Port Royal
Port Royal
von Wolfgang Panning
für 3 bis 4 Spieler
ab 10 Jahren
Queen Games 2000
ca. 60 Minuten
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WIN-Wertung:
* Port Royal
W SS U I P AA 3 - 4
h
1684. Der gesamte westindische Seeraum ist in
der Hand des Königs von Spanien. Spanische Handelsflotten bringen zahlreiche
Schätze und Handelsgüter von den Kolonien ins spanische Mutterland. Wen
wundert's, dass da viele Piraten in der Karibik von solchen Reichtümern
angelockt werden. Diese Korsaren - einige davon tragen so klingende Namen wie
Henry Every oder Edward Teach alias "Blackbeard" - stehen sogar unter
dem Schutz der englischen Krone, die ihren Erzrivalen um die Seeherrschaft auf
diese Weise schaden wollen. In Jamaica finden die Freibeuter einen sicheren
Zufluchtsort vor den spanischen Kriegsschiffen. Dort - im Hafen von Port Royal - feiern sie, dort
prahlen sie um die Wette und dort schachern und dort zocken sie auch um die
Handelsgüter, die sie erbeutet haben.
Das Spiel "Port Royal" versetzt uns
genau in dieses Szenario. Die außergewöhnlich gute Grafik der Spielschachtel
und des gesamten Spielmaterials ist derart ansprechend, dass wir uns gerne die
Augenklappe aufsetzen, unser Holzbein anschnallen und sogleich danach trachten,
auch wirklich die größte Beute auf unsere Schiffe zu laden, beim Klabautermann!
Doch lassen wir uns nicht von Äußerlichkeiten
blenden, schauen wir uns zuerst einmal den Spielablauf an. Es handelt sich bei
"Port Royal" im Grunde genommen um ein Kartenstichspiel. "Oh
Gott!", höre ich schon einige meiner Leser sagen. In letzter Zeit gab es
wahrlich eine Flut von mehr oder weniger originellen Stichspielen, was sollte
ein weiteres da noch Neues bieten können? Nun, zwar finden wir auch hier
bekannte Elemente, dazu aber ausreichend neue Ideen und Mechanismen, um eine
nähere Betrachtung zu rechtfertigen.
Die Stichkarten gibt es in 4 Farben, wobei jede
Farbe für einen anderen legendären Piratenkapitän steht. Nach dem Mischen
erhält jeder Spieler 8 Karten, zwei Karten kommen verdeckt als Talon auf den
Tisch. Bevor das eigentliche Stichspiel beginnt, müssen noch einige Details geregelt
werden: Wer darf sich die Karten vom Talon nehmen? Wer darf die Trumpffarbe
bestimmen? Und wer wird Startspieler? Dies sind ziemlich starke Vorrechte, die
schon sehr entscheiden können, wie viele Stiche man machen kann. Daher werden
diese "Privilegien" unter den Spielern ersteigert.
Was können Piraten schon zum Steigern anbieten?
Da sie noch keine Schiffe beladen haben, machen sie Schulden, sie bieten
sozusagen um zukünftige Beute. Auf dem Ablagetableau des höchstbietenden
Piraten wird das Gebot auf der Schuldenskala markiert. Dafür erhält er oben
erwähnte Privilegien: er darf die zwei Talonkarten austauschen, die Trumpffarbe
benennen und einen Startspieler bestimmen.
Das Stichspiel selbst läuft nach relativ
einfachen Regeln ab: Eine angespielte Farbe muss nicht bedient werden, selbst
wenn es die Trumpffarbe ist. Mit Trumpf darf man nur dann stechen, wenn man die
Farbe nicht bedienen kann. Die höchste Karte im Stich gewinnt, also entweder
die höchste Trumpfkarte, oder - wenn nicht getrumpft wurde - die höchste Karte
der angespielten Farbe. Wird allerdings eine "Klabautermann"-Karte
gespielt, verlieren alle Karten eines Stichs - also auch die Trümpfe! - ihre
Farbe und es gewinnt die Karte mit dem höchsten Kartenwert. Bei Gleichstand gewinnt
die Karte, die zuletzt gespielt wurde. Dieser Kniff hat zur Folge, daß keine
Karte im vorneherein einen hundertprozentigen Stich bedeutet. Selbst ein
vermeintlich sicherer Stich mit der höchsten Trumpfkarte kann durch einen
"Klabautermann" noch vereitelt werden. Da bis auf die zwei Karten im
Talon, welche nun nur der "Privilegierte" weiß, alle Karten im Spiel
bekannt sind, kann man dem Spiel an dieser Stelle einen ziemlich hohen
taktischen Charakter zusprechen.
