Colorado County

 

Das Spiel:

Colorado County

Von Reinhard Staupe

Für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren

Schmidt Spiele 1999

45 bis 60 Minuten

 

Win-Wertung:

* Colorado County W SS P II UU AA (3-4) 2-4 h

 

Vergleichbare Spiele:

El Grande (Hans im Glück), M

Entdecker (Goldsieber), M, T

Löwenherz (Goldsieber), M

Extrablatt (Moskito), M

Wer erinnert sich noch an den Film "In einem fernen Land" mit Nicole Kidman und Tom Cruise? Die für mich beeindruckendsten Szenen waren jene, wo Tausende Männer und Frauen am 22. April 1889 in das neue Territorium Oklahoma strömten, um dort ihren Claim abzustecken. Das "Homeland Law" aus dem Jahre 1862 sagte nämlich jedem ein Stück kostenloses Land zu, der es auch kultiviert. Die Kavallerie achtete strengstens darauf, daß niemand vorher das Territorium betrat, Punkt 12 Uhr mittags wurde dann mit einem Kanonenschuß der "Run auf Oklahoma" eingeläutet. Das Land war freilich schon vorher in Farmländer eingeteilt, und wer zuerst die Fahne einer dieser Parzellen erobern konnte, sicherte sich damit das Land. Dabei soll es auch - schließlich sind wir ja im Wilden Westen - zu einigen kriminellen Handlungen sprich Schießereien gekommen sein.

Weniger blutig geht es beim neuesten Spiel von Reinhard Staupe zu, trotzdem wird das Gerangel um die besten Parzellen in einem fiktiven Tal "Colorado County" ziemlich gut nachempfunden. Zwei bis vier Siedler versuchen mit Hilfe ihrer Cowboys die besten und größten Stücke des fruchtbaren Landes zu besitzen. 150 Parzellen, schön rechteckig auf 10 x 15 angeordnet, liegen vor den neuen Siedlern, wobei einige Parzellen auf die sechs kleinen Seen der Ebene entfallen. Jeder Siedler bekommt anfangs 15 Cowboys (Plättchen mit einem Wert von 1 bis 66), die er verdeckt aus einem Stoffbeutel zieht und dann hinter seinem Sichtschirm (die Farm?) versteckt. Eine Spielfigur in seiner gewählten Farbe stellt er auf das Starfeld des Erfolgspfades, der rund um den Spielplan verläuft. Schließlich erhält jeder Spieler noch ein par Landverkaufsmärkchen ("For Sale").

12 Flaggensteine in vier verschiedenen Farben werden von den Spielern beliebig auf dem Spielplan verteilt. Dies sind die Parzellen, welche durch den Erwerb von Landkarten in den kommenden Runden in Besitz genommen werden können. Doch das Tal scheint einfach nicht groß genug für alle Siedler zu sein, denn es wird pro Spielzug immer um eine Landkarte weniger angeboten als Spieler teilnehmen (nur bei 2 Spielern kommt weniger Konkurrenzkampf auf). So werden etwa bei 4 Siedlern nur 3 Landkarten vom gemischten Stapel aufgedeckt, und schon schicken die interessierten potentiellen Großgrundbesitzer ihre Cowboys los. Spieltechnisch gesehen schaut das so aus: Jeder nimmt verdeckt eine Anzahl von Cowboy-Plättchen in die Faust, gleichzeitig wird aufgedeckt, und wer am meisten Cowboys eingesetzt hat, darf sich die erste Landkarte wählen. Eine recht wörtlich genommene Form des Faustrechts. Er setzt dann einen Markierungsstein auf ein farblich übereinstimmendes Flaggenfeld.

Auf dem Großteil der Landkarten ist zudem noch ein zweites Feld angegeben, auf dem ebenfalls ein Markierungsstein platziert werden darf, und zwar im auf der Karte angemerkten Abstand (ein Feld diagonal, im Rösselsprung-Abstand, zwei Felder geradeaus oder diagonal entfernt). Zwar darf die Karte vom Spieler beliebig gedreht werden, doch außerhalb des Spielplans, auf einen See oder auf ein bereits markiertes Feld darf kein Markierungsstein gesetzt werden.

