Hase und Igel

Der Klassiker unter den Rennspielen

 

125 Jahre Ravensburger und Ravensburger feiert, auch mit einer Neuauflage von Hase und Igel, Spiel des Jahres 1979, das erste Spiel des Jahres überhaupt und damit auch das erste Spiel des Jahres für den Verlag.

 

Hase und Igel erschien unter dem Titel „Hare & Tortoise“ in England bei Gibsons, und dann bei Ravensburger, dort erlebte es einige Auflagen, eine sogar mit Tonbandkassette zur Spielerklärung. Als man es dann aus dem Programm nahm, hat sich Abacus des Titels angenommen und das Spiel mit veränderter Titelgrafik und dem Originalplan der Gibson-Ausgabe neu auf den Markt gebracht. Nun ist es wieder „daheim“, back to the carroots sozusagen, im Rahmen der Serie „Unsere besten Familienspiele“.

 

Wir haben das Spiel letzte Woche wieder zum Spieleabend mitgenommen, und es war verblüffend, wie wenige unserer Spieler das Spiel noch kannten – ja, wir haben junges Publikum - und daher freue ich mich ganz besonders, dass nun eine neue Generation von Spielern den Klassiker der gefinkelten Laufspiele kennen lernen kann.

 

Die Regeln waren und sind einfach, aber für die damalige Zeit war der Zugmechanismus über die zu bezahlende Karottenmenge eine absolute Novität und ist auch heute noch sehr raffiniert.

 

Die Hasen stehen am Start, vor dem Feld Nummer 1, und sollen die Strecke durchlaufen bis zum Ziel hinter Feld 63. Ist nicht so simpel wie es klingt, denn für die Strecke braucht man Karotten, die Startverpflegung besteht aus 68 Karotten in unterschiedlicher Stückelung, spielen fünf oder sechs Hasen mit, gibt es eine Extraration von 30 Karotten. Die Werte sind 3x1, 2x5, 1x10, 1x15 und 1x 30 für die 68 Start-Karotten. Klingt viel, ist es aber nicht denn man muss seine Züge bezahlen, aber nicht linear, sondern nach einer Formel: Für x Felder muss man x(x+1)/2 Karotten bezahlen, also für 1 Feld 1 Karotte, für 2 Felder 3 Karotten, für 3 Felder 6 Karotten, usw. bis man für 10 Felder bei der exorbitanten Summe von 55 Karotten angekommen ist. Und wer jetzt vor Schreck nicht weiter lesen will, keine Sorge, das Spiel ist benutzerfreundlich, jeder Spieler bekommt eine Karte mit den Kosten für jede mögliche Feldanzahl.

 

Der Hase hat allerdings noch eine Aufgabe zu erledigen, er beginnt das Rennen mit einer Fracht von drei Salatköpfen, die er bis ins Ziel vertilgt haben muss, was ihm allerdings nur auf den Salatfeldern der Laufstrecke möglich ist. Davon gibt es vier, und wenn er eines erreicht, darf er dort stehen bleiben und eine Runde aussetzen und einen Salat abgeben. Merke: Das Salatfeld darf man wie alle Felder nur betreten, wenn es frei ist! Dafür wird aber der erfolgreich vertilgte Salat noch mit 10 Karotten belohnt. Sind die Salatköpfe vernichtet, hat es unser Mümmelmann fast geschafft, kommt er im Ziel als Erster an hat er gewonnen, ABER nur dann wenn er die erlaubte Restmenge an Karotten nicht überschreitet – der Sieger darf nicht mehr als 10 Karotten mitführen, der zweite und dritte nicht mehr als 20 bzw. 30 Karotten. Und im Bauernhof müssen die einlaufenden Hasen in Reihenfolge des Eintreffens stehen bleiben.

 

Warum?

 

Nun, die Laufstrecke hat nicht nur einfach Felder, sondern viele verschiedene Felder. Die Salatfelder haben wir ja schon kennen gelernt, sie sind auf Position 10, 22, 42 und 57 der Strecke zu finden.