Wozu macht man aber überhaupt Stiche? Natürlich
um Beute zu machen. Wer einen Stich erobert, darf sich eine Beutekarte
aussuchen. Die Beutekarten stellen alles das dar, was ein Seeräuber so zum
Leben braucht: Schiffszwieback, Schießpulver, Tabak und - eh klar! - Rum. Die
Werte der Karten sind in Tonnen ausgedrückt und reichen von 2 bis 12. Dazu gibt
es noch einige Sonderkarten, die das Gewicht der Waren, der Laderäume und die
Verteilung der Fracht noch etwas modifizieren können. Zu Beginn einer Runde
werden neun Beutekarten vom gemischtem Stapel offen ausgelegt. Der Startspieler
legt fest, welche Beutekarte der nächste Stich machen wird. Der Gewinner des
Stichs muss die Beute sofort in einem seiner Schiffe unterbringen, wobei die
verschiedenen Handelsgüter sorgfältig getrennt gelagert werden müssen. Jeder Spieler
hat sozusagen ein Schiff für Rum, eines für Schießpulver, und so weiter. Dann
bestimmt der Stichgewinner den nächsten Startspieler, der wiederum die nächste
Beutekarte festlegt. Nach 8 Stichen sind die Handkarten der Spieler
aufgebraucht und die Runde somit zu Ende.
Dann folgt eine neue Runde mit acht neuen,
offenen Beutekarten (die von der letzten Runde verbliebene Karte wird mit einer
verdeckten Bonuskarte etwas aufgewertet). Die Piratenkarten werden wieder
gemischt und an jeden 8 Karten ausgeteilt, wieder wird um die Privilegien
gesteigert, etc. Nach sechs Runden nach demselben Schema ist der Streit um die
Beute beendet und es gewinnt der Spieler, der auf seinen vier Schiffen die
meiste Beute - nach Tonnen gemessen - geladen hat, abzüglich seiner vorher
gemachten Schulden, versteht sich.
Nun kommen wir aber zum originellen Teil, denn
nur viele, möglichst wertvolle Stiche zu machen, wäre doch etwas zu einfach und
banal, oder? Der Clou ist, daß man nicht jeden Stich auch tatsächlich haben
will. Die Schiffe weisen nämlich nur einen begrenzten Laderaum auf. Bei vier Spielern gerade mal 18 Tonnen. Man
kann sich vorstellen, was passiert, wenn ein Schiff mehr Tonnen auflädt, als es
überhaupt fassen darf: Blub blub!! Die Devise lautet daher: Im Laufe der sechs
Runden seine vier Schiffe so nahe wie möglich an die maximale Höchstlast
beladen, aber ja nicht drüber. Verbunden mit dem Stichspiel ergibt dies ein
äußerst reizvolles Spielchen, bei dem man seinen Piratenkollegen das eine oder
andere Mal gehörig auch in die Suppe spucken kann. Mit den bereits erwähnten
Sonderkarten unter den Beutekarten lässt sich - Gott sei Dank - noch so manches
Unglück abwenden, weshalb gerade diese Karten sehr beliebte Beutestücke sind.
Es stimmt also fast alles: passende Spielgeschichte
und nahezu perfekte graphische Gestaltung, schönes und funktionelles
Spielmaterial (in allerdings viel zu großer Schachtel) und ein ansprechendes,
reizvolles Kartenspiel. Bevor diese Spielebeschreibung allerdings zu einer
einzigen Lobeshymne ausartet, muss ich jedoch das große Manko von "Port
Royal" erwähnen: Es spielt sich nicht flüssig! Es ist keinesfalls so, dass
die Karten wie beispielsweise beim Schnapsen - zack, zack! - auf den Tisch
fliegen. Jedes Ausspielen will sorgfältig überlegt werden. Dann Stich für Stich
die Entscheidung, wer der nächste Startspieler sein soll. Dieser muss abwägen,
um welche Beutekarte gespielt werden soll. Kurz ausgedrückt: Es spielt sich
nicht flüssig. Besonders, wenn einige lange Grübler am Tisch sitzen, kann sich das
Spiel etwas in die Länge ziehen. Aber wie gesagt, dafür hat man wirklich ein
selten gutes, taktisches Kartenspiel. Wer mehr auf fetzigere Kartenspiele
steht, sollte daher lieber die Finger davon lassen. Allen anderen kann ich
"Port Royal" nur empfehlen.