Rezension
Übertage, Untertage
Haspelknecht
Der Kohlesaga dritter Teil
In den letzten Jahren erschien mit Ruhrschifffahrt 1769-1890, 2012 und Kohle und Kolonie, 2013, beide bei Spielworxx zwei Spiele von Autor Thomas Spitzer die das Thema Kohlebergbau im Ruhrgebiets behandeln. Mit Haspelknecht erschien 2015 der dritte Teil dieser Serie, diesmal beim niederländischen Verlag Quined Games. Wir erspielen uns hier den Anfang der Geschichte des Kohleabbaus im 16. Jahrhundert, beginnen auf unseren bäuerlichen Anwesen die oberflächennahe Kohle abzubauen bis wir uns im späteren Spiel untertage bewegen. Der namensgebende Haspelknecht ist übrigens jener Geselle der die Haspel bediente mittels derer die abgebaute Kohle aus dem Stollen gezogen wurden.
Jeder Spieler erhält zu Spielbeginn ein identisches Spieltableau auf dem an markierten Stellen kleine schwarze Würfel gelegt werden, die Kohle die jeder Spieler im Laufe des Spiels bei sich abbauen kann. Ferner wird ein Raster mit sechseckigen Plättchen zufällig und spielerzahlabhängig aufgelegt. Jedes Plättchen repräsentiert eine Technologie die im Laufe des Spiels entwickelt werden kann um direkt oder indirekt Siegpunkte oder kleine Vorteile für das Spiel zu erwerben.
Das Spiel läuft über 3 Jahre. Jedes Jahr hat 4 Jahreszeiten. Der Winter dient nur zur Wertung. Frühling, Sommer und Herbst laufen im Prinzip gleich ab und sind jeweils quasi eine Spielrunde.
In jeder Spielrunde wählt jeder Spieler zunächst seine Aktionsscheiben mit denen dann in der folgenden Aktionsphase Aktionen durchgeführt werden können.
Das Wählen der Aktionsscheiben ist das Highlight des Spiels und mir in dieser Form auch noch nicht untergekommen. Diese Aktionsscheiben gibt es in drei Farben, schwarz, braun und gelb. Pro Spieler wird jeweils ein Pool mit sechs zufällig aus einem Beutel gezogenen Aktionsscheiben befüllt. Beginnend beim Startspieler wählt nun jeder Spieler einen Pool und nimmt dort alle Aktionsscheiben einer Farbe. Danach können in einer zweiten Runde nochmal jeweils verbliebene Aktionsscheiben einer Farbe in einem Pool gewählt werden, allerdings nicht mehr als insgesamt 5 Schieben pro Spieler. Abhängig von der Wahl der Aktionsscheiben im ersten Durchgang wird eine neue Spielerreihenfolge festgelegt.
Jeder Spieler hat nun also Aktionsscheiben in maximal 2 Farben die genutzt werden können, nicht genutzte verfallen. Zu Beginn haben wir 3 Personen die mit den Aktionsscheiben aktiviert werden können. Bauer und Knecht können alle Farben nutzen. Mit schwarzen Aktionsscheiben wird Kohle abgebaut oder Grubenwasser entfernt, braune bringen Holz und gelbe Getreide. Allerdings kann jeder Arbeiter nur eine Aktionsart durchführen, diese aber beliebig oft. So kann der Knecht mit drei braunen Aktionsscheiben drei Holz schlagen, aber nicht mir einer braunen ein Holz und gleichzeitig mit einer gelben ein Getreide ernten. Alternativ kann der Bauer eine Technologie entwickeln. Dazu müssen die passenden Aktionsscheiben auf den Bauer gelegt werden, wie auf dem gewünschten Technologieplättchen abgebildet. Der Kohlegräber kann nur durch genau eine gelbe Aktionsscheibe, ein Getreide oder einen Thaler aktiviert werden um, etwas effizienter als Bauer und Knecht, Kohle und Grubenwasser zu fördern. Thaler sind aber eine sehr wertvolle und rare Ressource die nur durch Technologien erworben werden können. Sobald die oberflächennahe Kohle, in der sogenannten Pinge abgebaut wurde wird der Kohlegräber durch Hauer und Haspelknecht ersetzt, die untertage abbauen beziehungsweise Kohle und Grubenwasser aus dem Stollen befördern.
