HUGO KASTNER EMPFIEHLT

CAN`T STOP

Sid Sackson at his best!

 

Liebe Leserin, lieber Leser! Sid Sacksons Can’t Stop wurde zum Kultspiel, zum Genrebegriff und zu einem Klassiker der jüngeren Spiel­geschichte. Mit Freude vergibt das Österrei­chische Spielemuseum daher die Auszeich­nung „Perle der Spielkunst“. Als Autor dieser Kolumne kann ich diese Entscheidung nur voll untermauern. Alle meine persönlichen Begegnungen mit diesem Spiel – und diese gehen in die Hunderte von Partien – waren durch Stimmung, Dramatik und Spielfreude pur gekennzeichnet. Fesselnd! Spannend! Ge­nial! Das Museum in Leopoldsdorf steht Ihnen offen, diese Gefühle selbst zu erleben. (Infos un­ter www.spielen.at).

Heute also fällt mein Lichtkegel im Museum in Leopoldsdorf auf ein wahrhaft süchtig ma­chendes Spiel, Can’t Stop, oder wie es in mei­ner Spielrunde liebevoll heißt: „Bergsteiger“. Einfach unglaublich, wie schwer es uns je­des Mal fällt, die Emotionen zurückzuhalten, wenn es darum geht, noch einen winzigen Schritt in die offene Bergwand zu tun. Ach ja, es geht darum, mit dem in zwei Summen aufgeteilten Ergebnis von vier Würfeln ein paar Bergsteiger (Holzfiguren) verschieden hohe Bergflanken hinaufklettern zu lassen. So lange eine Augensumme fällt, die den Bergsteigern ein Höhersteigen ermöglicht, geht es weiter. Wehe aber, die Würfel sind uns nicht gnädig. Schwupps, stürzen alle sorgsam gesicherten Kletterer ab, minde­stens bis zum Basislager (das ist die zuletzt erreichte Höhe), schlimmstenfalls aber gleich bis zum Bergfuß. Der Jubel der Gegner hallt uns nun erbarmungslos in den Ohren. Scha­denfreude pur! Ich kenne diese leidvollen Sekunden nun seit Jahren zur Genüge und greife doch immer wieder zum „Bergsteiger“. Veranlagung? Lust am Schmerz? Nein, ich komme nicht aus der einschlägigen Sze­ne. Es ist einfach dieser Moment vor dem Siegesschrei, es sind diese Sekunden vol­ler Bangen und Hoffen, diese Augenblicke der inneren und äußeren Anspannung, die Can’t Stop-Partien unvergesslich machen. Wie oft kommt es vor, dass wir alle aufsprin­gen und den entscheidenden Wurf stehend auf den Tisch schleudern. … Dann ist es da, das Siegesgeheul, die geballten Fäuste, die Umarmungen, der Rausch der Sinne – oder aber wir fallen dumpf in unsere Sessel und nehmen wie durch einen Dunstschleier den gnadenlosen Siegesrausch der Gegner wahr. Hätten wir doch nur aufgehört, das ist ja jederzeit möglich! (Das „wir“ ist völlig real, denn bei uns sind Teamspiele angesagt, und wir bangen und leiden immer gemeinsam.) Wo bin ich stehen geblieben? Oh ja, beim Aufhören! Leichter gesagt als getan, denn da ist auch noch die Gier in uns und die Sucht und die Hoffnung und die Lust – immer wie­der peitscht uns die eigene Triebhaftigkeit zu einem allerletzten Wurf. Die Berggipfel scheinen ja so nahe: Gerade mal drei Schritte bei der „2“ und der „12“ (Augensummen sind gemeint, nur diese Führen zum Gipfelkreuz), fünf Schritte bei der „3“ und der „11“ usw. Die mittlere Route ist die Längste, zugegeben, aber die „7“ ist auch die häufigste Zahl. Das wurde von Sackson schon exakt durchge­rechnet. Wie lautet doch der Untertitel: Sid Sackson at his best! Treffender kann ich es nicht umreißen: Der amerikanische Groß­meister der Spielerfinder hat sich mit seinem Can’t stop tatsächlich selbst ein Denkmal ge­setzt. Einfach wunderbar! Mein Werbeslogan muss wohl lauten: I can’t stop playing Can’t Stop!

 

Hugo.Kastner@spielen.at

 

EMPFEHLUNG # 4

 

Spieler: 2-4

Alter: 10+

Dauer: 15+

 

Autor: Sid Sackson

Preis: ca. 20 Euro

Jahr: 1980, 1991, 2005, 2006

Verlag: Parker, Franjos, Ravensburger

    

Taktik: 3 von 10

Info±: 1 von 10

Glück: 6 von 10

 

Can’t Stop wird vom Glück dominiert, keine Frage. Dennoch sollte die Entscheidung wei­terzuwürfeln oder aufzuhören von der auf die Spielsituation bezogenen Wahrscheinlich­keitserwartung abhängig gemacht werden. Doch genau dies ist – wenn auch mathema­tisch-logisch klar – wegen der Emotion und des versteckten Bluffs (die Gegner drohen verbal, im nächsten Wurfzyklus den Gipfel zu erstürmen) nicht immer einfach durchzuhal­ten. Wie sind ja letztlich keine Maschinen …

 

Hugos EXPERTENTIPP

Wir spielen Can’t Stop immer mit allen vier Farben gleichzeitig, und zwar in Teams oder bei zwei Spielern durch abwechselndes Ein­setzen der Steine. Gewinner ist das Team, das zuerst fünf eigene „Bergsteiger“ auf die Gipfel bringt. Basislager dürfen immer nur einen Stein enthalten, das heißt, es gibt kein Übernachten, auch nicht im Basislager eines Partners, son­dern der aktive Kletterer muss weiterwürfeln, bis er einen unbenutzten Lagerplatz findet. Und das kann dramatisch eng werden, glau­ben Sie mir.

 

Hugos BLITZLICHT

Sie suchen ein schnelles Spiel ohne lange Re­geln? … Eine Stimmungsgarantie? … Teamge­fühl und gruppendynamische Erlebnisse? Kein Problem: Greifen Sie einfach zu Can’t Stop, dem Dauerbrenner des Altmeisters Sid Sackson. Egal, welche Ausgabe Sie auch verwenden, es geht immer rund bei diesem Würfelrausch der reinsten Form. Unumwunden muss ich zuge­ben: I can’t stop playing Can’t Stop!

 

VORANKÜNDIGUNG: RISIKO

50 Jahre Risiko - Kultspiel aus Frankreich 1957-2007