Mimikry
Titel: Mimikry
Autor:
Hersteller: Ravensburger
Kategorie: Denkspiel
Spieler: 1
erschienen: 1989
"Sind Sie Single, sind Sie auch alleine?"
... dann gehören Sie zu einer Personengruppe, die in letzter Zeit so stark an
gewachsen ist, daá die Industrie sie als neue
Käuferschicht für sich entdeckt hat.
So war es nur eine Frage der Zeit, bis nach
Single-Reisen und Fertiggerichten für Singles (auch bekannt als Dosengulasch)
in verstärktem Maß Spiele für eine Person auftauchen würden. Die Firma
Ravensburger bietet in dieser Sparte seit heuer MIMIKRY von
Auf einem Spielbrett mit sechs mal sechs Feldem werden 33 Holzsteine, die auf einer Seite ein
Muschelsymbol tragen und auf der anderen glatt sind, beliebig plaziert, je Feld maximal ein Stein.
Am Rand jeder Zeile das Plans steht eine Zahl von 1
bis 4, die die Zugweite der Muschelsteine dieser Reihe angibt. Man zieht mit
einem Stein waagrecht, senkrecht oder diagonal auf ein freies Zielfeld. Der
gezogene Stein wird mit dem Muschelsymbol nach unten auf das Feld gelegt und
darf bis zum Spielende nicht mehr bewegt werden. Ziel des Spieles ist es
klarerweise, alle Muschelsteine umzudrehen.
MIMIKRY erregte bei seiner Vorstellung in Nürnberg
sofort mein Interesse. Schönes Spielmaterial und ein neuer Vertreter im Bereich
des ohnehin dünn besiedelten Gebietes der Solitärspiele. Beim tatsächlichen
Ausprobieren erlebte ich jedoch eine herbe Enttäuschung. Sobald man nämlich
hier das Herumprobieren zugunsten einer systematischen Suche nach einem
Lösungsweg aufgibt, wird man bald merken, daß es ein
Schema gibt, das unabhängig von der gewählten Ausgangsaufstellung immer mit der
gleichen Anzahl von Zwischenschritten eine Lösung ergibt. Das bedeutet, daß die zwei wesentlichen Reize eines Solitärspieles, der
einstellbare Schwierigkeitsgrad und der Anreiz, einen Lösungsansatz mit
möglichst wenigen Zwischenschritten zu finden, wegfallen. Dadurch wird MIMIKRY
genauso uninteressant wie ein einmal gelöster Rubik-Würfel. Abgesehen vom
nichtvorhandenen Spiel (MIMIKRY kann bestenfalls als Rätsel bezeichnet werden)
gibt es noch einen zweiten Kritikpunkt, nämlich die absurde Hintergrundstory
(alle Leser, die nicht biologisch interessiert sind, können bereits
umblättern). Der Beschreibung nach stellen die Spielsteine Muscheln dar, die
nach ihrer Wanderung über den Meeresboden sich mittels einer biologischen
Eigenschaft mit der Bezeichnung ''Mimikry'' an den Untergnund
anpassen und so für ihre natürlichen Feinde "unsichtbar'werden.
Die Geschichte hat allerdings zwei Haken: erstens bezeichnet man die Anpassung
eines Tieres an seine Umgebung als "Mimese" (Allo-Mimese
bei der Anpassung an unbelebte Gegenstände, wie im Spiel bzw. "Zoo-Mimese" oder Mimikry bei der Anpassung an andere
Tiere). Zweitens sind Muscheln aufgrund der Struktur ihrer Schalen überhaupt
nicht in der Lage, irgendeine Art von Mimese zu betreiben.
Seltsam, daß offenbar kein
Mitglied der wegen ihrer Sorgfalt allseits berühmten Spiele-Redaktion
des Ravensburger-Verlages auf die Idee gekommen ist, die Plausibilit"t
der Geschichte anhand eines hochspezialisierten
biologischen Werkes wie z.B. dem 'groáen Brockhaus'
zu prüfen.
Zusammenfassend läßt sich
sagen, daá MIMIKRY ein typischer Vertreter des
heurigen Spielejahrganges ist; die Attraktivität der
Aufmachung steht in umgekehrten Verhältnis zum Spielwert.