Schlafmütze
Der diesjährige Marschbefehl, den mir meine
Spielergruppe nach Essen mitgab, war eindeutig und klar: Endlich einmal ein
Spiel zu besorgen, bei dem man nicht stundenlang am nächsten Zug herumbrütet,
das nicht ewig dauert, ein Spiel, das Kreativität verlangt, bei dem
Kommunikation groß geschrieben ist, kurz ein Spiel, das ich sicher nicht mag!
Und da ich Solitärspiele schon gar nicht liebe,
machte ich mich eben auf die Suche nach einem geeigneten Spiel. Doch es war wie
verhext, denn trotz intensivsten Stöberns war nichts passendes zu finden. Was
kann ich denn dafür, daß man am Sammlermarkt und bei Fantasyständen solche Spiele nicht anbietet!
ALs es dann aber langsam immer sonntäglicher wurde,
wuchs mein schlechtes Gewissen und damit meine Bereitschaft, auch in anderen
Hallen zu suchen.
Bei einem kurzen Pläuschchen
mit Peter Gehrmann, den ich eigentlich nur nach More Cosmic Encounter fragen wollte,
erwähnte ich so nebenbei mein Problem, worauf mir dieser kurzerhand das Spiel
Schlafmütze unter die Nase hielt. Der Hinweis Wortspiel - das war doch wohl so
ziemlich das Letzte was ich wollte! - genügte, um das Pläuschchen
als beendet zu betrachten. Irgendwie schnappte ich dann im Weggehen das Wort
Zaster auf - mit einem Ruck riß ich mich herum und
ihm die Schachtel aus der Hand.
Sofort setzte ich mich an einen freien Tisch, ich
nehme wenigstens an, daß er frei war, und fummelte
nervös die Spielregeln aus der Schachtel. 108 Spielkarten in 4 Farben sollen
darin enthalten sein, las ich und auf jeder steht ein Begriff. Da einige mehr
als einmal vorkommen, sind es insgesamt 50 unterschiedliche Wörter.
Zu Beginn werden nun 12 Karten, je 3 von einer
Farbe, in einem kreis ausgelegt. Des weiteren erhält jeder Spieler in
Abhängigkeit von der Spielerzahl - es können zwischen 3 und 8 Spielern
mitmachen - eine bestimmte Anzahl von Karten, die er als erster loszuwerden
versucht.
Das Prinzip dürfte wohl schon klar sein. Man
kombiniert eine offen aufliegende Karte mit einer Karte seines Blattes, indem
man die beiden Begriffe sinnvoll zusammensetzt. So läßt
sich etwa aus "Spiel" und "Land" das Wort
"Länderspiel" bilden. Nicht sehr originell, hm?
Nun, ich bin ja auch noch nicht fertig, denn der
Witz steckt im Detail. So darf man nicht eine beliebige Karte des ausgelegten
Kartenkreises verwenden, sondern ist an eine bestimmte Farbe - zu Beginn
liegen, wie schon erwähnt, von jeder Farbe 3 Karten aus - gebunden. Und diese
Farbe wechselt jede Runde, denn die aus der Hand gespielte Karte bestimmt die
Farbe der nächsten Spielrunde. Schon etwas reizvoller, aber...?
...aber der Clou des Ganzen kommt jetzt! Es gibt
nämlich keine Zugreihenfolge, sondern alle Spieler versuchen gleichzeitig, eine
Karte loszuwerden. Dabei ist natürlich nur der Schnellste erfolgreich, und
seine ausgespielte Karte bestimmt dann die neue Farbe, auf die aufgelegt werden
darf. Können Sie sich das Chaos vorstellen? Und damit dabei niemand einem
Herzinfarkt erliegt, muß ein Spieler, der gerade eine
Karte erfolgreich abgelegt hat, eine Runde pausieren. Daß
diese Schöpfungspause aber nicht lange dauert, dafür sorgen schon die
Mitspieler.
Sicherlich nichts Neues, alles war in der einen oder
anderen Form schon einmal da, aber die Mischung machts.
Und der Erfolg, den ich mit Schlafmütze beim nächsten Spieleabend
hatte, war überwältigend. Meine Position ist nun für einige Zeit wieder
gesichert und man versprach mir, ab und zu auch wieder einmal eines meiner
Spiele zu spielen. Dazu kommt noch, daß auch mir
Schlafmütze sehr gut gefallen hat.
In meiner Euphorie vergaß ich jetzt ganz zu
erwähnen, wie die Wertung läuft. Nachdem ein Mitspieler alle Karten losgeworden
ist, was sehr schnell passiert, zählen alle anderen ihre restlichen Karten,
addieren etwaige Minuschips dazu, die man für nicht existierende Wortkonstrukte
wie etwa Glas-Telefon oder ähnlichen Schwachsinn erhält, und schreiben die
Summe als Minuspunkte. Hat ein Spieler etwa 30 Minuspunkte erreicht, endet das
Spiel und es gewinnt, wer die geringste Punkteanzahl besitzt.
Schlafmütze ist wirklich ein neues Zaster,
allerdings ein intellektuelles. Denn man kann sich anfangs kaum vorstellen, wie
schnell man geistig blockiert ist. Un mir ist es in
einer Runde sogar passiert, daß ich nicht einmal dazu
kam, meine Karten zu lesen, weil ich mit offenem Mund zuschaute, wie die
Mitspieler in rasender Geschwindigkeit ihre Karten loswurden. Und noch einen
entscheidenden Vorteil hat es gegenüber dem Original: Man kann es auch durchaus
noch zu später Abendstunde spielen, ohne gleich die Polizei wegen Ruhestörung
im Haus zu haben!
WIN-Wertung:
** Schlafmütze W UUU AA m 3-8 (je mehr desto besser)