Natürlich sind bei den Aktionen noch einige Details zu beachten, so kann Kohle beispielsweise nur abschnittsweise abgebaut werden, wenn das zum Abstützen notwendige Holz vorhanden ist und der zufällige Technologieraster ist quasi ein Technologiebaum, höherstufige Technologien können nur dann entwickelt werden, wenn eine ihrer Vorgänger schon bekannt ist.
Durch all diese Aktionen werden auf die eine oder andere Weise Siegpunkte oder Dinge erworben, die in einer recht komplizierten Endwertung noch zu Siegpunkten werden. Nach in Summe neun Aktionsphasen gewinnt wer diese am besten nutzen konnte um die meisten Siegpunkte zu sammeln.
Erfreulicherweise gibt es verschiedene Möglichkeiten um eine konkurrenzfähige Anzahl an Siegpunkten anzuhäufen. Viele Punkte bringt der Abbau von Kohle, die durch die passenden Technologien noch deutlich vermehrt werden können. Alternativ kann man auch technologielastig spielen und den Kohleabbau nahezu vernachlässigen, auch wenn das am Thema etwas vorbeigeht.
Das entscheidende Element ist aber das Wählen der Aktionsscheiben, das taktisch hochinteressant ist. Mit Spielerreihenfolge, Anzahl und Farbe der Aktionsscheiben müssen gleich drei wesentliche Aspekte beachtet werden, die natürlich auch immer situationsabhängig und somit für jeden Spieler anders zu bewerten sind.
Die grafische Gestaltung wirkt auf mich düster, was aber gut zum Thema passt und auch spielerisch gut funktioniert. Allerdings habe ich einen wesentlichen Kritikpunkt: Die Endwertung ist nicht gerade intuitiv, zumal fast alle Elemente unterschiedlich gewertet werden. Wünschenswert wäre daher eine kleine Wertungsübersicht die jeder Spieler vor sich liegen hat, diese fehlt aber. Auch die Spielregel ist recht einfach gehalten. Sie lässt zwar keine Fragen offen, aber in Hinblick auf grafische Gestaltung und Übersichtlichkeit hat sich in den letzten Jahren ein deutlich höherer Standard etabliert.
Markus Wawra
Spieler: 2-4
Alter: 12+
Dauer: 90+
Autor: Thomas Spitzer
Grafiker: Johannes Sich
Preis: ca. 45 Euro
Verlag: Quined Games 2015
Web: www.quined.com
Genre: Aufbau, Worker Placement
Zielgruppe: Für Experten
Version: multi
Regeln: de en fr nl
Text im Spiel: nein
Kommentar:
Vollständige, aber sehr einfach gestaltete Spielanleitung
Schöner Aktionsmechanismus
Thematischer Tiefgang
Fehlende Wertungsübersicht
Vergleichbar:
Amerigo, Orleans
Andere Ausgaben:
Capstone (en)
Meine Einschätzung: 6
Markus Wawra:
Mir gefällt der Mechanismus mit dem ich bei Haspelknecht meine Aktionsscheiben wählen muss. Die mehrdimensionale Entscheidung die ich hier jedes Mal treffen muss um Spielerreihenfolge, Art und Effizienz der Aktionen auszubalancieren trifft genau meinen Geschmack. Daher ist auch eine hohe Bewertung gerechtfertigt. Einen Punkt Abzug gibt es aber, weil mir die strategischen Möglichkeiten zu beschränkt sind. Ich denke hier wäre mit dem schon vorhandenen Element der Technologien mehr möglich gewesen.
Zufall (rosa): 1
Taktik (türkis): 3
Strategie (blau): 2
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0