UNSERE REZENSION

 

Der Blaue bleibt bis zum Schluss!

INDIGO

Ganz viel Spiel mit ganz wenig Regeln

 

„Das ist ja fast zu schade zum Spielen“ meint Carmen ehrfürchtig, als ich das Material auf dem Tisch ausbreite. Ein großer Spielplan, der von der Gestaltung her an ein indisches Tuch erinnert, ein paar Sichtschirme, 54 stabile Wegetafeln und vor allem 24 glänzende Glasedelsteine in drei Farben haben sofort ihr Interesse geweckt. Test 1 – Aufforderungscharakter – hat das neue Ravensburger-Spiel „Indigo“ damit schon einmal bestanden. Mal sehen, wie die restlichen Wertungspunkte ausfallen werden.

 

Abstrakt und doch verständlich

Nur vier Seiten Regel und darin sind schon mehr als ein Dutzend glasklare Abbildungen enthalten – auch für den 2. Test – Spielregel – sieht es für „Indigo“ durchaus gut aus. Aber letztlich entscheidet der Inhalt der Regel und ob das, was von uns Spielern verlangt wird, darin klar und verständlich wiedergegeben wird. Schauen wir also mal.

Grundsätzlich ist der neue Wurf von Altmeister Knizia ein abstraktes Spiel, obwohl man ihm ebenso ein Eisenbahnthema wie eine Flucht aus einem mysteriösen Irrgarten in irgendeiner Fantasiewelt hätte überstülpen können. So aber sieht das Gesamtkonstrukt einfach nur toll aus und muss statt mit seinem Thema mit der Spielmechanik auftrumpfen.

Ziel ist es, zwölf Edelsteine, deren Wert durch ihre Farbe bestimmt ist, über verschlungene Wege, die auf den Wegetafeln abgebildet sind, zu den sechs Ausgängen am Rand des Spielbretts zu bewegen. Jedem Spieler sind (im Zweierspiel) jeweils drei Ausgänge zugeordnet und derjenige Spieler, durch dessen Ausgang ein Stein das Brett verlässt, erhält den Stein und damit auch die entsprechenden Punkte – 1 bis 3 davon sind pro Stein möglich. Erbeutete Steine werden hinter dem Sichtschutz geheim gehalten, um ständiges Nachzählen und Rechnen seitens der Gegner zu verhindern und das Spiel nicht unnötig in die Länge zu ziehen.

 

Legen und Bewegen

Einfacher könnte ein Spielzug kaum sein: Wer an der Reihe ist, legt die Wegetafel, die er auf der Hand hält, irgendwo auf dem Spielplan ab. Sie muss noch nicht einmal an bereits liegende Tafeln angrenzen. Tut sie dies aber doch, werden an die gerade abgelegte Tafel angrenzende Edelsteine auf dem Weg soweit bewegt, bis es nicht mehr möglich ist.

Da die grünen Steine sowie der blaue Saphir auf dem zentralen Schatzfeld prinzipiell schwieriger an den Rand zu bewegen sind als die bereits dort ruhenden gelblichen Bernsteine, zählen Smaragde und Saphire verständlicherweise auch mehr als Bernsteine. Am Ende seines Zuges zieht man eine Wegetafel vom Stapel nach und ist fertig. „Das ist ja einfach“, konstatiert Carmen mit einem leicht anerkennenden Kopfnicken und hat damit tatsächlich Recht. „Aber wahrscheinlich kommt dann wieder so eine megakomplizierte Abrechnungsphase…“

Um es kurz zu machen: Nein, sie kommt nicht, denn völlig untypisch für Reiner Knizia wird nicht beispielsweise die eigene Mehrheit an Steinen bei Spielende plötzlich ungültig, es sei denn, man hat mindestens so viele davon, wie der zweitälteste Spieler im Uhrzeigersinn; das aber auch nur, solange nicht insgesamt mehr als 3 Bernsteine im Spiel sind… und es nicht gerade Donnerstag ist. Bei „Indigo“ werden letztendlich einfach alle erbeuteten Steine zusammengezählt und wer die meisten Punkte hat, gewinnt. „Ach..“ haucht Carmen ungläubig. Test 2 eindeutig bestanden.

