Mimikry

 

Titel: Mimikry

Autor: Heinz Meister

Hersteller: Ravensburger

Kategorie: Denkspiel

Spieler: 1

erschienen: 1989

 

"Sind Sie Single, sind Sie auch alleine?" ... dann gehören Sie zu einer Personengruppe, die in letzter Zeit so stark an gewachsen ist, daá die Industrie sie als neue Käuferschicht für sich entdeckt hat.

So war es nur eine Frage der Zeit, bis nach Single-Reisen und Fertiggerichten für Singles (auch bekannt als Dosengulasch) in verstärktem Maß Spiele für eine Person auftauchen würden. Die Firma Ravensburger bietet in dieser Sparte seit heuer MIMIKRY von Heinz Meister an.

Auf einem Spielbrett mit sechs mal sechs Feldem werden 33 Holzsteine, die auf einer Seite ein Muschelsymbol tragen und auf der anderen glatt sind, beliebig plaziert, je Feld maximal ein Stein.

Am Rand jeder Zeile das Plans steht eine Zahl von 1 bis 4, die die Zugweite der Muschelsteine dieser Reihe angibt. Man zieht mit einem Stein waagrecht, senkrecht oder diagonal auf ein freies Zielfeld. Der gezogene Stein wird mit dem Muschelsymbol nach unten auf das Feld gelegt und darf bis zum Spielende nicht mehr bewegt werden. Ziel des Spieles ist es klarerweise, alle Muschelsteine umzudrehen.

 

MIMIKRY erregte bei seiner Vorstellung in Nürnberg sofort mein Interesse. Schönes Spielmaterial und ein neuer Vertreter im Bereich des ohnehin dünn besiedelten Gebietes der Solitärspiele. Beim tatsächlichen Ausprobieren erlebte ich jedoch eine herbe Enttäuschung. Sobald man nämlich hier das Herumprobieren zugunsten einer systematischen Suche nach einem Lösungsweg aufgibt, wird man bald merken, daß es ein Schema gibt, das unabhängig von der gewählten Ausgangsaufstellung immer mit der gleichen Anzahl von Zwischenschritten eine Lösung ergibt. Das bedeutet, daß die zwei wesentlichen Reize eines Solitärspieles, der einstellbare Schwierigkeitsgrad und der Anreiz, einen Lösungsansatz mit möglichst wenigen Zwischenschritten zu finden, wegfallen. Dadurch wird MIMIKRY genauso uninteressant wie ein einmal gelöster Rubik-Würfel. Abgesehen vom nichtvorhandenen Spiel (MIMIKRY kann bestenfalls als Rätsel bezeichnet werden) gibt es noch einen zweiten Kritikpunkt, nämlich die absurde Hintergrundstory (alle Leser, die nicht biologisch interessiert sind, können bereits umblättern). Der Beschreibung nach stellen die Spielsteine Muscheln dar, die nach ihrer Wanderung über den Meeresboden sich mittels einer biologischen Eigenschaft mit der Bezeichnung ''Mimikry'' an den Untergnund anpassen und so für ihre natürlichen Feinde "unsichtbar'werden. Die Geschichte hat allerdings zwei Haken: erstens bezeichnet man die Anpassung eines Tieres an seine Umgebung als "Mimese" (Allo-Mimese bei der Anpassung an unbelebte Gegenstände, wie im Spiel bzw. "Zoo-Mimese" oder Mimikry bei der Anpassung an andere Tiere). Zweitens sind Muscheln aufgrund der Struktur ihrer Schalen überhaupt nicht in der Lage, irgendeine Art von Mimese zu betreiben.

Seltsam, daß offenbar kein Mitglied der wegen ihrer Sorgfalt allseits berühmten Spiele-Redaktion des Ravensburger-Verlages auf die Idee gekommen ist, die Plausibilit"t der Geschichte anhand eines hochspezialisierten biologischen Werkes wie z.B. dem 'groáen Brockhaus' zu prüfen.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daá MIMIKRY ein typischer Vertreter des heurigen Spielejahrganges ist; die Attraktivität der Aufmachung steht in umgekehrten Verhältnis zum Spielwert.