DIAMANT – „Expedition der Zocker“

 

Der brillante Höhlen-Bluff

 

Hinter dem Titel „Diamant“ verbirgt sich ein lupenreines Zocker- und Bluffspiel. Strategie und Taktik sind ebenso wenig gefragt wie Merkvermögen oder Wissen. Auch Alter und Erfahrung der Spielerinnen haben keinen Einfluss auf den Spielausgang. Einzig die Zahl der Abenteurer/Spielerinnen belebt und beeinflusst das Treiben in den fünf Höhlen, die eine nach der anderen erforscht werden. Gefahren wie Schlangen, Skorpione, Erdrutsche und dergleichen lauern bei jeder Biegung, und so gilt es, rechtzeitig mit möglichst reicher Beute an Diamanten ins rettende Camp zurück zu kehren. Wer am Ende die größte Menge an Klunker angehäuft hat, darf sich zum Sieg gratulieren lassen.

Abenteuer und Bluff sind also die beiden entscheidenden Ingredienzien dieses Spiels. Kann dies überhaupt sinnvoll zusammen passen? Um die Beantwortung dieser Frage mit der nötigen Objektivität zu untermauern, muss zunächst der volle Spielablauf erklärt werden. Von einem kleinen Spielplan, der das Camp einer Abenteurergruppe darstellt, führen fünf (zunächst blockierte) Höhleneingänge in unbekanntes Terrain. Jede Spielerin erhält eine farbige Abenteurerfigur und ein dazu passendes Schatzkästchen, in dem im Laufe des Spiels die Sieg bringenden Diamanten gehortet werden. Rote und weiße Edelsteine (fünffacher Wert) liegen neben dem Spielplan bereit. Ende der Vorbereitung – rein ins Abenteuer. Durch einzelnes Aufdecken von (theoretisch) bis zu dreißig Höhlenkarten entstehen in insgesamt fünf Expeditionen immer längere, aber dabei auch immer gefährlichere Gänge, die den Abenteurern Diamantfunde bringen. Fünfzehn der Höhlenkarten zeigen Lagerstätten von 1 bis 17 Diamanten, die übrigen fünfzehn dagegen drohen durch fünf unterschiedliche Gefahren (Schlange, Skorpion, Erdrutsch, Gaswolke und Explosion) mit einem abrupten Ende der Expedition.

Wie dringt man nun ein in die unsichere Höhlenwelt? Ganz einfach, indem eine Höhlenkarte aufgedeckt und an den jeweiligen Eingang angelegt wird. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: (1) Ist es eine Diamant-Karte, so werden die Abenteurer durch gleichmäßige Verteilung der Ausbeute belohnt. Die Zahl auf der Karte gibt an, wie viele Diamanten gefunden werden. Dringen etwa fünf Abenteurer in eine Höhle mit 13 Diamanten, so bekommt jeder zwei Edelsteine, die restlichen drei Diamanten, die ja nicht „gerecht“ teilbar sind, werden auf der Karte abgelegt. Diamantfunde dürfen allerdings noch nicht direkt ins Schatzkästchen wandern, sondern müssen zunächst daneben angehäuft werden. (2) Kommt beim Aufdecken eine Gefahrenkarte zum Vorschein, so geschieht beim ersten Mal noch gar nichts, außer der psychologischen Wirkung auf die Abenteurer. Sobald nämlich eine der Gefahrenkarten ein zweites Mal erscheint, endet der Höhlenzauber unmittelbar. Alle bis dahin in dieser Höhle gesammelten Diamanten sind verloren. Wo bleibt hier die Bluffkomponente, werden Sie nun fragen? Nun, eine Möglichkeit der zeitgerechten Absicherung Ihrer Schätze gibt es doch. Nach jedem Kartenaufschlagen haben alle Spielerinnen die Chance, einen ungefährdeten Rückzug ins Camp anzutreten. Dies geschieht durch eine geheime Entscheidung. Als Indikator gilt eine kleine Abenteuerfigur, die in die Faust genommen werden kann. Die Betonung liegt auf dem letzten Wörtchen. Gleichzeitig öffnen alle Explorer ihre Fäuste. Zeigt sich dabei die eine oder andere Figur, wandern die bis dahin gefundenen Diamanten dieser Spielerinnen in ihre Schatzkästchen. Dort bleiben sie bis zur Abrechnung am Ende der fünf Höhlenbesuche. Auf dem Rückweg stecken die betreffenden Abenteurer zudem auch noch die liegen gelassenen Diamanten ein, wieder nach dem Prinzip der gerechten Aufteilung. Das heißt zum Beispiel, dass drei heimkehrende Abenteurer bei sieben Diamanten jeweils zwei erhalten würden. Ein Diamant bliebe für die nächste Rückkehrergruppe übrig. Manchmal kann dieses Aussteigen zu einer gewichtigen Ausbeute führen, vor allem dann, wenn nur ein Abenteurer den frühen Rückzug antritt. Spielerinnen mit leeren Fäusten dagegen riskieren unbeirrt ein weiteres Eindringen in die immer gefährlicheren Gefilde. Dies geht so lange, bis entweder zwei gleiche Gefahren auftauchen, oder alle Spielerinnen im Camp versammelt sind. Danach wird die nächste Höhle erforscht. Die Höhlenkarten werden neu gemischt, allerdings erst nachdem die zuletzt aufgeschlagene Gefahrenkarte entfernt wurde. Damit verringern sich sukzessive die Gefahren, was theoretisch bei der nächsten Höhle die Explorationsbereitschaft der Forscher steigert. Nach spätestens fünf „Tagen“ (Runden) endet die Jagd nach den Schätzen.

