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Nur nicht den Teufel an die Wand malen!
FRESKO
Restauration für Maler mit Stimmungsschwankungen

 

„Raus aus den Federn, du nichtsnutzige Schlafmütze. Der Markt hat nicht den ganzen Tag geöffnet!“ – „Ja, Meister (gähn). Bin ja schon wach…“ Ausgeschlafen sollte man schon sein, wenn man sich anderthalb Stunden lang in die Renaissance begibt, um als Freskenmaler dem Deckengemälde im Dom zu neuem Glanz zu verhelfen. Bevor es aber soweit ist und die zwei bis vier Konkurrenten bei FRESKO ihre Kunst beweisen können, ist einiges auf dem doppelseitig bedruckten Spielplan (eine Seite zeigt den Ort des Geschehens für drei, die andere für vier Spieler) zu platzieren. Eine große hölzerne Malerfigur jedes Spielers wird zur Nachtruhe in der Herberge untergebracht, eine weitere in das Theater gesetzt.

 

Hier wird die aktuelle Stimmungslage im Malerbetrieb eines Spielers dargestellt – unzufriedene, nörgelnde Gehilfen arbeiten schlechter und weniger effektiv, was im Spiel Nachteile bringen kann – ganz wie im richtigen Leben. Die dritte und letzte Figur landet schließlich dort, wo sich nach gut 80 Minuten entscheiden wird, wer durch seine Arbeit am Deckenfresko den Bischof am stärksten beeindrucken konnte: auf der Siegpunktleiste, die in bester Kramermanier den Spielplan umrundet. Zu Beginn freilich verweilen die Maler zunächst punktlos auf dem Startfeld.

Die kleine Stadt, die sich vor uns auf dem Spielplan auftut, ist geprägt von dem großen Deckenbild im Dom in der Mitte, das zu Beginn von 25 quadratischen Pappplättchen verdeckt wird. Diese zeigen in Form von aufgedruckten Farbtöpfen, welche Farbkombination abzugeben ist, um das Plättchen – und die ebenfalls darauf ersichtlichen Siegpunkte – zu erhalten. Wird das Plättchen vom Plan genommen, kommt darunter ein Teil des Freskos in ganzer Pracht zum Vorschein. Das sieht schön aus und sorgt dafür, dass sich das Deckenbild im Laufe des Spiels nach und nach entwickelt – ein ästhetischer Anblick, der das Thema und die Aufgabe der Spieler perfekt widerspiegelt.

 

Die zur Restauration benötigten Farben sind auf dem Markt erhältlich, dessen vier Stände am oberen Rand des Spielplans in jeder Runde eine zufällig gezogene Kombination aus Farben feilbieten. Die Werkstatt (in der sich der Farbvorrat in Form kolorierter Holzklötzchen befindet) sowie das Atelier (in dem sich durch das Malen von Portraits ein kleines Zubrot in Form von Münzen verdienen lässt) vervollständigen das Stadtbild. Das alles hat Oliver Schlemmer äußerst gefällig und funktional zugleich auf dem Spielplan verewigt. Passend, wenn man bedenkt, dass gerade bei einem Spiel, das sich um die Malerei dreht, auch das Auge mitspielt.

Guten Morgen!

Der frühe Vogel fängt bekanntlich den Wurm – nicht anders ist es bei FRESKO. Denn zu Beginn jedes Zuges ist in der Herberge die Aufstehzeit für die eigenen Gehilfen festzulegen. Derjenige mit den wenigsten Siegpunkten beginnt und setzt seine Malerfigur auf das entsprechende Feld. Dadurch wird die Spielerreihenfolge für die folgende Runde festgelegt. Wer früh aufsteht, ist zuerst am Zug, hat die freie Auswahl am Markt, zahlt aber auch mehr als ein Langschläfer, der für gerade einmal eine Münze den kläglichen Farbtopf ersteht, der auf dem Markt noch übrig ist. Doch nicht nur Zugreihenfolge und Preis werden durch die Aufstehzeit bestimmt, sondern (logischerweise) auch die Stimmung der Gehilfen, Wer wochenlang um 5 Uhr aus den Federn muss, wirkt mit der Zeit ziemlich demotiviert. Die Folge: Die Stimmung sinkt und im Extremfall wandert gar einer der Gehilfen ab und steht schlicht nicht mehr zur Verfügung. Andererseits gesellt sich bei extrem guter Stimmung in einem Betrieb sogar ein zusätzlicher Gehilfe dazu, was im Laufe der Runde eine zusätzliche Aktion ermöglicht. Und damit sind wir auch schon beim eigentlichen Ablauf.

