Rezension

 

Des Kaisers neue Kleider und Bücher und Bilder und Statuen und …

 

Agra

                  

Eine Aktion pro Runde ist nicht genug

 

Agra entführt uns nach Indien ins Jahr 1572. Mogul Akbar der Große feiert seinen 30. Geburtstag. Wir, ehrgeizige Großgrundbesitzer begeben uns auf die Reise nach Agra um den Mogul mit prächtigen Geschenken zu beglücken. Unterwegs versuchen wir noch einflussreiche Persönlichkeiten zu umwerben und regen Handel zu treiben. Denn nur einer von uns wird als reichster Händler in Agra ankommen.

 

Das Spiel läuft reihum bis eine von drei Endbedingungen erfüllt ist. Wer am Spielzug ist macht eine Hauptaktion. Dazu setzt man einen Arbeiter auf ein Feld ein. Ist ein gegnerischer Arbeiter schon dort schicke ich diesen einfach zu seinem Besitzer zurück, der bekommt dafür Gunst aus dem Vorrat, was zu seinem Vorteil ist. Außer der verdrängte Arbeiter meditiert, dann bekommt man nichts. Steht schon mein eigener Arbeiter dort muss ich Geld bezahlen um die Aktion durchzuführen.

 

Die Aktionsfelder erlauben:

 

Soweit so einfach und auch nicht wirklich neu.

 

ABER … (und das ist ein dickes fettes ABER)

 

… zusätzlich kann jeder Spieler in seinem Spielzug optional, vor der Hauptaktion beliebig viele seiner eingesetzten Arbeiter meditieren lassen, so sie das nicht schon tun. Dafür bekommt man Meditationspunkte die man für bestimmte Meditationsaktionen nutzen kann, z.B. das Tauschen oder Liefern von Waren.

 

… zusätzlich kann jeder Spieler in seinem Spielzug optional, nach der Hauptaktion eine Lieferung an eine der Gilden oder an den Mogul machen.

 

… zusätzlich kann jeder Spieler in seinem Spielzug optional, jederzeit in seinem Spielzug beliebig viele Zusatzaktionen machen. Diese kosten Gunst oder bestimmte Ressourcen und erlauben alles Mögliche. Es ist sogar möglich während des Spiels neue Zusatzaktionen zu erwerben.

Man hat also verdammt viele Möglichkeiten.

 

Hier liegt die große Stärke aber auch die große Schwäche des Spiels.

Bei Agra ist es mir noch nie passiert, dass ich das Gefühl hatte ich kann nichts machen. Im Gegenteil, meistens gibt es viele gute, schöne Optionen aus der ich die Beste auswählen müsste. Das verleitet zum Grübeln. Zu beurteilen welche Option die Beste ist, ist nicht wirklich einfach, denn auch im nächsten Zug habe ich wieder viele Optionen und das Spiel hat auch einige interaktive Elemente.

 

Je nachdem mit wem man am Tisch sitzt kann die Wartezeit daher ganz schön lang werden. Ich würde daher auch nur bedingt empfehlen das Spiel die ersten Male schon mit der maximalen Spieleranzahl zu spielen, was vier Spieler wären. Zu zweit oder dritt geht es doch deutlich zügiger dahin. Aufgrund seiner Komplexität - Agra ist hier aufgrund seiner vielen Möglichkeiten ganz oben einzuordnen - richtet sich Agra auch ganz klar an erfahrene Spieler mit Sitzfleisch und Geduld. Alleine für die Regelerklärung würde ich mal eine gute halbe Stunde einplanen. Für das Studium des 28 Seiten starken Regelhefts nochmal deutlich mehr. Das Regelheft kommt in vier Sprachen (Englisch, Deutsch, Französisch, Niederländisch) und ist an sich sehr gut geschrieben.

 

Auch sonst ist Agra üppig ausgestattet. Der erste Eindruck ist opulent. Ein riesiger Spielplan, ein dreidimensionaler Wertungsplan, vier Spielerbretter, zahlreiche Holzspielsteine (in den sonst ungewöhnlichen Spielerfarben neon-gelb, Magenta, türkis und orange) und diverse Kleinteile. Die Schachtel ist bis obenhin gefüllt und wiegt mehrere Kilogramm. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass die Qualität des Spielmaterials nicht höchsten Ansprüchen gerecht wird. Da gibt es bessere Produzenten. Die grafische Gestaltung ist aber sehr schön, von Großmeister Michael Menzel.

 

In Summe ist bei Agra alleine aufgrund der Materialfülle, der stolze Preis von ca. 65 Euro durchaus gerechtfertigt. Auch wenn ich der Meinung bin, dass der dreidimensionale Wertungsplan zwar zweifellos ein Hingucker ist, aber eigentlich unnötig ist und ein billigerer, zweidimensionaler Plan praktischer wäre. Auch sonst wären kleinere Spielsteine sinnvoller gewesen.

Nichtsdestotrotz, meine Kritik ist auf einem hohen Niveau, in Summe hat der niederländische Verlag Quined Games einen sehr guten Job gemacht. Autor ist Mike Keller, den kennt man vielleicht von La Granja.

Zusammenfassend ist Agra eine klare Empfehlung für Freunde von hochkomplexen Strategiespielen wert. Alle anderen werden spätestens beim Regelstudium aussteigen.

 

Markus Wawra

 

Spieler: 2-4

Alter: 12+

Dauer: 120

Autor:  Mike Keller

Grafik: Michael Menzel

Preis: ca. 65 Euro

Verlag: Quined Games 2017

Web: www.quined.nl

 

 

Genre: Handelsspiel

Zielgruppe Für Experten

Version: multi

Regeln: de en fr nl

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Hochkomplex - 4 Arten von Aktionen pro Spielzug

Sehr viele Möglichkeiten

sehr gute Spielregel

opulentes, ungewöhnliches Spielmaterial

 

Vergleichbar:

Vinhos, Grand Austria Hotel

 

Andere Ausgaben:

Maldito Games (es), angekündigt

 

Gesamt: 6

 

Markus Wawra:

Ich bin ein Fan von komplexen Strategiespielen. Daher ist Agra eigentlich genau mein Spiel. Was die Möglichkeiten im Spielzug betrifft, gibt es kaum ein Spiel das mithalten kann. Kleine Abzüge gibt es, weil es ein wenig an Eleganz fehlt und Agra sehr Downtime-gefährdet ist.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 3

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0