San Marco

 

Alan R. Moon

Aaron Weissblum

3-4 Spieler ab 10 Jahren

Ravensburger, 2001

ca. 90 min

 

Vergleichbare Spiele:

Quarto (M)

Doge (T, M)

El Grande (T, M)

 

WIN-Wertung:

AA III UU WW 3-4 (2-4) h

 

Ich glaube, in all den Jahren, die ich jetzt schon Spiele spiele und auch rezensiere, habe ich noch nie ein Spiel so oft gespielt und dann noch immer nicht gewusst, ob es ein gutes Spiel ist oder nicht. Also fangen wir bei den offensichtlichen Dingen an:

 

Venedig ist das Thema des Spielejahrgangs 2000/2001, eröffnet hat diesen Trend Goldsieber mit DOGE, nun folgen SAN MARCO bei Ravensburger und VENEZIA bei Queen. Thema aller drei Spiele sind Mehrheiten in den Stadtvierteln von Venedig, in San Marco erreicht man mit diesen Mehrheiten Prestigepunkte, der Spieler mit den meisten Prestigepunkten gewinnt.

 

Der Plan von San Marco zeigt sechs Stadtvierteln von Venedig, in denen die Spieler Mehrheiten mit ihren Adeligen erreichen sollen. Jeder Spieler besitzt diese Adeligen in Form von kleinen Holzwürfeln einer Farbe, die Mehrheiten in den Stadtvierteln bringen Punkte auf der am Plan rundumlaufenden Wertungsleiste. Spätestens an diesem Punkt einer verbalen Spielbeschreibung kommt die Frage, ob man hier nicht El Grande beschreibt – nein, tut man nicht, denn das Einsetzen der Adeligen und sonstige Geschehnisse in Venedig werden hier nach einem Prinzip geregelt, das sonst eigentlich Kinder verwenden, um etwas gerecht zu teilen: einer teilt, der andere wählt. In diesem Fall Karten, von denen es grundsätzlich 2 Arten gibt: Limit-Karten mit den Werten 1, 2 und 3 und Aktionskarten.

 

Von den Aktionskarten gibt es 5 verschiedene:

Gebietskarten – mit ihnen darf man einen Adeligen in das betreffende Gebiet setzen oder auch den Adeligen nach dem Setzen über eine eigene Brücke in ein unmittelbar benachbartes Gebiet ziehen. Sollte ein Spieler keine Adeligen mehr im Vorrat haben, darf er Adelige am Plan umsetzen.

 

Brückenkarte – damit kann man eine Brücke aus dem allgemeinen Vorrat einsetzen und 2 beliebige Gebiete verbinden, bzw. eine Brücke eines anderen Spielers übernehmen und auch versetzen, wenn keine Brücken mehr im Vorrat sind. Es gibt dabei nur die Einschränkung, dass zwei Stadtgebiete insgesamt nur durch maximal drei Brücken verschiedener Spieler miteinander verbunden werden können.

Überläuferkarte – mit ihr kann man einen gegnerischen Adeligen aus einem beliebigen Gebiet an den Besitzer zurückgeben und einen eigenen stattdessen einsetzen.

Verbannungskarte – damit kann man Adelige aus einem Gebiet entfernen. Man benennt das Gebiet und würfelt, danach nimmt man entsprechend viele beliebige Adelige aus dem Gebiet, gibt es nicht genug fremde, muss man auch eigene entfernen.

Dogenkarte – mit ihr wird eine Wertung ausgelöst: Man benennt das Stadtgebiet und stellt bei der ersten solchen Wertung den Dogen dorthin. Bei den weiteren Wertungen entscheidet der Spieler, ob dort gewertet wird, wo der Doge steht oder er  zieht den Dogen in das Gebiet, wo er werten möchte. Der Doge kann nur über Brücken ziehen, eigene können dabei kostenlos benutzt werden, für die Benutzung fremder Brücken bezahlt man mit Prestigepunkten von der Wertungsleiste. Die Dogenkarten müssen gespielt werden und die entsprechende Wertung muss durchgeführt werden.

 

Die Limitkarten haben nur Bedeutung durch ihren Wert.

 

Bevor nun das eigentliche Spiel mit den Aktions- und Limitkarten beginnt, würfelt jeder Spieler reihum vier Mal hintereinander und setzt jeweils 2 Adelige in die erwürfelten Gebiete. Dann setzt jeder Spieler eine Brücke, Brücken werden jeweils durch einen Adeligen des Besitzers markiert.

 

Und nun wird’s ernst:

Der Startspieler ist der erste Verteiler und lost mit Hilfe der Prestigesteine den anderen drei Spielern ihre Rollen als erster Entscheider, zweiter Verteiler und zweiter Entscheider zu, die Steine werden dementsprechend in die dafür vorgesehenen Felder am Plan gesetzt. Danach ziehen der erste und der zweite Entscheider je 5 Karten vom verdeckten Stapel der Aktionskarten und 3 Karten vom verdeckten Stapel der Limitkarten und teilen nun, verdeckt für die Mitspieler, diese 8 Karten in zwei Angebote auf – diese können beliebig gestaltet werden, es gilt nur die Regel, dass ein Gebot aus mindestens 1 Karte bestehen muss. Dann legen beide Spieler ihre Gebote verdeckt vor sich ab. Der erste Entscheider legt nun seine beiden Gebote offen und der erste Entscheider sucht sich eines aus und führt es sofort in beliebiger Reihenfolge aus Karte für Karte aus. Dann nimmt der erste Entscheider das verbliebene Gebot und führt es aus. Zweiter Verteiler und zweiter Entscheider verfahren nun ebenso, die gespielten Karten kommen auf den offenen Ablagestapel.