Zurück zur Frage, ob es mit „Diamant“ gelungen ist, Abenteuer und Bluff miteinander zu verbinden. Denn dies ist wohl die Kernfrage einer angemessenen Kritik. Die Höhlenkarten haben schon auf Grund ihrer charaktervollen Graphik, garniert durch fast bizarr wirkende Symbole, wie etwa ein „Mensch ärgere dich nicht“ Brett oder ein Comicheft, ein durchaus abenteuerlich angehauchtes Flair. Das Element des Bluffens allerdings ist nur rudimentär ausgeprägt. Ob Sie nun den Weg zurück ins sichere Camp antreten oder eben eine weitere Höhlenkarte abwarten, hängt ursächlich mit der Zahl der liegen gebliebenen Diamanten zusammen. Sind viele zu holen, fallen die Entscheidungen der Abenteurer meist sehr uniform aus. Hier wird sozusagen das Prinzip Stein-Schere-Papier in erstaunlich regelmäßiger Weise auf ein prognostizierbares Ergebnis hin gestylt. Ob dabei noch von echtem Bluff gesprochen werden darf, bleibt zu bezweifeln. Genau dies ist auch die Bruchstelle bei diesem Spiel. Denn in manchen Partien verflacht der Spannungsbogen sehr bald, da eben alle gleichzeitig aussteigen, und dabei aus der einen oder anderen Höhlenexploration ein eher schales Erlebnis machen. Klar, jeder Spielerin ist es anheim gestellt, auf Teufel komm raus tiefer in die Höhlensysteme einzudringen und vielleicht als alleinige Abenteurerin Diamanten im Überfluss zu schürfen. Allerdings wird auch in diesem Fall keine Entscheidung im klassischen Sinn von der Spielerin abverlangt, sondern eben nur der Mut zum Risiko, der letztlich auf einer unbeeinflussbaren Glücksebene belohnt oder durch Aufdecken einer Gefahrendublette mit dem Verlust aller Schätze bestraft wird.

Verglichen mit dem von zahlreichen Rezensenten angesprochenen „Can’t Stop“ Effekt im Originalspiel von Sid Sackson kann sich die Dynamik der Entscheidungsmomente nicht messen. Dort sind es die vier Würfel, die, in beliebiger Kombination gepaart, den Spielerinnen die Entscheidung zum Weitermachen auf Grund von Wahrscheinlichkeiten suggerieren, hier ist es die jeweils nächste aufgeschlagene Höhlenkarte, die praktisch unbeeinflussbar das Schicksal bestimmt. In letzter Konsequenz sollten beide Systeme einen ähnlichen Spannungseffekt bewirken, theoretisch zumindest, in der Praxis am Spieltisch jedoch neigt sich die Waagschale deutlich zur jederzeit überschaubaren Spielsituation bei „Can’t Stop“. Dies dürfte auch den Autoren Faidutti und Moon nicht entgangen sein. Daher überraschen sie uns am Ende der kurzen, nur vierseitigen Spielregel, die übrigens auch in französischer und italienischer Sprache vorliegt, mit einer rot hervorgehobenen Empfehlung, der zu Folge mit offenen Schatzkästchen gespielt werden sollte. Das ist doch wohl als Rat zum permanenten Überblick über die Zahl der Diamanten der einzelnen Mitspielerinnen zu verstehen. Hier nähern sich damit die beiden Bluffspiele, zumindest in der visuellen Darstellung des Spielstandes. Ich kann nur bestätigen, dass diese Empfehlung der Autoren die Spannung eindeutig hebt, wenn auch die einzelnen „Faustphasen“ dadurch etwas länger werden. Schließlich zählt man ganz gern noch mal nach, ob auf Grund der bis dahin gehorteten Diamanten der Gegnerinnen bei weiteren Höhlenstufen mehr oder weniger Risiko angezeigt ist. Eine speziell lobenswerte Anmerkung darf jedoch keinesfalls vergessen werden. „Diamant“ erlaubt es, dass in der Tat bis zu acht Spielerinnen gleichzeitig aktiv sind. Dies ist bei der Beschränkung, die fast alle modernen Spiele der Zahl der Teilnehmerinnen auferlegen, eine beachtliche Ausnahme. Ich möchte sogar noch weiter gehen und behaupten, dass diese Faidutti/Moon Kreation gerade von der großen Zahl der Abenteurer lebt. Drei, wie die Spielregel als Minimalzahl empfiehlt, sind einfach zu wenig, um die Bluffelemente auch nur im Ansatz zur Wirkung zu bringen. Selbst vier würde ich als eine Notlösung sehen. Bei höherer Spielerinnenzahl jedoch entfaltet „Diamant“ eine beachtliche Stimmung und zugleich einen deutlich gesteigerten Spannungsbogen.      