Auf dieselbe Weise geht dann der Spieler mit der zweitstärksten Cowboymacht vor. Bei Gleichstand in der Anzahl der Plättchen entscheidet übrigens der höchste Einzelwert der Cowboys. Bei vier Spielern kommt auch der drittstärkste Spieler noch zu neuen Parzellen. Den letzten beißen aber auf jeden Fall die Hunde, er geht leer aus. Als Entschädigung darf dieser einen neuen Cowboy anheuern. Dies ist schließlich auch wichtig, denn einmal eingesetzte Cowboy-Plättchen wandern wieder in den Beutel zurück. Sollte jemand gar keinen Cowboy losgeschickt haben, darf dieser sich gar zwei neue Cowboy-Plättchen aus dem Beutel ziehen.

So nach und nach finden Parzellen des Tals ihren neuen Besitzer. Und das ist auch wichtig, denn nach 12 Landerwerbskarten endet eine Runde, und für die Pioniere gibt es nun Punkte für ihr erworbenes Land, und zwar nach den Kriterien See-Besitz (wer die meisten Parzellen um einen See hat, dem "gehört" der See), Randfelder (wer die meisten bzw. zweitmeisten Parzellen am Spielplanrand hat, wird belohnt), Doppelfelder (jeweils genau zwei nebeneinander gelegene Parzellen eines Spielers bringen Punkte) und Landgröße (die Spieler mit der größten und zweitgrößten zusammenhängenden Landfläche kassieren Erfolgspunkte). Entsprechend der gewonnenen Punkte rücken die Spieler ihre Cowboy-Figur (schaut eher aus wie ein Flugzeug) auf dem Erfolgspfad vorwärts. Insgesamt geht es über vier solche Wertungsrunden. Das Interessante daran ist, daß es für jede Wertungsrunde verschiedene Punkte gibt. Die Randfelder bringen nur in den ersten Wertungsrunden etwas ein, Doppelfelder sind in der zweiten Runde sehr gefragt, Seenbesitz und größte Landfläche werden gegen Schluß hin immer wichtiger, daher auch umkämpfter. Auf der Innenseite der Sichtschirme sind glücklicherweise alle notwendigen Informationen zu den Wertungspunkten angeführt.

Nach der vierten Wertung (nach ungefähr 45 bis 60 Minuten) ist Schluß, und der Spieler, dessen Figur am weitesten auf dem Erfolgspfad vorne ist, hat gewonnen.

Was bei "Colorado County" am meisten fasziniert, ist die stimmige Umsetzung des Spielthemas. Besonders die Spielbeschreibung vermag es, sehr gut die Atmosphäre der Pionierzeit zu vermitteln. Nicht nur, daß sie hervorragend aufgebaut ist, die 12 Seiten führen den Spieler in schön unterteilten Kapiteln mit passenden Titeln (z.B. "Unsere Ausrüstung" = Das Spielmaterial) ins Spiel ein. Lediglich die Schrift ist auf dem farbigen Papier bei schlechtem Licht nicht deutlich zu lesen (Anmerkung der Redaktion: Franky hat sich hier vornehm zurückgehalten, unleserlich , Frechheit, Zumutung bzw. künstlerisch vor praktisch waren noch die mildesten Kommentare, die in unseren Runden fielen, als wir versuchten, die Schrift auf dem Hintergrund der zugegeben wunderschönen Schattenillustrationen zu entziffern).

Das Spiel selbst ist reizvoll und läßt Raum für taktische Überlegungen. Naturgemäß hängt bei Spielen mit verdecktem Bieten viel von den Mitspielern ab, sehr oft kommt es zum sogenannten "Schweinerhythmus" - weil mehrere Spieler hoch bieten, bieten in der nächsten Runde alle noch höher, bis es allmählich genau umgekehrt geht, etc. Da man zu Beginn nur über 15 Cowboy-Plättchen verfügt, ist übermäßigem Bieten aber ein Riegel vorgeschoben. Um wieder zu neuen Plättchen zu kommen, werden in späteren Phasen des Spiels gerne "Landverkäufe" vorgenommen, um wertlose Parzellen gegen Cowboys eintauschen zu können. "Colorado County" verlangt schon ein bißchen Spielerfahrung, je öfters man es spielt, desto besser kann man solche Sachen, wie bereits verbrauchte Landerwerbskarten und ähnliches in seine Überlegungen einschließen. So schön das Spiel auch funktioniert, ist mir dennoch aufgefallen, daß der Spannungsbogen vor allem zur letzten Wertung hin ein wenig abfällt, sei es durch den sich wiederholenden Mechanismus, sei es dadurch, daß die Positionen auf dem Spielplan großteils bereits bezogen sind. Aber im großen und ganzen hat mir "Colorado County" sehr gut gefallen, und ich bin froh, daß Schmidt Spiele endlich wieder ein anspruchsvolles Spiel in seinem Programm hat. w