Gut geplant ist halb gewonnen

Als Betriebsleiter ist es unsere Aufgabe, hinter einem Sichtschirm den Einsatz unserer (in der Regel bei gemäßigter Stimmungslage) fünf hölzernen Gehilfen zu planen. Dazu dient ein Tableau, das die Orte des Spielplans zeigt und auf das wir unsere Gehilfen setzen. Jeder Ort darf pro Runde von maximal drei Gehilfen besucht werden. Bei fünf Orten und fünf Gehilfen ist hier gute Planung gefragt, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Danach wird der Sichtschirm entfernt und die Orte in vorgegebener Reihenfolge abgehandelt, wobei auch hier immer derjenige beginnt, der am frühesten aufgestanden ist – ein planbarer Startspielervorteil, wenn man so will. Gleich nach dem Aufstehen geht es also gähnend auf den Markt, um Farben zu kaufen oder – und das ist das Gemeine – einfach einen Marktstand zu schließen. Das ist kostenlos, daher auch bei Geldknappheit durchzuführen und kann den nachfolgenden Spielern, die auf ganz bestimmte Farben spekuliert haben, gehörig die Suppe versalzen.

Im Dom darf jeder Gehilfe wie bereits beschrieben ein Plättchen restaurieren, das nicht nur einmalig die aufgedruckten Siegpunkte bringt, sondern zudem, umgedreht vor dem Restaurator abgelegt, auch zu Beginn jeder Runde eine zusätzliche Münze als Einkommen. Wer es dann noch schafft, ein Plättchen zu restaurieren, auf dem gerade die weiß gewandete Bischofsfigur steht oder ein ihm benachbartes, gibt es obendrein einen Bonus von drei beziehungsweise zwei Zusatzpunkten.

Wem die Einnahmen aus erfolgreich restaurierten Freskoteilen nicht genügen, hat danach die Chance, im Atelier für jeden dort eingesetzten Gehilfen je drei zusätzliche Münzen einzusacken, bevor es in die Werkstatt geht. Hier werden die erkauften Farben zusammengemischt. Und das ist bitter nötig, denn die wirklich wertvollen Freskoplättchen verlangen die Abgabe von z.B. grünen oder violetten Farbklötzchen – und diese können nur durch eine gelungene Farbmischung beschafft werden.

Los, Stimmung!

Zeit für geistige Erbauung bleibt bei dem ganzen Stress nicht viel und da ist es gut, sich oder vielmehr seinen Gehilfen ab und an einen Besuch im Theater zu gönnen. Das hebt pro Figur die Laune um ganze zwei Punkte und bringt bei absoluter Top-Motivation sogar eine zusätzliche Gehilfenfigur, sodass ab der folgenden Runde sechs Helfer zur Verfügung stehen – was wiederum die Laune des Spielers hebt, der sie führt. Überhaupt ist die Laune am Spieltisch in jedem der absolvierten Testspiele durchweg positiv gewesen. Trotz der durchaus vorhandenen Komplexität sind der Ablauf und die Funktion der einzelnen Orte derart logisch, realistisch und eingängig, dass kaum Verständnisfragen auftauchen. Dies ist auch nicht zuletzt der gut aufgebauten und verständlich bebilderten Regel zu verdanken, die den Ablauf auf lediglich acht Seiten vollständig erläutert.

Ende gut – alles gut?!

