele, 1994, Bestseller-Autoren-Edition
Nun sitze
ich bereits 15 Minuten vor dem Computer und weiß nicht, wie ich anfangen soll.
Ich könnte vielleicht damit beginnen, dass das heutige Spiel aus der Werkstatt
von Sid Sackson stammt, also ein Pflichttermin für jeden Spieler ist, aber das
habe ich schon so oft geschrieben. Natürlich wäre auch der Hinweis möglich,
dass es sich um eines der Verhandlungsspiele handelt, die in diesem Jahr
Hochkonjunktur zu haben scheinen, was anschließend die Möglichkeit böte, eine
philosophische Abhandlung darüber anzuschließen, ob gewisse Themen bzw. Mechanismen
in der Spieleluft liegen können. Ich könnte aber auch ganz einfach mit der
Warnung beginnen - von Übermegaspitzenspiel bis zu absolut fades Scheißspiel
wäre alles drinnen, je nachdem wie ich die Sache angehe.
Nachdem ich
nun den Einstieg geschafft habe, kann ich wohl mit der Besprechung beginnen.
Wie schon gesagt handelt es sich um ein Sid Sackson Spiel und zwar, wenn man
dem Schmidt-Spieleinfo Glauben schenkt, um ein turbulentes Verhandlungsspiel.
Der Kenner wird nun wohl zum ersten Mal etwas nachdenklich, denn Sid Sackson
steht ohne Zweifel für eine ganze Menge, aber Interaktion und solche muss in
einem turbulenten Verhandlungsspiel ja doch wohl reichlich vorhanden sein, also
Interaktion ist kein sehr intensiv verwendetes Element in seinen Spielen. Doch
sei's drum, lassen wir uns überraschen.
Ein wenig
mehr Einblick gewährt die Einleitung zur Spielregel, wo von einem turbulenten
Wechselspiel, bei dem immer alle Spieler mitmischen, die Rede ist. Also keine Spielreihenfolge,
das absolute Chaos, Anarchie am Spieletisch! Man wird nachdenklicher.
"Schuster, eh Sid Sackson, bleib bei deinen Leisten", schießts' mir
durch den Kopf: Doch Zweifel hin, Zweifel her, ran an die Regel. Da gibt es
also sechs Investoren, denen es nur um das Eine geht - der Titel lässt es uns
in so herrlich scheußlichem Deutsch wissen: "Kohle, Kies &
Knete", also Mäuse, Kröten, Piepen, Zaster, Pinke Pinke ...
Die kleinen
Scheinchen, wir sprechen hier natürlich nur von Millionenbeträgen in Dollar,
erhält man durch erfolgreiches Abschließen eines von 16 Deals, die durch
entsprechend viele Felder auf dem Spielplan darstellt werden. Worum es bei
diesen Deals geht, ist nicht weiter wichtig, wohl aber, um wie viel es geht und
welche Investoren zum Abschluss notwendig sind. Je nach Deal können das
zwischen zwei und fünf sein. Aber es ist wohl nicht so sehr die Person selbst,
die zählt, nein, der Name macht die Musik, denn für die Investoren dürfen auch
Mitglieder ihrer (man beachte die Kleinschreibung) Familien einspringen.
Nehmen wir
also an, dass etwa die Familien Knetowitz, Liebgeld und Talerfeld für das
Zustandekommen eines 16 Millionen Dollar Deals notwendig sind. Die
Investorkarte Liebgeld besitzen Sie selbst und ein Blick in Ihre Einflusskarten,
von denen jeder zu Beginn fünf erhält, zeigt, dass Sie auch über ein Mitglied
der Knetowitz verfügen. Sie legen es vor sich ab und warten nun auf Angebote
der Mitspieler. Und die lassen nicht lange auf sich warten: "5 Millionen
und mein Knetowitz ist dabei," "He, du hast wohl nicht aufgepasst,
den habe ich doch selbst!" "10 Millionen für meinen Talerfeld!?"
"Okay, gemacht - na, das ging ja leicht!" "Moment noch, dein
Knetowitz ist leider auf Reisen!" Was? Da spielt der Kerl doch tatsächlich
eine Auf-Reisen-Einflusskarte auf meinen Knetowitz, aber das ist kein Problem,
denn mit meiner Stopp-Karte wehre ich den Angriff ab. Doch da kommt schon die
nächste Reise und damit muss ich passen und mein Knetowitz wandert auf den
Ablagestapel. "Nun, wie wäre es jetzt mit meinem Knetowitz? Aber nun
möchte ich natürlich auch 7 Millionen dafür!" "Na, und was bleibt
dann mir?" Also neu verhandeln. "Mir reichts", meldet sich
plötzlich einer zu Wort, der bisher nur still zugeschaut hat, "von jetzt
an bin ich der Boss" und spielt eine entsprechende Karte aus. "Ab nun
ist das ganze mein Deal, ihr verhandelt jetzt mit mir!" ..
Sie sehen
an diesem kleinen Beispiel, wie in etwa das Ganze abläuft. Viel mehr
Einflusskarten gibt es auch gar nicht. neben den beliebten Auf-Reise und den
Boss-Karten findet man noch Abwerbungskarten, die nur im Dreierpaket
ausgespielt werden und mit denen man fremde Investoren übernehmen kann, so dass
man durchaus auch mit mehr als einer Investorkarte gleichzeitig spielt. All
diese Störversuche können durch eine Abgelehnt-Karte verhindert werden, wobei
völlig egal ist, von wem sie gespielt wird.