Es gibt da noch Positionsfelder, die sind mit einer oder mehreren Ziffern markiert, die sich auf die Position des Hasen beziehen. Erreicht man z.B. ein Feld mit der 4 und ist tatsächlich der Hase in Position 4 auf der Strecke, wenn man wieder dran ist, dann bekommt man das Zehnfache der Position an Karotten ausbezahlt. Und die braucht man dringend, denn die ursprünglichen 68 Karotten reichen nicht sehr lange. Und für diese Position der noch auf der Strecke laufenden Hasen zählt die Position der im Ziel stehenden Hasen mit. Positionsfelder sind die Felder 4, 7, 8, 9, 12, 16, 17, 18, 20, 23, 27, 28, 29, 32, 35, 36, 41, 44, 45, 47, 48, 52, 53, 54, und 60.

 

Hat man das mit der Position nicht passend hingekriegt, kann man immer noch zurückziehen, auf das nächstliegende freie Igelfeld, dafür bezahlt man keine Karotten, sondern bekommt Karotten ausbezahlt, 10 Karotten pro Feld, das man zum Igelfeld zurücklegt. Igelfelder sind die Felder 11, 15, 19, 24, 30, 37, 43, 50 und 56. Beim Vorwärtsziehen hingegen sind Igelfelder tabu und dürfen nicht betreten werden. Im Gegensatz zu anderen besetzten Feldern darf man ein besetztes Igelfeld aber nicht überspringen, ist das nächstgelegene Feld nicht frei, darf man sich nicht zurückfallen lassen.

 

Und damit nicht genug, auch auf den Karottenfeldern kann man Karotten kassieren, 10 Stück, aber nur wenn man eine Runde aussetzt, dafür aber kann man das solange tun wie man will, pro ausgesetzter Runde kriegt man 10 Karotten, auf den Feldern 2, 5, 13, 21, 26, 33, 38, 40, 49, 55, 59, 61 und 63. Ganz toll ist natürlich für Hasen kurz vor dem Ziel auch die Möglichkeit, statt Karotten zu tanken auf diesen Karottenfeldern 10 Karotten loszuwerden, da sind die Karottenfelder kurz vor dem Ziel oft hochwillkommen.

 

Und wenn jetzt jemand meint, das Ganze sei ja nur eine Rechnerei, dann hat er fast Recht, aber nur fast, denn es gibt ja noch die Hasenfelder, und das sind Ereignisfelder. Wer die Hasenfelder betritt, zieht die oberste Hasenkarte vom Stapel und führt die Anweisung aus, und da kann man ganz schön Karotten verlieren oder bekommen, also sollte man das Risiko gut abwägen! Bei den Hasenfeldern gibt es die größte Änderung zu früheren Auflagen, die Hasenkarten. Ursprünglich wurde gewürfelt und dann aus Position und Würfelergebnis das Ereignis ermittelt, dabei waren die Spieler in vorderen Positionen einem größeren Risiko ausgesetzt.

 

Damit jetzt nicht der Eindruck entsteht, das Ganze wäre ziemlich kompliziert, es ist ganz einfach: Die Spieler ziehen der Reihe nach ihre Hasen auf jeweils freie Felder und bezahlen oder kassieren Karotten. Sieger ist derjenige, der als erster das Ziel erreicht und dabei, wenn er 1. ist, höchstens noch 10 Karotten besitzt, als 2. höchstens 20, usw. - und natürlich keinen Salat mehr besitzt. Ganz besonders muss man dabei aber beachten, dass bei allen Feldern, in denen es um die aktuelle Position im Rennen geht, also auf den Salatfeldern, den Hasenfeldern, den Ziffernfeldern und beim Zieleinlauf, die Positionen der bereits im Ziel befindlichen Steine mit berücksichtigt werden!

