Torres
Das Spiel:
Torres
von Wolfgang Kramer
und Michael Kiesling
2 bis 4 Spieler
ab 12 Jahren
FX Spiele 1999, Ravensburger 2000
ca. 60 bis 90 Minuten
Vergleichbare Spiele:
Terra Turium (T, K, M)
Big Boss (K, T)
WIN-Wertung:
***
Torres W SS UUU AAA 3 - 4 (2 - 4)
h (Grundversion)
**
Torres SSS UUU AAA
3 - 4 (2 - 4) h (Meisterversion)
Um aus der "Eintönigkeit" der Zweidimensionalität bei
Brettspielen auszubrechen, bedienen sich seit Jahrzehnten Spieleautoren und
Verleger der dritten Dimension. Ich meine dabei nicht, dass die Spielfiguren
immer größere Ausmaße annehmen, denn dadurch wird das Grundprinzip eines
Spieles ja nicht verändert. Vielmehr wird für den Spielmechanismus das
Koordinatennetz um eine Achse erweitert: die Höhe. Um daraus ein Spiel zu
machen, eignet sich nichts besser als die Thematik des Turmbaus. Meine
Spielregale sind voll mit solchen Spielen, und es sind nicht die schlechtesten.
Im Gegenteil, wir finden darunter einige Spiele, die man schon als
Spieleklassiker bezeichnen könnte: Manhattan, Terra Turium, Spiel der Türme,
noch einmal Manhattan, Burgenland, etc.
So verwundert es auch niemanden mehr, dass auch heuer wieder ein Spiel
herauskam, bei dem Gebäude nach dem Prinzip "Je höher, desto besser"
errichtet werden. Es handelt sich dabei um das Spiel "Torres", das
spanische Wort für "Türme". Dass sich ein näherer Blick drauf
durchaus lohnt, dafür sorgt allein schon die Erwähnung der beiden Autoren
Wolfgang Kramer und Michael Kiesling, die heuer mit "Tikal" das Spiel
des Jahres geschaffen haben.
Ohne Spielgeschichte läuft heutzutage gar nichts, und deswegen gibt's
auch hier eine passende. Sie erzählt von einem verheerenden Wirbelsturm, der
das reiche Kastilien verwüstet und nur die Grundmauern der einst so prächtigen
Burgen zurückgelassen hätte. Der alte König beauftragt seine Söhne (=die
Spieler), um die Burgen wieder in vollem Glanz aufzurichten. Wer sich dabei am
besten bewährt hat und mit seinen Rittern die größten und höchsten Burgen
gebaut und sich darauf niedergelassen hat, der darf als Belohnung die
Thronfolge antreten.
Kastilien präsentiert sich uns Spielern als ein Gebiet von lediglich 8 x
8 Feldern. 8 Burgen - aus nur einem Bauteil bestehend - stellen die
Startaufstellung dar. Für die Spieler kommt es nun darauf an, in den nächsten
10 Spielrunden, die das Spiel dauert, die Türme zu vergrößern, neue Ritter
einzusetzen und derart auf die Türme zu platzieren, um bei den drei Wertungen
(nach der 4., der 7. und der 10. Runde) möglichst viele Punkte abzukassieren.
Die Punkte errechnen sich dabei nach folgender Formel: Grundfläche des Turmes x
Höhe der Ebene, auf der sich ein Ritter befindet. Dass "Torres" im
Grunde ein friedliches Spiel ist, beweist allein die Tatsache, dass ein Turm
für mehrere Spieler gewertet werden kann, für den einen halt mehr, da sein
Ritter höher steht, für andere vielleicht weniger. Nur können nicht zwei Ritter
desselben Spielers auf demselben Turm auf diese Weise punkten. Zudem gibt es
noch Sonderpunkte für den sogenannten Königsturm. Um in den Genuss dieser
Sonderpunkte zu kommen, muss man in der ersten Wertung einen Ritter auf der
ersten Ebene des Turmes haben, auf dem sich der König (größere weiße Figur)
aufhält, die Belohnung sind 5 Punkte. Für die zweite Wertung gilt die zweite
Ebene des Königsturmes (10 Punkte), für die dritte Wertung klarerweise die
dritte Ebene (15 Punkte). Reihum addieren alle Spieler ihre Punkte aus allen
Türmen, auf denen sie vertreten sind, und rücken ihren Wertungsstein
entsprechend viele Schritte auf der - aus bereits so vielen Kramer-Spielen
bekannten - Wertungsleiste vor.
Jeder Spieler hat in seinem Zug fünf Aktionspunkte zur Verfügung. Die
wichtigste Aktion, denn darum dreht sich's ja, ist das Einsetzen eines neuen
Bauteils an einen bestehenden Turm. Dadurch kann der Turm höher werden, oder
seine Grundfläche wird größer. Zu beachten ist jedoch, dass kein Turm höher
werden darf als seine Grundfläche. Soll heißen, hat der Turm beispielsweise eine
Grundfläche von 4 Bauteilen, darf er maximal 4 Schichten hoch werden! Diese
Aktion kostet einen Aktionspunkt.
So ein Turm allein nützt den Spielern aber herzlich wenig ohne eigenen
Ritter drauf. Mit dem einen Ritter, mit dem man das Spiel beginnt, hat man
jedenfalls nicht viel angefangen, daher ist eine weitere wichtige Aktion das
Einsetzen eines Ritters für teure 2 Aktionspunkte.
Leider sind die Ritter selten dort, wo man sie auch wirklich braucht, was
uns umgehend zur dritten Aktionsmöglichkeit bringt: der Bewegung der Ritter.
