Terra X
Terra X
Reisespiel für 2-6 Spieler ab 10 Jahren
von Wolfgang Kramer
Queen Games, 1995
Wenn man den bekannten amerikanischen Spieleautor Alan
R. Moon nach seinen Lieblingsspielen befragt, so werden sehr bald zwei Titel
von Wolfgang Kramer genannt: "Niki Laudas Formel 1" und
"Abenteuer Tierwelt". Manchem mögen diese beiden
Titel gar nichts sagen, was nicht weiter verwundert,
denn beide sind schon lange nicht mehr am Markt; bis vor wenigen Monaten
wenigstens, denn zumindest "Abenteuer Tierwelt" ist seit Essen wieder
erhältlich.
Aber nicht als "Abenteuer Tierwelt" bei
Ravensburger, sondern als "Terra X" bei Queen Games, wo die Linie der
Autorenspiele, die mit "Die Hanse" und der Wiederauflage von
"Dampfroß" einen so vielversprechenden Anfang nahm, eine, so meine
ich, würdige Fortsetzung erfährt.
Der Name »Terra X« wurde nicht von ungefähr gewählt,
denn wie bei der gleichnamigen Fernsehserie geht es um Faszinierendes auf
unserem Planeten. Das können Orte wie etwa die Chinesische Mauer genauso sein,
wie der Quastenflosser, ein erst 1938 wiederentdeckter Fisch im Indischen
Ozean. 79 dieser Sehenswürdigkeiten, verstreut über die ganze Erde, sind auch
als Karten vorhanden. 9 bis 12, je nach Spieleranzahl, erhält jeder Mitspieler
und soll nun diese Orte aufsuchen. Dazu bedient man sich einer von drei
Expeditionen, die alle irgendwo in Grönland starten.
Messerscharf folgern Sie nun, daß also nur bis zu
drei Spieler teilnehmen können, doch weit gefehlt: Die Expeditionen gehören
keinem der Spieler, jeder darf an jeder teilnehmen.
Wer am Zug ist, nimmt also einen Expeditionspfeil -
es gibt sie in drei verschiedenen Farben - und legt ihn am Ende der entsprechenden
Expedition an; das ist ganz wichtig, denn ein Abzweigen ist normalerweise nicht
erlaubt. Im allgemeinen führt er damit die Expedition an einen der 79
besonderen Orte. Und schon heißt es höllisch aufpassen, denn wann immer eine
der Expeditionen einen der Orte erreicht, den man als Karte auf der Hand hat,
darf man diese ablegen und die Reise dorthin als erledigt betrachten. Dabei ist
es völlig egal, wer die Expedition dorthin führte. Das ist die Spielidee, die
nun durch einige Zusätze verfeinert wird. Neben den wichtigen Orten gibt es am
Plan auch Plätze, zu denen es keine entsprechenden Karten gibt, die aber nicht
minder unwichtig sind, die einen Orte sind durch grüne, die anderen durch rote
Punkte markiert.
Führt man eine Expeition an einen grünen Punkt, so
darf man sofort nochmals einen Pfeil legen und zwar bei einer, wenn man will,
anderen Expedition. Erreicht man hingegen einen roten Punkt, dann erhält man
dafür einen Reisegutschein, von denen
man bereits zu Beginn drei besitzt. Jeder Reisegutschein
erlaubt es, eine von drei Möglichkeiten auszuführen:
a) einen weiteren Pfeil zu legen,
b) den letzten Pfeil einer Expedition wieder vom
Plan zu nehmen und
c) eine seiner Karten austauschen.
Diese Gutscheine sind, das merkt man sehr bald, sehr
sehr wichtig und daher darf man pro Runde auch nur zwei davon einsetzen.
Sobald jemand alle Karten ablegen konnte, endet das
Spiel - nur gewonnen hat er noch keineswegs, auch wenn die anderen für jede
nicht erledigte Aufgahe Minuspunkte erhalten. Der Grund dafür sind die
öffentlichen Aufträge. Das sind sechs Karten, die offen ausliegen und von jedem
Spieler erfüllt werden können. Wer immer also eine Expedition zu einem Ort
zieht, der als öffentlicher Auftrag ausliegt, darf diese Karte an sich nehmen,
so er es überhaupt merkt. Danach werden die öffentlichen Aufträge wieder auf
sechs Karten ergänzt.
Die erste Partie wird sicherlich etwas zäh
verlaufen, da man große Probleme hat, die entsprechenden Orte am Spielplan zu
finden. Dies war sehon bei »Abenteucr Tierwelt" ein Problem, ist es aber
hier noch mehr. Zwar besitzen die Felder, die zu den entsprechenden
Örtlichkeiten gehören, je nach Kontinent eine andere Farbe, die auch auf den
Karten wieder auftaucht, doch ist das zuwenig. Auch die Bilder, die sowohl auf
Karten als auch verkleinert am Spielplan abgedruckt sind, helfen hier wenig,
weil der Spielplan voll davon ist, sie zu klein und zum Teil auch etwas zu
dunkel sind. Doch schon bei der zweiten Partie, und es wird mit Garantie nicht
die letzte bleiben, weiß man schon, wo der Tempel in Angkor oder die
Felsenmalereien in Arnhelmland zu finden sind.
Und nun kann man sich auf das wesentliche
konzentrieren. Gewonnen wird eine Partie "Terra X" nämlich meist
durch geschicktes Ausnützen der oben erwähnten grünen und roten Sonderfelder
sowie der Reisegutscheine. Besonders im Südatlantik und dem südlichen Indischen
Ozean kommen diese so gehäuft vor, daß man hier schon ganz genau überlegen muß,
um das Optimum herauszuholen. Und noch etwas sollte man dabei beachten.
Normalerweise darf man ja bei einer Expedition nicht
abzweigen, sondern muß immer an deren Ende anlegen. Wenn es nun aber gelingen
sollte, die Expedition zu schließen, dann darf man sofort einen weiteren Pfeil
anlegen und zwar an einem beliebigen Punkt der Expedition. Dies ist oft der
einzige Weg, um doch noch einen Ort zu erreichen, dann man nie mehr zu
erreichen glaubte. In einer Variante wird das dann etwas eingeschränkt, doch
mag ich das nicht so sehr, weil mir dieses völlige auf den Kopf stellen der bisherigen
Situation viel besser gefällt.
Dies ist auch deshalb notwendig, weil das
Gegeneinander bei "Terra X" etwas mehr vorherrscht als bei
"Abenteuer Tierwelt". Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß jeder Spieler
drei seiner Ziele bekanntgeben muß und durch Chips am Spielplan markiert. Daß
man eine Expedition natürlich möglichst daran vorbeiführt, wenn es sein muß,
auch durch den Einsatz von Reisegutscheinen, versteht sich von selbst.
Besonders brutal wird das bei jener Variante, bei der überhaupt alle Reiseziele
bekannt sind, auch wenn man diese selbst auswählen durfte.
Aber wie auch immer, egal in welcher Variante
gespielt, "Terra X" macht einfach Spaß und gehört für mich zum
Besten, was Wolfgang Kramer geschaffen, und zum Bewsten, was es auf dem Sektor
der anspruchsvollen Familienspiele zu finden gibt. Ob man nun als Besitzer
eines "Abenteuer Tierwelt" unbedingt die Neuausgabe kaufen muß, weiß
ich nicht, da ich nicht die Zeit hatte, mein Exemplar herauszusuchen und mit
dem neuen Spiel zu vergleichen.
Allen jenen aber, die das alte Spiel nicht ihr Eigen
nennen, kann ich die Neuauflage "Terra X" nur wärmstens ans Herz
legen.