Hauen
und Bauen
Eketorp – Die Wikingerburg
Bluff, Glück und Kampfeslust im Namen von Thors
Hammer
Zugegeben, ich mag ja Spiele, die wirklich
Atmosphäre transportieren. Was Queen Games bei der
Neuauflage von "Jenseits von Theben" bereits hervorragend
gelang, schafft der Verlag aus Troisdorf nun mit Dirk Henns
"Eketorp" mindestens genauso gut. Bereits beim Betrachten des
Spielplans und der Vorbereitung des Materials fühlt man sich in die Zeit
streitbarer Wikinger zurückversetzt, was die Lust auf eine erste Partie
steigert. Worum geht es also?
Hauen und Bauen
Jeder Spieler führt einen Wikingerstamm an und hat die Aufgabe, eine Burg zu
errichten, die feindlichen Angriffen trotzt. Dazu hat jeder in Meeresnähe
einen Bauplatz zur Verfügung und je nach Spielerzahl 5 bis 8
Wikingerfiguren, die an diversen Orten des Spielplans eingesetzt werden können,
um beispielsweise Baumaterial zu sammeln oder - was oft noch reizvoller ist -
bereits im Bau befindliche gegnerische Burgen zu belagern und dort schon verbautes
Holz, Gras oder Steine abzugreifen. Klingt nach Action. Und danach, die
Mitspieler endlich einmal wieder ordentlich ärgern zu dürfen. Zu Recht!
Zunächst jedoch ist erst einmal Planung angesagt,
denn die rauen Männer aus dem Norden waren ja angeblich auch begnadete
Taktiker. Jedenfalls ist das bei Dirk Henns Wikingern so. Jeder Spieler
hat hinter seinem Sichtschirm eine Miniaturausgabe des Spielplans liegen, auf
dem er heimlich seine Wikinger platziert. Zu Beginn jeder Runde zeigt eine
zufällig gezogene Materialkarte an, welche Materialien wie oft auf welchen der
insgesamt sieben Materialfeldern zur Verfügung stehen. Da gibt es Gras, Holz,
Lehm und Stein, dargestellt durch farbige Holzklötze, wobei jedes Baumaterial
wiederum einen anderen Wert besitzt. Stein als das wertvollste Material ist mit
vier Punkten oft heiß begehrt, denn diese Punkte gehen in die Endabrechnung
ein, wenn man das Material in seiner eigenen Burg verbaut. Ebenso stehen die
Belagerungsplätze vor den gegnerischen Burgen als Ort für die Wikinger zur
Verfügung, weshalb es manchmal ratsam sein kann, auch einige Figuren zur
Verteidigung in der eigenen Burg zu positionieren. Die Zahl der Figuren reicht
aber leider nie aus, um überall aktiv zu werden. Hat sich jeder entschieden, wo
er wie viele Figuren einsetzen möchte, werden alle Sichtschirme entfernt und
die Figuren anhand dieser Planung auf den Spielplan gesetzt. Und spätestens
jetzt zeigt sich, wie gut man die Interessen seiner Mitspieler
voraussehen konnte. Denn überall dort, wo sich genügend Material für alle
anwesenden Figuren befindet, erhält jeder Spieler ein Klötzchen und zieht damit
friedlich von dannen, zurück in seine Burg. Reicht das Angebot jedoch nicht aus
- was trotz aller Planung, Einschätzung und Bluffstrategien recht häufig der Fall
ist - kommt es unweigerlich zum Kampf.
Rüdes Gerangel
Wo wer zuerst geben wen antreten muss, bestimmt zunächst der Startspieler der
aktuellen Runde. Und dann kommt Leben in die Bude. Beide Spieler entscheiden
sich verdeckt für eine ihrer vier Handkarten, die sie für den Kampf verwenden
wollen. Wer die höchste Zahl gelegt hat, gewinnt, der Verlierer muss das Feld
räumen und wird ins Lazarett geschickt. Je höher die Differenz
zwischen den gespielten Karten, desto länger benötigt ein unterlegender
Wikinger zur vollständigen Genesung. Hier kommt eine Variation
des schon aus Klaus Teubers "Adel verpflichtet" bekannten
Gefängnismechanismus zur Anwendung. Am Ende jeder Runde werden die Verletzten
ein Lazarettfeld weiterbewegt und stehen erst nach Verlassen des letzten Feldes
wieder zur Verfügung.
Eine Belagerung läuft ähnlich ab. Hier darf der
Belagerer, sollte er den Kampf gewinnen, die oberste Schicht der schon
verbauten Materialien aus der Burg des Verteidigers entfernen und selbst
verbauen. Dabei darf er jedoch nur Baustoffe im Wert der Differenz der beiden
Kampfkarten wählen. Das macht den Erwerb eines lukrativen Steinblocks immens
schwer.
Clever gelöst ist der Abschluss eines Kampfes, denn
die Beteiligten tauschen die soeben gespielten Karten gegenseitig aus und legen
sie verdeckt ab. Erst, wer alle vier Handkarten verbraucht hat, darf die
abgelegten wieder aufnehmen. Auf diese Weise muss ein zuvor recht kampfstarker
Nordmann später wohl oder übel mit vergleichsweise schwächeren Karten
auskommen. Ein kleiner Kniff mit großer Wirkung. Am Ende einer Runde baut jeder
das erbeutete Material in seine eigene Burg ein und der Startspieler wechselt.
Nicht erworbenes Holz und Gras bleibt auf den Materialfeldern liegen, Lehm und
Stein kommen aus dem Spiel und eine neue Materialkarte wird
aufgedeckt. Die nächste Runde kann beginnen.