 

Limitkarten werden dabei offen vor dem jeweiligen Spieler abgelegt.

 

Wurden Dogenkarten gespielt, wird immer sofort beim Spielen der Karte gewertet, der Spieler mit der Mehrheit an Adeligen in einem Gebiet bekommt die höhere der beiden im Gebiet angegebenen Ziffern als Prestigepunkte, der Spieler mit den zweitmeisten Adeligen die niedrigere Summe. Bei Gleichstand erhalten die Spieler die Punkte des niedrigeren Ranges, d.h. bei Gleichstand der Mehrheit bekommen alle betroffenen Spieler die Punkte für die zweitmeisten Adeligen, bei Gleichstand bei den zweitmeisten gehen die betroffenen Spieler leer aus, da es ja keine Punkte für die drittmeisten Adeligen gibt.

 

Sind alle vier Gebote gespielt, wird überprüft, ob bei einem Spieler die Limitkarten den Wert 10 erreicht haben. Bleiben alle Spieler unter 10, wechselt der Startspieler und es wird die nächste Runde wie beschrieben gespielt. Überschreiten ein oder mehrere Spieler 10 Punkte, scheiden sie für diesen Durchgang aus und die verbliebenen Spieler spielen noch genau eine Runde wie beschrieben. Danach erhalten alle Spieler, die unter 10 geblieben sind, die Differenz zwischen ihren Limitpunkten und der höchsten Summe an Limitpunkten auf dem Tisch als Prestigepunkte gutgeschrieben und der Spieler mit den wenigsten Limitpunkten darf noch eine Verbannung ausführen, ohne die Karte zu besitzen. Bei Gleichstand entfällt dies.

 

Damit ist der Durchgang zu Ende und es werden noch zwei weitere Durchgänge gespielt. Nach dem dritten Durchgang wird in allen Gebieten eine Schlusswertung durchgeführt, unabhängig vom Standort des Dogen. Der Spieler mit den meisten Prestigepunkten gewinnt, bei Gleichstand der Spieler mit den meisten Adeligen in San Marco.

 

Für drei Spieler läuft das Spiel ganz genau so ab, der einzige Unterschied liegt ind er Regel für die Kartenverteilung, es gibt nur einen Verteiler, die anderen beiden sind erster und zweiter Entscheider, der Verteiler zieht 6 Aktions- und 4 Limitkarten und verteilt sie auf drei Gebote.

 

Nach der ersten Partie habe ich mit entschiedener Stimme verkündet, dass das Ganze ziemlich dumm ist und man ohnehin nur gespielt wird, weil man keinerlei Entscheidungsmöglichkeiten hat, man könne ja nur gleichmäßig verteilen. Dann kam ein Wochenende mit Gästen, und die waren neugierig auf die Ravensburger Neuheiten, also habe ich zähneknirschend erklärt und mitgespielt. Diesmal hatte ich die Regeln ganz im Griff und festgestellt, dass wir beim ersten Mal einige Ungenauigkeiten drinnen hatten, so hatten wir die Verbannungsregel für den Spieler mit den wenigsten Limitpunkten übersehen.

 

Dann kam der Spieleabend, und wieder habe ich erklärt und mitgespielt, dabei hat sich dann einer beklagt, dass ich zu sehr beeinflusst hätte, was er tun soll, mea culpa, und noch eine Partie ohne Hinweise. Dann habe ich es noch einige Male gespielt und inzwischen bin ich soweit, dass ich meine erste Meinung revidiert habe. Man muss durchaus NICHT die Gebote gleichmäßig verteilen, und zu unserer Überraschung kippt das Spiel nicht, wenn man unausgeglichene Gebote macht – man kann sogar drei Dogen anbieten und der andere nimmt sie nicht, weil er alles andere will als jetzt werten, da er mit dem Dogen seine Mehrheitsgebiete nicht erreicht oder dem führenden Spieler bei der Wertung zu viele Punkte zufallen würden. Sind Kartenmischung und Losglück aber halbwegs brauchbar, hat man einiges an taktischen Möglichkeiten. Wer die in den Karten gebotenen Möglichkeiten beim Aufteilen geschickt nutzen kann, hat sicher einen Vorteil.

 

Andererseits ist das Spiel doch sehr zufallsabhängig, denn wenn das Los immer die gleichen Leute zusammenführt, können diese davon doch sehr stark profitieren, und wenn dann auch noch die Kartenmischung unglücklich ausfällt, hängt die Partie schon ordentlich in eine Richtung. Aber wiederum andererseits macht es großen Spaß und man kann nichts falsch machen, selbst bei hanebüchener Gebots-Bildung  – wir haben es ausprobiert – kommt ein brauchbares Spiel heraus. Eigentlich ein ideales Spiel für Einsteiger, wäre da nicht die etwas unübersichtliche Spielregel. Ausstattung und Grafik sind okay, aber warum man eine Wertungsleiste in den Ecken mit Ornamenten unterbricht, die bei schlechter Beleuchtung nur bedingt von den unterlegten 5-er-Stufen auf der Zählleiste zu unterscheiden sind, ist zumindest eine Frage an den Redakteur bzw. Grafiker wert, aber kein gravierendes Manko.

 

Alles in allem ist San Marco wesentlich besser als ich nach der ersten Partie vermutet habe, es spielt sich flott und interessant, eine Testpartie sollte jeder unbedingt riskieren, und die Vermutung im Innersten meines Herzens, dass in San Marco ein ganz tolles Spiel steckt, wenn man mehr daraus gemacht hätte, soll das positive Gesamturteil nicht trüben.