Unsere Rezension
Eine Hommage für A. Vespucci
Amerigo
Hochblüte der Seefahrt und Entdeckungen
Stefan Feld als Autor ist sicher einer der innovativsten Spielentwicklerin der Szene. Seine Spielorte findet er oft in Europa vergangener Tage. In Notre Dames (Paris), Speicherstadt (Hamburg), Rialto (Venedig), Strasbourg, Brügge. Aber auch in der Südsee (Bora Bora) ist er zu Hause, nicht zu vergessen das antike Rom und Trajan, mit dem der Verlag Ammonit einen beachtenswerten Einstieg in die Vielspielerszene schaffte. Nicht umsonst landete er in den letzten 7 Jahren eben sooft auf der Empfehlungsliste für den Preis „Spiel des Jahres“. 3 Mal verpasste er als zweiter nur knapp den „Deutschen Spielepreis“.
Dieses Mal war er auf der Spur der Entdecker und Seefahrer. Zu diesem Thema gab es schon einiges wie unter anderem „Columbus“, „Magellan“, „Vasco da Gama“ und „Wikinger“. Neu in diesem illustren Kreis ist nun Amerigo Vespucci. Der lebte zu Kolumbus Zeiten und während jener bis zu seinem Tod der Meinung war einen Seeweg nach Indien gefunden zu haben, glaubte Vespucci nach seinen Reisen nach Südamerika einen neuen Kontinent erreicht zu haben. Er prägte auch den Begriff „Neue Welt“, der sich auch einbürgerte und war für die Namensgebung „Venezuela“ und „Rio de Janeiro“ verantwortlich. Den Beweis für seine Vermutung erbrachte erst 20 Jahre nach seinem Tod der Spanier Balbao mit der Erreichung des Pazifikufers auf Höhe des heutigen Panamas. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits der Begriff „Amerika“ durch einen deutschen Kartographen zu seinen Ehren eingeführt. Ursprünglich als „Americus“ in der lateinischen Form, dann aber in Anbetracht dessen, dass „Europa“ und „Asia“ weibliche Form aufwiesen in America“ geändert.
Soweit die Vorgeschichte, die Stefan Feld wie ich annehme zu dem Titel und dem Spielablauf inspiriert haben dürfte. Es ist glaube ich kein Geheimnis, dass ich bekennender „Stefan Feld-Fan“ bin, dementsprechend führte mich auch mein erster Weg in Essen 2013 voller Neugier zum Stand von Queen Games, um seine letzte Neuheit anzusehen. Vorweg, es ist ein großes Spiel – zumindest was die Abmessung der Box betrifft. Die 43 x 32 x 9 cm sprengen zumindest den meist üblichen Rahmen. Dem entsprechend erwartet uns auch eine Fülle von Material.
So erhält jeder Spieler ein Tableau mit 3 Skalen für Gold, Fortschritt und Kanonen sowie einen Platz für Warenmarker der Rohstoffe. Es gibt Kaffee, Kokos, Tabak, Zucker und Baumwolle. Dazu die nötigen Zählscheiben auch für die Siegpunktleiste und Rangleiste zur Reihenfolgeermittlung. Die beiden letzteren finden sich am Zentralplan. Pro Farbe gibt es auch 12 Häuser, Kontore genannt, 2 Schiffe und 16 Dorfplättchen in verschiedenen Abmessungen. Zum allgemeinen Material gehören 4 Zeitmarker, 6 Piratenmarker unterschiedlicher Stärke, 40 Rohstoff- und 50 Warenmarker als Multiplikator. 24 Fortschrittmarker und 37 allgemein zugängliche Landschaftsplättchen ergänzen das Angebot.
Nun kommen wir zur Insellandschaft die es zu entdecken gilt. Ein mehrteiliger Rahmen umfasst 16 Platten, die je nach Anordnung bei jedem Spiel eine neue Konstellation ergeben. Für 2 oder 3 Spieler gibt es einen verkleinerten Plan für 9 bzw. 12 Teile. Bei der Gestaltung gibt es die Möglichkeit eine oder mehrere Großinseln mit über 20 Landteilen zu kreieren. Jedes Eiland muss ringsum von Wasserfeldern umgeben sein um sowohl vom Rahmen (= offene See) als auch sonst von den Schiffen erreichbar sein.
Neben dem Inselarchipel stellt der Zentralplan das Kernstück des Spiels dar. Er weist einen Platz für die bis zu 5 Stück Piratenmarker aus, die auch gleichzeitig die Rundenanzahl vermitteln. Ebenso eine Auslage für Fortschrittsmarker, die man erstehen kann. Von denen werden zu Spielbeginn 8 Stück blind gezogen. In den späteren Runden stehen zumindest 4 Stück für den Erwerb zur Verfügung. Auf den vormarkierten Flächen werden pro Runde 10 Warenmarker zum Kauf ausgelegt. Die bereits erwähnte Siegpunkt- und Rangreihenfolgeleiste vervollständigen das Ganze.
