Das Spiel:
Dschunke
Autor:
3-4 Spieler ab 10 Jahren
Ca. 90 min
WIN-Wertung:
* AA UU II W S 3-4 m
Wir Spieler haben es eigentlich gut. Für uns findet
Weihnachten gleich 3 x statt. Neben dem orthodoxen Fest im Dezember gleich nochmals
im Februar wenn die Nürnberger Neuheiten herauskommen und dann Ende Oktober
wenn dasselbe in Essen passiert. Dementsprechend aufgeregt und neugierig habe
ich also auf die Neuerscheinung 2002 gewartet.
Eine davon war „DSCHUNKE“. Der Begriff stammt aus dem
Malayisch/ Portugiesischen und beschreibt ein chinesisches Segelfahrzeug für
Fluss- und Seeschifffahrt mit flachem Schiffsrumpf (Tragfähigkeit bis zu 500
Tonnen), meist mit Decksaufbauten und bis zu 5 Masten. Je Mast ein aus Bast
geflochtenes Segel, das mit Bambusleisten verstärkt ist.
Der erste Eindruck vom Spiel: Eine beachtliche Schachtel
von Queen Games. Sollte ich einmal von meiner Frau aus der Wohnung gewiesen
werden – der Zeitpunkt rückt infolge meiner stetig wachsenden
Brettspielsammlung immer näher, fürchte ich – so kann ich mit ähnlichen
Kalibern wie sie ja auch Goldsieber gerne auf den Markt wirft mir sicher eine
ansehnliche Heimstatt bauen. Außerdem fällt der Karton durch eine zweifellos
ansprechende Optik auf. Erinnert mich ein wenig an die Asienromane von Clavell
(Tai-pan und Noble House Hongkong), die übrigens auch Grundlage für ein
Wirtschaftsspiel waren.
Und jetzt beginnt ein Problem: So wie Motorfreaks beim
sonoren Klang eines Motors den Verstand verlieren und Instandhaltungskosten,
Verbrauch etc. nicht einmal ignorieren so geht es mir bei entsprechenden Boxen.
Ich sinke auf das geistige Niveau eines 4-jährigen, stammle nur noch „Mut tu
haben“ und schon wieder ist das Raumangebot eines meiner Zimmer um einen halben
Kubikmeter kleiner. So wie man mit den Augen ißt – schön angerichtetes Essen –
läßt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen schon bevor man gekostet hat, so
assoziiere ich trotz manchmal negativer Erfahrung: Großer Karton + schöne
Grafik = Superspiel! Dieses Mal habe ich mit meiner Einschätzung Gott sei Dank
Glück gehabt. Zwar habe ich mir vom äußeren Cover zuerst ein Spiel mit
chinesischen Piraten oder Ähnliches erwartet, aber mitnichten. Eigentlich geht
es um eine Art asiatischen Naschmarkt im Kleinformat, wobei das Angebot
ziemlich beschränkt ist: Reis, Fisch, Gemüse und Gewürze, also 4 Produkte. Das
hat mit den schwimmenden Märkten Asiens nur wenig zu tun. Wer je das
pulsierende Leben auf diesen Kähnen erlebt hat, weiß was ich meine. Die
Vielzahl der Gerüche, Laute, sowie das Feilschen der Menschen um – für uns –
exotische Leckerbissen sind beim besten Willen in einem Brettspiel nicht
einzufangen. Das soll aber die Leistung von Michael Schacht, dem Autor,
keinesfalls schmälern. Mit seinem Spiel ist es ihm gelungen weitaus
kostengünstigere Unterhaltung zu liefern, als dies eine Asienreise darstellt.
Zum Spielziel: Gewinner wird der oder diejenige, die am
Ende das meiste Geld durch den Verkauf o.a. Produkte erwirtschaftet hat, wobei
der Einkauf kostenlos ist (das würde ich auch für meine Firma wünschen) und nur
durch Nachschubkarten geregelt wird.
Vorerst liegen 5 Schiffe an der Mole, 4 davon bieten nur
jeweils eine Ware an, das 5. alle 4 Produkte. 3
Kapitäne mit verschiedenen Aktionsmöglichkeiten werden nun einzeln auf den
Kähnen postiert. Einer ermöglicht die Platzierung von Kisten auf seinem Schiff,
ein anderer den Verkauf der Ware und letzterer gibt Warenkarten seines Schiffes
aus. Auf deren Bedeutung komme ich noch zurück. Da nach Adam Riese 2 Schiffe
unbemannt bleiben gibt es noch „Gehilfen“ (einer bei 3 Spielern, zwei bei 4),
die auf einer Aktionsleiste, welche auch gleichzeitig als Rundenzähler dient,
eine bestimmte Aktion bei einer der „offenen“ Dschunken ermöglichen.
Zu Beginn jeder zu spielenden Runde wird vom im
Uhrzeigersinn wechselnden Startspieler eine von 10 Marktkarten aufgedeckt,
welche den Wert anzeigt, der in dieser Runde für die einzelnen Waren zu
erzielen ist. Mal bringt Fisch 4 Yüan und Reis nur 1 Yüan, während es für
Gemüse nur eine Sonderkarte gibt und Gewürze mit 2 Yüan abschneiden. Es
wechselt von Runde zu Runde. Apropos Sonderkarten: Es gibt 30 Stück davon, die
in 4 gleichmäßigen! Stößen zu Beginn neben der Pier verdeckt aufgelegt werden.