Kommt der
Deal nicht zustande, weil sich die geforderten Investoren nicht einfinden, ist
der nächste Spieler dran, der entweder drei neue Einflusskarten ausfassen kann
oder sich auch an einem Deal versucht. War man aber erfolgreich, dann geht's
ans kassieren, wobei finanzielle Absprachen nun eingelöst werden müssen. Das
Spielende ist übrigens variabel gestaltet, denn ab den zehnten Deal wird auf
das Ende gewürfelt, wobei die Wahrscheinlichkeit dafür von Deal zu Deal steigt.
Nicht unbedingt neu der Mechanismus, aber durchaus wirksam.
Eine
Wertung für dieses Spiel, wie übrigens für alle Verhandlungsspiele dieses
Jahres abzugeben, ist gar nicht so einfach, denn selten noch war ich einerseits
von einem Spiel so überzeugt und davon so begeistert, andererseits aber
unfähig, eine Kaufempfehlung auszusprechen. Wie bei kaum einem anderen Spiel
muss man hier die Mitspieler berücksichtigen. Ich habe Partien gespielt, in denen
der ganz normale Wahnsinn regierte, die so fetzig waren, dass wir uns am Ende
überhaupt nicht darum kümmerten, wer denn nun gewonnen hat, sondern gleich die
Karten für die nächste Partie austeilten. Ich habe aber auch Partien erlebt,
mit durchaus ernstzunehmenden Spielern, die so in die Hose gingen, dass ich
mich fragte, ob wir denn wirklich dasselbe Spiel gespielt hatten. Das hängt
natürlich stark damit zusammen, da0 sich der eine oder andere mit einer
bestimmten Spielmechanik einfach nicht zurechtfindet. Wenn man das weiß, wird
man entsprechend reagieren und das Spiel eben nicht auf den Tisch bringen.
Aber es
gibt noch ein tieferliegendes Problem, das sich meist erst im Moment des
Spielens offenbart, dann aber das Ganze zum Kippen bringen kann. Plötzlich
brechen Gräben auf, kommen Feindseligkeiten zu Tage, spielen Sympathie und
Antipathie eine Rolle, als ging es um's eigene Überleben. Da wird ein
Mitspieler konsequent ignoriert, seine Dumpingangebote werden einfach überhört
und man lässt einen Deal lieber platzen als durch den erfolgreichen Abschluss
dem anderen auch nur einen Groschen zu gönnen. Da ist man plötzlich auf seinen
Partner beleidigt, weil er das Angebot eines anderen dem eigenen vorgezogen
hat. Da wird Solidarität eingemahnt, da wird mit allen möglichen Drohungen und
Untergriffen gearbeitet, da wird Autorität für den eigenen Vorteil missbraucht.
Solange das alles nur Theater ist und der spielerischen Atmosphäre dient - und
ohne Zweifel leben gerade diese Spiele von solchen "Wortspielereien"
- ist das nur zu begrüßen, doch zeigt meine Erfahrung - und ich muss mich hier
leider mit einschließen -, dass daraus nur allzu schnell bitterer Ernst wird,
der sich dann über viele Spieleabende weitervererbt. Das kann wohl nicht der
Sinn eines Spieles sein.
Da diese
Quadratur des Kreises also jeder für sich selbst lösen muss - man sollte einen
Versuch aber auf alle Fälle wagen, wenn man die Gelegenheit dazu hat - möchte
ich mich auf leichteres Terrain zurückziehen. Der Titel des Spieles ist, wie
ich schon eingangs erwähnte, einfach scheußlich, und auch das Schachtelcover,
na ja , mein Geschmack ist es sicher nicht. Apropos Schachtel, man traut es
sich schon fast nicht mehr zu sagen, aber was man da an Luft zu kaufen kriegt,
ist schon eine Unverschämtheit. Irgendwie hat man das ungute Gefühl, das hier
ein Kartenspiel mit weiterem Material aufgebläht wurde, um es in eine noch
immer hoffnungslos überdimensionierte Spieleschachtel hineinstecken zu können.
Und wenn man den Artikel von Knut Michael Wolf in der letzten Spielbox liest,
wird man darin bestätigt, denn der Originalentwurf soll ein Kartenspiel gewesen
sein. Leider sind aber gerade die Karten nicht von bester Qualität, heuer zwar
abgerundet, aber aus so dünnem Karton, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis
sie kaputtgehen.
Irgendwie
habe ich nun aber das Gefühl, allzu negativ geworden zu sein und damit einen
falschen Eindruck zu erwecken. Für mich ist KK&K nach wie vor ein
Spitzenspiel, trotz der oben beschriebenen Mängel. Es ist im Vergleich mit den
anderen Verhandlungsspielen (Rette sich wer kann, Capone, Intrige) wohl das
harmloseste und daher finde ich es auch durchaus als gerechtfertigt und
vertretbar, dass es auf die Nominierungsliste zum Spiel des Jahres gesetzt
wurde. Ob es aber für die letzte "Weihe" reicht, brauche ich zum
Glück (heuer noch) nicht mitzuentscheiden.
WIN-Wertung:
** Kohle,
Kies & Knete III UU A