 

Am interessantesten spielt sich der Hasenwettlauf zu fünft oder sechst, denn da kommen mit etwas Taktik die großen Einnahmen der Positionen 5 und 6 – immerhin 50 oder 60 Karotten – zum Tragen. Aber sogar zu zweit lässt es sich spielen, dann zieht jeder zwei Hasen und bekommt 98 Karotten, für die erste Figur im Ziel kann man beliebig viele Karotten haben, für die zweite noch 20, und muss die 5 Salatköpfe gefressen haben. Es gewinnt, wer zuerst beide Hasen im ziel hat.

 

Auch nach nunmehr fast 30 Jahren ist Hase und Igel noch immer ein gutes Spiel, der Mechanismus funktioniert einwandfrei und ist für ein Laufspiel für mich noch immer einer der besten, der je verwendet wurde. Nicht unterschätzen darf man die – allerdings passive - Interaktion, Planen ist schwierig, da man ja nie sicher sein kann, ob man noch immer der 4. ist, wenn man wieder dran ist und die 40 Karotten kassieren kann, die man so dringend braucht. Oberste Maxime im ganzen Spiel ist, haushalten mit den Karotten und rechtzeitig einen Vorrat anlegen um dann vielleicht mit einem Riesensprung ins Ziel zu kommen.

Eine Facette der früheren Ausgaben ist leider auf der Strecke geblieben, die bei der Planung sehr hilfreich war, die Felder waren gegenläufig nummeriert, also Feld 1 war vor dem Ziel, damit wusste man immer genau die Anzahl der verbliebenen Felder und damit, wie viel man maximal bezahlen muss, um mit einem Schritt ins Ziel zu kommen.

 

Durch die Beschränkung der Karottenmenge kommt man bei diesem Spiel nur mit einer gut überlegten Mischung aus vorwärts ziehen und sich zum Karottengewinn zurückfallen lassen ans Ziel, wer sich nur auf Glück bei den Hasenfeldern verlässt, kann mit nicht aufgefressenem Salat und ohne Karotten ziemlich ratlos auf der Strecke bleiben. Aber genau daran liegt auch – aus heutiger Sicht – das Problem dieses Spiels, es ist ein Solitärspiel mit indirekter Interaktion, ich kann nicht aktiv handeln und jede Aktion, die sich auf einen Mitspieler auswirken kann, kostet mich vermutlich Karotten, die ich anderswo dringend brauchen könnte, und außerdem ist auch die Wirkung nicht sicher, denn wer weiß was sich geändert hat bis er oder ich wieder dran sind. Ein rein sequentielles Spiel eben, heute nicht mehr unbedingt ein Spiel für Vielspieler, aber noch immer ein schönes Spiel für Familien, die simple Regeln schätzen und dass sie erst wenn sie wieder dran sind schauen, was passiert und was sie jetzt tun können oder wollen.

 

Eine verdiente Renaissance für ein „großes“ Spiel, das eigentlich noch immer in jeder Spielesammlung vertreten sein sollte.

 

Spieler         : 2-6

Alter            : ab 10 Jahren

Dauer          : ca. 45 Minuten

 

Autor           : David Parlett

Grafik          : Eckhart Freytag, Walter Pepperle

Vertrieb        : Fachhandel

Preis            : ca. € 22,00

Verlag          : Ravensburger 2007

                     www.ravensburger.de

 

Genre                    : Laufspiel mit Spezialmechanismus

Zielgruppe             : Familie, Freunde

Mechanismen         : Karotten für Züge sammeln und abgeben

 

Strategie                : ***

Taktik                    : *****

Glück                    : *

Interaktion             : *****

Kommunikation      : **

Atmosphäre           : ******

 

Kommentar            :

Spiel des Jahres 1979

Erstes Spiel des Jahres

Mit Plan der Originalausgabe

Vor allem interessant durch Zugmechanismus

 

Vergleichbar:

In dieser Kombination noch immer einzigartig

Zurückziehen um Ressourcen auch in Cartagena

 

Dagmar de Cassan:

Ein Klassiker der Familienspiele, mit einfachen Regeln und trotzdem anspruchsvollem Spielerlebnis.