(Wie das gehen soll, wenn die Zahl durch 4 nicht teilbar ist, muß mir der Autor
mal erklären). Sie gewähren einerseits einen für die gesamte Spielzeit
dauernden Vorteil, wie eine zusätzliche Nachschubkarte oder Tausch von
Warenkarten, aber auch manchmal nur einmalige Aktionen unabhängig von den
jeweils geltenden Regeln und last not least schließlich Bonusmöglichkeiten bei
Spielende. Wer sich für den Erwerb von Sonderkarten entscheidet, darf sich
einen der 4 Stapel nehmen und sich die ihm genehme Karte aussuchen. Während des
Spiels gibt es außerdem 2 Runden wo alle reihum in den Genuss von Sonderkarten
kommen. Die Karten haben einen wesentlichen Einfluss auf die Spielentscheidung.
Wie gesagt nach Aufdecken der Marktkarte entscheiden sich
die Spieler reihum für einen der Kapitäne auf den Schiffen bzw. den Gehilfen
und somit auch für ihre Aktion in dieser Runde. Nun kommt demjenigen, der
Kisten auf das Schiff platziert besondere Bedeutung zu. Gibt es nämlich bei
normalem Verkauf 3 Yüan – desgleichen alternativ 3 Warenkarten – so steigt der
Betrag bzw. die Anzahl pro sichtbarer Kiste der eigenen Farbe bis zu 9.
Dazu erhält jeder Spieler zu Beginn etliche Ladestreifen
mit jeweils 3 Kisten seiner Farbe. Diese werden bei entsprechender Aktion auf
dem Laderaum des Schiffes platziert. Maximal 2 Streifen, also 6 Kisten. Sobald 3
Streifen nebeneinander liegen wird um 90 Grad verdreht geschlichtet und damit
darunter liegende abgedeckt. Es zählen nur offen sichtbare Kisten für die
Wertung!
Dies ist der 2. Knackpunkt in dem Spiel, weil abgesehen vom
Mehrerlös auch bei Spielende viele offene Kisten bzw. bestimmte Konstellationen
Extrapunkte in Form von Yüan bringen.
Nach den erwähnten Aktionen (Kisten platzieren, Verkauf
bzw. Warenkarten erhalten) gibt es Nachschub. Pro Nachschubkarte – zu Beginn
erhält jeder Spieler 2 Stück – nimmt sich jeder die entsprechende Anzahl
Karten, wobei die Auswahl frei ist. Nach dieser Aktion findet der Warenpoker
statt. Jetzt geht es um die Yüan laut Marktkarte bzw. die Sonderkarte. Die
Spieler bieten verdeckt mit Warenkarten in ihrer Hand für eines der Produkte.
Der Bestbieter erhält die jeweiligen Yüan bzw. Sonderkarte. Sollte Gleichstand
sein wird geteilt und eventuell nach unten abgerundet. Die Sonderkarte verfällt
in diesem Fall. Es wird um alle 4 Produkte geboten, nötigenfalls sogar in 4
Entscheidungen. Das war aber in meinen Spielrunden nie der Fall. Hier liegt
meines Erachtens auch eine Schwäche. Sollte ein Spieler infolge genügend
offener Kisten 6 oder mehr Warenkarten einer Sorte erhalten und sich beim
Nachschub nochmals bedienen, ist er beim Poker in dieser Sorte praktisch
unschlagbar und keiner der Runde vergeudet eigene Karten dieser Sorte. Gebotene
Warenkarten verfallen nämlich und werden wieder auf den jeweiligen Schiffen
abgelegt.
Nach dieser Aktion werden die Kapitäne im Uhrzeigersinn auf
den Schiffen verschoben. Auch der Startspieler wechselt, eine neue Marktkarte
wird aufgedeckt und die nächste Runde beginnt.
Übrigens der Spielstand = augenblicklicher Geldbetrag wird
geheim gehalten und muss nur in Runde 5 und 9 offen gelegt werden.
Zum Spielmaterial gibt es kaum etwas zu bemängeln, gerade
das Spielgeld hätte ich mir doch griffiger und größer gewünscht als das bessere
Briefmarkenformat in dem es jetzt daherkommt. Schade, denn es passt so gar
nicht zu der sonst einwandfreien Ausstattung.
Zum Spiel selbst bin ich mir selbst nicht ganz im Klaren.
Von den Spielen, die ich von Michael Schacht besitze, gefällt es mir am besten
– ob es der ganz große Wurf ist, kann ich nicht sagen; dazu fehlen mir noch
einige Partien mehr. Die Kistenplatzierung mit dem Element der Wiederabdeckung
ist ganz interessant. Regulär kommt man zu dieser Aktion erst nach 5 Runden
wieder ins selbe Boot und dann ist man möglicherweise durch die Zugreihenfolge
blockiert. Bleiben also nur die Sonderkarten oder Gehilfen um dort
Veränderungen herbeizuführen. Tatsache ist, dass man als Startspieler jeweils
vor dem Dilemma steht: Verkaufen, damit Geld ins Haus kommt – schließlich sind
die Yüan am Schluss das einzig ausschlaggebende Siegkriterium. Oder man
platziert Kisten in der Hoffnung dass niemand dagegen arbeitet. Alternativ
hortet man Warenkarten um wichtige Sonderkarten zu erlangen. Dieser Zwiespalt
ist eigentlich das typische Merkmal eines guten Spiels. Leider bedingt das auch
lange Überlegungen, die relativ lange Wartezeiten für die Mitspieler bedingen.