Mein persönliches Fazit: Mit diesem neuen Zockerspiel ist den beiden preisgekrönten Autoren Bruno Faidutti („Ohne Furcht und Adel“) und Alan Moon („Elfenland“, „Zug um Zug“) eine weitere Variante des Genres „Bluff und Fun“ gelungen. Aber es ist eben nur eine Variante mehr, die in größeren, auf lockeres Feeling eingestellten Spielrunden ihre Anhänger finden wird, bei ernsthaften Spielern jedoch höchstens als Einstiegsspielchen durchgehen mag. Einige Rezensenten haben den Vergleich mit Sid Sacksons Klassiker „Can’t Stop“ gewagt. Nun, jeder mag seine Sichtweise haben. Ich jedenfalls kann mich dem nicht wirklich anschließen. Das emotionale Auf und Ab bei einer „Can’t Stop“ Partie, der Aufschrei beim durch einen Fehlwurf verursachten Absturz, oder auch die bisweilen quälende Wahlmöglichkeit beim Aufteilen der Zufallswürfe, findet bei der neuen Zockerexpedition keine wirkliche Parallele. Die Mitspieler sammeln vielfach freudvoll ihre Diamanten, sie huldigen wiederholt dem „Stein-Schere-Papier“ Prinzip, sie hoffen auf ein Aufdecken hochwertiger Höhlenkarten, sie fürchten die Gefahren, aber alles ist eine Idee zu künstlich, zu wenig beeinflussbar, alles wird ohne den bei „Can’t Stop“ fast süchtigen Griff zu den vier Würfeln erledigt. „Diamant“ spielt sich locker, es ist ein durchaus rasantes und unterhaltsames Spiel, die Höhlenkärtchen sind liebevoll gestaltet, und die Spielerinnen am Tisch bluffen alle gleichzeitig, aber dennoch blieb in unseren Spielrunden der Ruf nach einer sofortigen Folgeexpedition aus. Ganz ist eben es nicht gelungen, die Brillanz des Vorbilds zu erreichen. Vielleicht liegt es aber auch an uns, die wir doch den altbewährten Original-„Can’t Stop“-Effekt á la Sid Sackson seit Jahren schätzen und lieben!       

 

DIAMANT 

Spieler         : 3-8

Alter            : ab 8 Jahren

Dauer          : 20 Minuten

Verlag          : Schmidt 2005

                     www.schmidtspiele.de

Autoren       : Bruno Faidutti / Alan Moon

Graphik        : Jörg Asselborn, Christof Tisch, Claus Stephan

Preis            : ca. 25 EUR

 

WIN WERTUNG

Genre          : Bluffspiel  

Zielgruppe    : Zocker, Familie

Mechanismus: Diamanten sammeln

Strategie                : *

Taktik                    : *

Glück                    : ******

Interaktion             : *****

Kommunikation      : **

Atmosphäre           : ****

Kommentar:

Hoher Spielfluss

Bluff- und Zockerelemente

Schnell erlernbar

Liebevolle Gestaltung

Hugo Kastner: „Diamant“ ist das Co-Produkt eines bekannten Autorenteams. Dies wird im ausgereiften Spielfluss und einer durchaus stimmigen Spielanlage fühlbar. Besonders Freunde mit Bluff- und Zockermentalität werden beim Eindringen in die Höhlensysteme ein wohliges Prickeln der Überraschung spüren. Rechtzeitig ins sichere Camp zurückzukehren, also den kritischen Punkt zu finden, an dem es die Vorsicht gebietet aufzuhören, wird mit jeder Höhlenkarte mehr und mehr zum Spiel entscheidenden Gedanken. Viele Kommentatoren werden bei diesem Thema an Sid Sacksons Klassiker „Can’t Stop“ erinnert.

 

Wenn Sie Bluffspiele mit hohem Glücksfaktor wie Bluff oder Can’t Stoo mögen, wird Ihnen auch Diamant gefallen.     

 

Hugo Kastner

hugo.kastner@chello.at