Nobody is perfect

 

Wieder eine Doppelconference

 

Bei manchen Spielen scheint die Beliebtheit so schnell durchzuschlagen, daß

ich binnen 3 Wochen gleich zwei Besprechungen bekomme. Also hier wieder beide:

 

NOBODY IS PERFECT II

 

Nobody is perfest

Ravensburger, 1992

Bertram Kaes

3-6 Spieler ab 14 Jahren

 

Wem dieses Spiel beim Überfliegen der Regel bekannt vorkommt, der irrt sich nicht. Es handelt sich um eine Neuentdeckung des altbekannten "Wörterbuchspiels", freilich mit neuen Ideen gespickt und weiterentwickelt.

 

Andernfalls entbehrte dieses neue Gewand eines alten Spiels auch seiner Berechtigung, denn für den Klassiker benötigt man genau zwei Dinge: Ein Lexikon oder ein Wörterbuch und Schreibzeug.

 

Aus dem Nachschlagewerk wird ein Vokabel herausgesucht, von dem man meint, daß es nicht nur in die eigenen, sondern auch in die Ohren der anderen Mitspieler kaum jemals Eingang gefunden hat. Sodann wird dieses Wort der versammelten (Vernünftigerweise nicht mehr als zehn kreative Gemüter) verkündet und eventuell buchstabiert.

 

Nun läßt sich jeder eine witzige, anspruchsvolle, originelle oder pikante Definition zu dem Begriff einfallen und bringt sie zu Papier. Sind alle fertig, dann sammelt derjenige, der das Wort verbrochen hat, die Zettel ein, mischt die von ihm aufgeschriebene richtige Definition darunter und präsentiert die einzelnen Stilblüten - nach Möglichkeit nicht stockend und ohne zu lachen - der Spielrunde. Nach der Reihe geben die Mitspieler jetzt ihren Tip ab - selbstverständlich ohne dabei ihre eigene Kreation zu wählen. Schließlich wird die richtige Lösung enthüllt; Punkte gibts sowohl für richtiges Erraten als auch für jeden Tip, den ein Mitspieler auf den eigenen Erklarungsversuch abgegeben hat.

Noch ein Hinweis zur klassischen Version: Falls kein Lexikon verfügbar ist, tut's auch das Osterreichische Schulwörterbuch: Kaum zu glauben, wieviele Wortschöpfungen es enthält, die man noch nie im Leben je gehört hat.

 

Was Bertram Kaes nun daraus gemacht hat, läßt sich vereinfachend in drei Punkten zusammenfassen:

 

1. Es wurden etliche Begriffe aus diversen Lexika herausgesucht und samt verkürzter Definition auf Kärtchen abgedruckt; man spart sich also die - erfahrungsgemäß zeitraubende - Suche. Nachteil: Auch die Auswahl der Wörter wird einem damit abgenommen, was für manche vielleicht gerade den besonderen

Reiz des Spieles ausmacht.

 

2. Dafür können nunmehr nebst Fremdwörtern auch Fragen in die Runde geworfen werden, deren kuriose, rekordverdächtige, teils geschichtsträchtige Antworten Schmunzeln hervorrufen soll, z.B. "der Babylonische König Hammurabi war ein großzügiger Mann. Er gestand den Damen seiner Palaste täglich ... zu?" Nun, er gestand ihnen weder zu, gemeinsam mit den Männern zu beten, noch, ein Milchbad zu nehrnen, noch, des Abends der Lust mit ihm zu frönen, noch, einen Wunsch täglich nach Ehr und Geheiß erfüllt zu bekommen, und auch nicht, im von ihm verfaßten ersten Rechtskodex der Geschichte zu schmökern (das waren u.a. die Angebote der Spieler), sondern: Was er ihnen zugestand, war - eine Tagesration von drei Litern Bier!

 

Und eine dritte Kärtchenkatenorie besteht, ähnlich Dalli-Klick, aus Bildausschnitten, die erkannt werden müssen; dabei ergeben sich allerdings manchmal Komplikationen wegen der Ähnlichkeit der Antworten, wenn ein ein Bild zu leicht identifiziert werden kann, was bei einigen Karten der Fall ist.

 

3. FÜr die Risikofreudigen gibt es als Aufputz denn auch noch sogenannte Jokerringe, mit denen der Punkteeinsatz erhöht werden kann. Ob die Neuerungen dieser "Neuauflage" den Aufwand einer Edition rechtfertigen, muß jeder selbst für sich beurteilen. Was bleibt, ist dabei viel Saß zu wünschen.

 

 

NOBODY IS PERFECT I

 

Ahnen Sie, was eine Mansube ist?' Diese Frage stellt einem die Schachtel des

Ravensburger Spieles 'Nobody is perfect'. Schon wieder ein Quizspiel? Nun, beachten Sie den feinen Unterschied in der Fragestellung: Es heißt nicht 'Wissen Sie ...?' sondern 'Ahnen Sie ...?'. Außerdem bekommen Sie auch gleich 6 mögliche Antworten serviert.

Ist es denn eine 'Papierkrause für Blumentöpfe', oder ein 'köstlicher Speise-

fisch aus der Ostsee'? Oder vielleicht ein 'arabisches Schachproblem'? Es könnte aber auch der 'Keller einer Wohnung im Dach' sein - was das wohl ist? - oder ein 'Adelstitel der Inka-lndianer', Vielleicht aber auch eine "Kampfverletzung unter Frauen"?