Jedes Feld, über welches man einen Ritter bewegen will, benötigt einen
Aktionspunkt. Wichtig ist allerdings, dass man zwar bei einem Schritt beliebig
viele Ebenen hinabsteigen, aber nur maximal eine Ebene höher klettern darf.
Will man also mit einen Ritter mehrere Ebenen hochkommen, muss man dies
stufenweise machen. Und noch eine Besonderheit in der Bewegung bieten das
Spiel: Die Tore. Bei genauerer Betrachtung fallen nämlich an den Bauteilen
Eingänge an jeder Seite auf. Wenn man durch ein solches Tor eintritt, darf man
an einem beliebigen Tor desselben Turmes austreten, was nur einen Aktionspunkt
kostet. Auf diese Weise kann ein Ritter ganz schön lange Strecken über fünf,
sechs Felder zurücklegen. Es darf allerdings beim Tore durchschreiten keine
"Höhe gewonnen" werden.
Das war aber noch nicht alles. Für einen Aktionspunkt darf man sich die
oberste Karte vom Aktionsstapel "kaufen". Diese Aktionskarten haben's
wirklich in sich. Zumeist erlauben sie
etwas, was in den Grundregeln ausdrücklich verboten ist: Diagonales
Ziehen mit seinem Ritter, das Hinaufspringen über zwei Ebenen, das Überspringen
einer fremden Ritterfigur, das Emporklettern beim Ziehen durch Tore, und
ähnliches. Einige Aktionskarten dienen dazu, sich Aktionen zusammenzusparen,
wie zum Beispiel die Aktionskarten, die 6 und sogar 7 Aktionspunkte in einem
Zug ermöglichen, oder auch jene Aktionskarte, mit welcher man einen Bauteil
zusätzlich verbauen darf. Ich möchte nicht auf alle Aktionskarten genau
eingehen, aber jede Karte hat ihre Nützlichkeit, je nach Spielsituation.
Neben all diesen interessanten Aktionen verblasst die letzte Möglichkeit:
Für einen Aktionspunkt darf man auf der Wertungsleiste einen Schritt vorrücken.
Ich muss aber gleich vorwegnehmen, dass dies in unseren Spielrunden nur zum
Schluss genutzt wurde, wenn keine andere Aktion mehr sinnvoll erschienen ist.
Je weiter das Spiel voranschreitet, desto höher und größer werden
naturgemäß die Türme, dementsprechend steigen auch die Punkte bei den
Wertungen. In unseren Spielen machte man im Durchschnitt ungefähr 30 Punkte bei
der 1. Wertung und zirka 70 Punkte in der zweiten Wertung. Zum Schluss wurden
noch mächtig viel Punkte gemacht, meist zwischen 110 und sogar 180 Punkten. Wer
gewinnt bräuchte ich zwar nicht extra erwähnen, mache ich aber der
Vollständigkeit halber trotzdem: Natürlich der Spieler, dessen Wertungsstein
schlussendlich am weitesten vorne steht. Dass es einen ex aequo-Sieg gibt,
verhindert übrigens ein Passus der Regel, der besagt, dass man ein Feld auf der
Wertungsleiste weiterrückt, wenn ein Feld schon belegt sein sollte.
Um es gleich deutlich zu sagen, mir hat "Torres" ausgesprochen
gut gefallen. Bereits bei meiner ersten Partie genoss ich die vielen
Möglichkeiten, welche die relativ wenigen Regeln boten. Wie man seine 5
Aktionspunkte am sinnvollsten nutzt, ist jedes Mal von neuem reizvoll. Das
Spiel verlangt Übersicht, taktisches Vorausdenken und die Aktionskarten bringen
viel Würze ins Spiel, mit ihnen kann man auch überraschende Spielzüge
durchführen. Auch sind fünf Aktionspunkte überschaubar und ein Spielzug somit
selbst für notorische Dauergrübler in akzeptablem Zeitrahmen zu bewältigen. Wen
der Glücksfaktor stört, der sich durch das zufällige Ziehen der Aktionskarten
ergibt, sollte nach der
Fortgeschrittenenversion spielen, bei der jedem Spieler dieselben Karten
zur Verfügung stehen. Meine Empfehlung: Das Spiel in seiner Vielfalt anfangs in
der Grundversion kennen lernen, dann auf die bessere Variante umsteigen.
Wer dann noch immer etwas Abwechslung sucht, kann noch die Meisterversion
probieren. Eine "Meisterkarte" gibt eine Aufgabe für alle Spieler
vor, für die es bei Spielende viele Wertungspunkte extra gibt. Zum Beispiel:
"Alle ihre eingesetzten Ritter müssen nach der dritten Wertung in einer
Reihe stehen - 50 Erfolgspunkte". Da muss jeder Spieler gut abwägen, ob er
versucht, die Aufgabe zu erfüllen, oder eher konventionell spielt. Für meinen
Geschmack ist das ein wenig zuviel des Guten, vielleicht schätzen andere
Spieler diese Option hingegen mehr.
Optisch macht "Torres" ebenfalls einen guten Eindruck. Die
Gestaltung des Spielplans ist originell und erinnert an spanische Künstler,
Sandtöne überwiegen. Die Illustrationen der Karten sind gelungen und
selbsterklärend. Nur die Spielregeln sind nicht ganz eindeutig, einige offene
Fragen muss man sich erst aus den Regeln erarbeiten.
Wie auch immer, ob Grundspiel, erweiterte Regeln oder Meisterversion, dem
Duo Kramer und Kiesling ist wieder ein ganz großer Wurf gelungen, und es würde
mich stark wundern, wenn sie dafür nicht die eine oder andere Nominierung oder
Auszeichnung erhielten.