Wenn nur noch sechs oder weniger Plättchen im Dom liegen, beginnt die letzte Runde, in der die Spieler sogar zwei Mal am Fresko arbeiten dürfen, um quasi im Endspurt den Punktestand noch zu ihren Gunsten zu drehen. Zuletzt werden noch die restlichen Münzen der Spieler in Siegpunkte umgewandelt und wer dann die meisten davon besitzt, gewinnt das Spiel. Das war’s. Und das war’s gleichzeitig auch nicht. Denn entgegen der sonst gängigen Praxis, erst ein paar Monate später für teures Geld eine Erweiterung nachzuschieben, hat der Verlag gleich drei zusätzliche Spielmodule mit in die Schachtel gepackt, die das Spiel taktischer, aber zugleich auch unübersichtlicher und verkopfter werden lassen. Für Vielspieler sicher ideal, der spielenden Familie sei eher das oben beschriebene Grundspiel nahegelegt, das auch und gerade durch die schlanke Form ohne weitere Farbmischungen, Auftragsplättchen des Bischofs und Porträtkarten mit Sonderfunktionen durchaus seine Qualitäten besitzt.

Wirklich neue Elemente haben die beiden Autoren Marco Ruskowski und Marcel Süßelbeck in ihrem Erstlingswerk nicht verwendet, dafür aber bekannte Mechanismen derart gekonnt und fein austariert verwoben, dass FRESKO selbst mehr ist als nur die Summe seiner Einzelteile.

 

Zwei sind einer zu wenig

Ach ja, FRESKO ist übrigens auch zu zweit spielbar. Theoretisch zumindest. Praktisch sieht es so aus, dass wieder mal ein neutraler imaginärer Mitspieler eingeführt wird, der hier wenigstens stilecht Leonardo heißt, der abwechselnd von beiden Spielern ergänzend zum eigenen Spielzug geführt wird. Das wirkt sehr konstruiert und hatte wohl nur den Sinn, das verkaufsfördernde „2-4 Spieler“ auf die Schachtel drucken zu können. Im tatsächlichen Ablauf fällt die Zweier-Variante leider etwas ab.

 

Fazit

Es gibt wenige Spiele, die Gelegenheits- und Vielspieler gleichermaßen ansprechen. Neben dem viel gelobten „Finca“ gehört auch „Fresko“ eindeutig dazu. Das Fehlen fast jeglichen Glücksanteils reizt Taktiker und Strategen, die schöne Gestaltung und die bei aller Komplexität leicht verständlichen Regeln lassen aber auch die spielende Familie nicht vor der ein oder anderen Partie zurückschrecken. Und wenn es der dann doch einmal langweilig werden sollte, gibt es ja immer noch die drei enthaltenen Erweiterungsmodule. Noch drei weitere sind übrigens laut Verlagsangaben bereits in Planung. Dann aber so wie es sich gehört: als separate Erweiterung in einer eigenen Schachtel.

 

Spieler         : 2-4

Alter            : ab 10 Jahren

Dauer           : ca. 60 min

 

Autor           : Marco Ruskowski und Marcel Süßelbeck

Grafik          : Oliver Schlemmer

Vertrieb A.   : Piatnik

Preis            : ca. 35,00 Euro

Verlag          : Queen Games 2010

                     www.queengames.com

 

Genre          : Strategisches Optimierungsspiel
Zielgruppe    : Mit Freunden

Mechanismen: Farben sammeln, mischen, gegen Siegpunkte tauschen

 

Kommentar:

Gewinner Deutscher Spielepreis 2010

Stimmungsvolle Gestaltung
Hoher Aufforderungscharakter durch wertiges Material
Perfekt konstruierte und austarierte Spielmechanik
Großer Tiefgang bei einfachen Regeln
Für Familien und Experten gleichermaßen unterhaltsam

Vergleichbar:

Cuba, Im Schutze der Burg, Stone Age und andere  Spiele mit Einsetzen von Arbeitern und Eintausch von Rohstoffen für Siegpunkte.

 

Atmosphäre: 6

Stefan Olschewski

Schön gestaltetes Optimierungsspiel – gut austariert mit vielen pfiffigen Ideen und gutem „Flow“.

 

Zufall                          1

Taktik             3

Strategie__                2

Kreativität                 

Wissen_                     

Gedächtnis                

Kommunikation         

Interaktion                 2

Geschicklichkeit        

Action