 

Nun was ist? Ahnen Sie's schon? -- Ein kurzer Hinweis noch: Eine der 6 Antworten ist richtig! Nun kommt man ins Grübeln, wägt Antworten gegeneinander ab, schließt unmögliches aus, um es dann doch wieder als Möglichkeit in Betracht zu ziehen, weil sonst gar keine Antwort mehr übrig bleibt.

 

Bevor ich nun die Lösung verrate, kurz einige Worte zum Spiel. Sie ahnen vielleicht schon, daß es sich dabei um kein gewöhnliches Quizspiel handelt, was zur Gewißheit wird, wenn man erst einmal ein paar Fragen gelesen hat. Es ist fast so, als hatte man ein Fremdwörter- oder Kuriositätenlexikon zur Hand genommen.

 

Und genau das ist das Spielprinzip: Es werden Fragen gestelf, die man mit Sicherheit nicht so ohne weiteres beantworten kann - und darum geht es auch gar nicht; im Gegenteil, man soll versuchen, selbst eine (scheinbar richtige) Antwort zu finden und sie den Mitspielern schmackhaft zu machen. Dazu schreibt jeder der (am besten 6) Spieler - es können auch mehr als 6 Spieler mitmachen, doch wird es dann etwas chaotisch -, seine Antwort auf einen Zettel und gibt diesen verdeckt jenem Spieler, der in dieser Runde die Frage stellte. Er ist es auch, der auf seinem Zettel die richtige Antwort beisteuert. Nachdem er alle Antworten eingesammelt hat, liest er sie der Reihe nach vor und nach einer kurzen Nachdenkpause gibt jeder Mitspieler bekannt, welche er für die richtige hält (dabei darf er die eigene aber nicht nennen).

 

Und nun kommt der Moment, auf den alle gespannt warten, -- die Punkteverteilung. Denn, und das ist der Witz des Spiels, man erhält nicht nur Punkte wenn man die richtige Antwort weiß, was sowieso nur selten vorkommt, sondern auch dann, wenn andere die eigene Antwort für die richtige gehalten haben. Die eigene Spielfigur wird dann sofort entsprechend viele Felder weitergezogen und eine neue Runde beginnt, bis schließlich einer das Ziel erreicht. Sie sehen also, worauf es hier wirklich ankommt. Nicht auf's Wissen, sondern darauf, das eigene Unwissen so geschickt zu vertuschen, daß es die anderen für die einzig richtige Antwort halten.

 

Soweit der Grundgedanke dieses Spiels, der so neu gar nicht ist. Ich kann

mich erinnern, daß ich vor langer Zeit ein ähnliches Spiel bereits gespielt habe, wobei ein Fremdwörterlexikon als Fragenkatalog diente und vor 3 Jahren ist bei Noris mit 'Das verrückte Lexikonspiel' von Johann RErttinger ein Spiel mit derselben Spielidee erschienen. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Spielen liegen nun in den Details, von denen ich eines besonders erwähnen mochte. Neben den Fragen zu 'Fremdwörtern' und 'Kuriosem' - allein das Lesen der Fragen aus der zweiten Sparte ist ein lohnendes Vergnügen - gibt es auch 'Bildkarten', die Alltägliches und Außergewöhnliches aus einer ungewöhnlichen Sicht zeigen - oder wenigstens zeigen wollen, denn leider sind manche Bilder so leicht zu erkennen, daß alle Antworten sich mehr oder weniger gleichen, was den Spielspaß natürlich gewaltig vermindert.

Aber wenn dann einmal ein Bild nicht sofort erkannt wird, entstehen immer interessante, komische Szenen. Bei einer unserer Partien mußten wir diese sogar abbrechen, weil der Fragesteller nicht mehr zu beruhigen war, nachdem er die Antworten zum Bild 'Männliche Spermien auf einer weiblichen Eizelle' gelesen hatte.

 

Vielleicht ringt man sich bei Ravensburger dazu durch, zusätzliche Fragekarten

(vielleicht auch nur Bildkarten alleine) anzubieten - für intensive 'Nobody is perfect'-Spieler ist das sicherlich bald notwendig, auch wenn insgesamt 432 Fragen und 112 Bilder vorhanden sind -, bei der Auswahl der letzteren dann aber kritischer ans Werk geht. Das restliche Spielmaterial ist, wie bei Ravensburger üblich, von bester Qualität und sehr funktionell.

 

Originell ist übrigens der 'Entlarver', ein Ableger aus 'Astrotime', der die richtige Antwort lesbar macht. Sicherlich wird der eine oder andere Ravensburger nun beschuldigen, 'das verrückte Lexikonspiel' kopiert zu haben, doch ist die Spielidee keine Erfindung von Johann Rüttinger und durch, wenn auch etwas mißglückte Zusätze wie etwa die Bildkarten, erhält 'Nobody is perfest' durchaus eine eigene Note.

 

Und was soll's, uns Spielern können solche Diskussionen eigentlich egal sein,

Hauptsache das Spiel taugt etwas. Zwar wird 'Nobody is perfest' sicher nicht jeden ansprechen, doch wer 'Kreativspiele' liebt und Lust am 'dampfplaudern' hat, wird damit bestens bedient. Und selbst mir, der ich solche Spiele eigentlich überhaupt nicht mag, haben die bisherigen Partien großen Spaß bereitet.

Ach ja, noch schnell die Antwort auf die obige Frage: Eine Mansube ist ein 'arabisches Schachproblem'. Haben Sie's geahnt?