 

Der Kniff liegt im Detail

Das Spannende an „Indigo“ sind die kleinen Ideen, die im Laufe des Spiels eine faszinierende Wirkung entfalten, vor allem im Spiel zu Dritt oder zu Viert. Dann nämlich gehört ein Ausgang immer zwei Spielern gleichzeitig. Wenn man einen Edelstein dort hinaus bugsiert, erhält auch der Gegen- oder in diesem Fall eher Mit-Spieler einen gleichwertigen Stein aus dem Vorrat.

Das ist clever, denn statt wie bei anderen abstrakten Spielen eher vor sich hin zu brüten, wird bei „Indigo“ tatsächlich miteinander kommuniziert.

Da werden bewusst Bündnisse geschmiedet, um dem vermeintlich Führenden einen wertvollen Stein vorzuenthalten, da lässt man frisch gelegte Wege der anderen bewusst in eine Sackgasse münden bzw. aufeinander zu laufen – dann nämlich prallen die Steine, die bereits darauf unterwegs sind, zusammen und kommen beide aus dem Spiel.

 

Spannend bis zum Schluss

Seine Spannung erhält „Indigo“ auch aus der Tatsache, dass der einzige Stein, der drei Punkte zählt, also letzter ins Spiel kommt. Erst nachdem die fünf Smaragde sich vom Schatzfeld in der Mitte des Spielplans auf den Weg gemacht haben, darf dieser bewegt werden und unter Umständen das Feld von hinten aufrollen. So ist das Spielende, das eintrifft, sobald alle Steine das Brett verlassen haben, immer wieder überraschend und die Punktunterschiede in der Regel sehr knapp.

Während manche nun das zufallsabhängige blinde Ziehen der Wegetafeln bemängeln, schauen diejenigen, die etwas mehr Taktik wünschen, einfach in die Regel. Unter „Tipps“ ist dort fast unmerklich die Variante beschrieben, die darin besteht, immer zwei Wegetafeln zur Auswahl zu haben, eine davon anzulegen und wie gewöhnlich eine nachzuziehen. Selbst daran wurde also gedacht.

 

Fazit

Ich gebe zu, ich bin kein Freund von abstrakten Spielen. Für mich muss das Thema zum Spielen auffordern und mich in eine andere Welt versetzen. Erstaunlicherweise gelingt dies „Indigo“ auch so hervorragend. Die Aufmachung ist durchweg gelungen und wertig, das Spiel bleibt auch nach unzähligen Durchgängen noch spannend und es ist einfach toll zu sehen, wie sich die verschlungenen Wege immer weiter entwickeln.

Der Kollege KMW schrieb jüngst in der „Spielbox“, „Indigo“ sei sein Favorit auf den roten Pöppel – ich wage sogar einen Schritt weiter zu gehen und attestiere ihm schon jetzt den Titel „Spielehit“. Und vielleicht reicht es ja sogar zum „Spiel der Spiele“, weil es Vielspieler wie Familien gleichermaßen in seinen Bann zieht und die beste Werbung für das Kulturgut Spiel ist, das man sicher vorstellen kann. „Genau!“ ruft Carmen und hat bereits die Wegetafeln neu gemischt. „Und was ist – willst du eine Revanche?“ Alles klar. Test 3 – Wiederspielreiz – ebenfalls bestanden!

 

Stefan Olschewski

 

Spieler: 2-4

Alter: 8+

Dauer: 30+

Autor: Reiner Knizia

Grafik: Eckhard Freytag, Walter Pepperle

Preis: ca. 25 Euro

Verlag: Ravensburger 2012

Web: www.ravensburger.de

Genre: Abstraktes Legespiel

Zielgruppe: Für Familien

Version: de

Regeln: de

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Gute, kurze Regel mit Beispielen

Hoher Wiederspielreiz

Sehr schönes Material

Tolles Familienspiel

 

Vergleichbar:

Metro, Wege und andere Spiele, bei denen Wegenetze gelegt werden

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 6

 

Stefan Olschewski:

Kein unnötiger Ballast, das Spiel überzeugt durch seine klare Konzentration auf das Wesentliche, den steigenden Spannungsbogen und die erstklassige Ausstattung.

 

Zufall (rosa): 3

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0