Keine Spur von Strategie
Man kann von „Eketorp“ behaupten, was man will, eines ist es auf keinen Fall:
Ein Strategiespiel. Viel zu zufällig erfolgt die Verteilung des
Baumaterials, zu unvorhersehbar sind die Züge der Mitspieler, zu glücksabhängig
ist der Ausgang der Kämpfe. Hier geht es vielmehr darum, taktisch das Beste aus
der aktuellen Situation herauszuholen. Einige Dinge sind durchaus plan- oder
vielleicht besser ahnbar. Wenn ich mir merke, wer welche Karten nach
welchem Kampf erhalten hat, weiß ich nach vier Kämpfen,
welche Werte dieser Spieler auf der Hand hält und kann so die
Chance auf einen erfolgreichen Angriff erhöhen. Allerdings nur, wenn der
Gegner nicht kurz vor einem Kampf ein oder mehrere seiner fünf Amulette
einsetzt, um die Karten auf seiner Hand gegen neue vom Nachschubstapel
auszutauschen. Gemeinheit! Und womit soll man überhaupt angreifen, wenn die
Hälfte der eigenen Männer gerade im Lazarett ihre Blessuren auskuriert?
Kampf ist also nicht immer das optimale Mittel
zum Erfolg. Nur wie soll sich dieser vermeiden lassen, wenn man nicht weiß, was
genau die anderen vorhaben? Viele Fragen gilt es zu bedenken, viele Probleme
einzukalkulieren. Dass "Eketorp" dabei dennoch nicht zu einer
langweiligen Denkaufgabe verkommt, ist den eingängigen Mechanismen zu
verdanken, die schnell erklärt und verinnerlicht sind. Und der schnellen
Planungsphase, die wesentlich weniger verkopft abläuft als die Vorbereitung der
Züge bei Spielen wie beispielsweise "RoboRally" oder
"Morgenland", die ebenfalls eine vorherige geheime Planung
voraussetzen. Bei "Eketorp" sind die
Möglichkeiten glücklicherweise begrenzter und der Spielverlauf flüssiger.
Wer zuerst seine Burg mit einem Wall aus insgesamt
sechs Stapeln mit je drei Baumaterialien umgibt, beendet das Spiel. Für
die fertige Burg erhält er einen Bonus von 5 Punkten, jeder verbaute Stein
zählt seinen Wert und jedes nicht eingesetzte Amulett bringt einen weiteren
Punkt. Wer dann die meisten Punkte hat, gewinnt. Alternativ endet eine Partie
spätestens, wenn die letzte Materialkarte aufgedeckt und die Baustoffe verteilt
wurden, was in der Regel seltener vorkommt. So oder so ist bis dahin
eine knappe, ziemlich turbulente Stunde vergangen.
Aus dem Bauch heraus
"Eketorp" lässt sich auch mit jüngeren Spielern hervorragend aus dem
Bauch heraus spielen, ohne dass der Führende uneinholbar wäre, denn
Überraschungen gibt es - vor allem in voller Besetzung - immer wieder, was den
Spielreiz auch auf Dauer im oberen Bereich hält. Vorausgesetzt, man kann sich
für eine knackige Mischung aus Bluff, Glück und einer ganz kleinen
Portion Taktik erwärmen. Die Grafik ist stimmig und wesentlich
übersichtlicher als das doch recht abstrakte Original von db-Spiele aus dem
Jahr 2002. Auch hier hat Queen wieder einmal alles richtig gemacht. Die
bewährten Mechanismen hingegen wurden praktisch unverändert übernommen und nur
in Feinheiten optimiert. So dauert eine Partie heute maximal 10 statt 12 Runden
und Stift und Papier für die heimliche Einsatzplanung der Gefolgsleute wurden
durch den praktischen Miniplan hinter dem Sichtschirm ersetzt.
Zugegeben, ich mag ja Spiele, die wirklich
Atmosphäre transportieren. Und wenn sie dann auch noch spielerisch das halten,
was sie atmosphärisch versprechen, mag ich sie umso mehr. Zum Beispiel so ein
Spiel wie "Eketorp". Ich würde übrigens zur Verköstigung der
mitspielenden Wikinger während des Spiels einen Krug mit Met empfehlen, um die
Atmosphäre perfekt zu machen.
Fazit
Alles in allem eine frische Mischung aus Bluff, Glück und Taktik, obwohl
das Originalspiel schon knappe sechs Jahre auf dem Buckel hat. Am
spaßigsten in voller Besetzung und mit den richtigen Mitspielern. Der kreative
Kampfmechanismus macht auch Vielspielern Lust aufs Ausprobieren.
Spieler: 3-6
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 60 Minuten
Autor : Dirk Henn
Grafik : Jo Hartwig
Vertrieb : Piatnik
Preis : ca. € 28,00
Verlag : Queen
Genre :
Taktisches Bluffspiel
Zielgruppe : Familie und Freunde
Mechanismus: Einsatz der Figuren planen, Kämpfe abwickeln und Material sammeln
Strategie :
**
Taktik : *****
Glück : *****
Interaktion : ******
Kommunikation : *****
Atmosphäre : ******
Kommentar:
Stimmiges Material und atmosphärische Grafik
Pfiffiges, kartenbasiertes Kampfsystem
Einfache Regeln und guter Spielfluss
Für Strategen und Nachtragende ungeeignet
Vergleichbar:
Morgenland, RoboRally
Stefan
Olschewski:
Schön, dass hier endlich mal wieder bis zu sechs Mitspieler gleichzeitig Spaß
haben können, ohne dass einem Dauergrübler auf die Nerven gehen. Leichtes,
eingängiges Geschehen, das trotz allem Glück Raum für taktische Überlegungen
bietet.