In der Mitte befindet sich ein buntes Rondell aus 7 Farben. Jede Farbe ist mit 7 kleinen Würfeln vertreten. Damit bin ich beim Hauptgag dem Würfelturm angelangt. Nun ist dieser Gimmick an und für sich nichts Neues. Es gibt ihn schon bei „El Grande“ von Wolfgang Kramer als Castillo. Dort diente er um bei den Wertungen, durch in ihn versenkte Caballeros, bestehende Mehrheiten in den spanischen Provinzen zu verändern. Auch bei „Wallenstein“ von Dirk Henn gab es ihn. Hier galt es Kampfentscheidungen herbeizuführen. Auch gab es „Bauernwürfel“ die das Kriegsglück beeinflussen konnten.
Hier gibt es einen neuen Modus. Zu Beginn werden alle 49 Würfel in den Turm geworfen. Erfahrungsgemäß verfangen sich bis zu 15 in den Rastern im Turm. Die Würfel, die in die Auffangschale fallen, werden im Rondell in den entsprechenden Farben platziert.
Dann beginnt das eigentliche Spiel:
Der Startspieler der Runde wirft alle Würfel im blauen Feld des Rondells ein. Die Anzahl Würfel in der Farbe, in der die meisten Würfel herausfallen, bestimmt die Anzahl Aktionen jeder verfügbaren Farbe dieser Runde, festgelegt durch die herausgefallenen Würfel, die in die Mitte des Rondells auf das Aktionsfeld gelegt werden. Nun wählen alle Spieler in Reihenfolge laut Spielreihenfolge-Leiste genau eine Aktion, das heißt einen Würfel aus dem Aktionsfeld und führen die Aktion so oft aus, wie von der Farbmehrheit an Würfeln festgelegt - z.B. Aktion rot dreimal wenn von einer Farbe drei Würfel die meisten herausgefallenen aller Farben waren. Waren alle einmal dran, werden im Aktionsfeld verbliebene Würfel auf die entsprechenden Farbfelder im Rondell verteilt und vom Rondell-Feld die nächste Farbe in den Turm geworfen, usw. Farbreihenfolge zum Einwerfen ist blau-schwarz-rot-braun-grün-gelb-weiß.
Die den Farben entsprechenden Aktionen sind:
Blau - Bewegung: Ein Feld pro Aktion und Schiff, wobei man auf den Rahmenfeldern man sehr schnell unterwegs ist, während es innen auf den Wasserfeldern eher langsam vorangeht. An jeder Insel gibt es einen oder mehrere Ankerplätze, die man erreichen muss, um ein Kontor zu errichten, welches dann die Besiedlung mittels eigener Dorf- oder allgemeiner Plättchen ermöglicht.
Mit schwarzen Aktionen erhöht man seine Kanonenanzahl um die in dieser Runde aufgedeckten Piratenmenge abzuwehren. Dies wird nach Abschluss jeder Runde in einer Zwischenwertung kontrolliert. Hat man zu wenig kostet das Siegpunkte.
Rot - Plättchen: Man erwirbt eigene Dorf- und allgemeine Landschaftsplättchen. Letztere sind relativ teuer. Je nach Anzahl der Inselfelder die sie abdecken. Pro Runde darf man außerdem nur eines erstehen, während der Bezug von Dorfplättchen frei ist und unabhängig von der Größe nur einen Aktionspunkt kostet. Alle gewählten Teile kommen in den eigenen Vorrat.
Braun - Fortschrittsmarker. Diese haben einen einmaligen oder dauernden Effekt. Manche sind nur bei Spielende nutzbar. Sie bringen unter anderem zusätzliche Aktionspunkte oder beeinflussen die Piraten-, Gold – oder Siegpunktleiste. Allerdings um diese um diese zu erhalten und die durchwegs positiven Aspekte nutzen zu können muss man auf der Fortschrittsleiste bestimmte Punkte erreicht haben. Nach jeder abgeschlossenen Runde kommen 4 neue Fortschrittsmarker ins Spiel.
Grün - Bauen: Nun werden die bei der Planung (rot) erworbenen Teile auf den Inseln mit eigenen Kontoren verbaut. Dies muss an ein eigenes Kontor erfolgen. Da auf den Inselfeldern einzelne verschiedene Rohstoffe abgebildet sind werden diese bei Überdeckung an den Spieler ausgefolgt und auf seinem Tableau gehortet. Für das Überbauen gibt es je nach Größe der Insel und des Plättchens Siegpunkte. Sollte eine Insel komplett abgedeckt werden so erhält man für die Fertigstellung 3 Siegpunkte. Bei einer großen Insel sogar 3 weitere in Form einer Schatztruhe. Weiters gibt es Siegpunkte nach einer Tabelle am Spielplan, je nach Anzahl der eigenen Kontore. Diese ist allerdings meiner Meinung nach fehlerhaft, weil es praktisch unmöglich ist die angegebene Maximalzahl von 6 Kontore zu erreichen.
Gelb - Warenmarker: Diese ergeben zu Spielende mit den gesammelten Rohstoffmarker multipliziert erhebliche Mengen von Siegpunkten. Daher ist sowohl beim Überbauen der Rohstoffe und beim Wareneinkauf besonderes Augenmerk auf diese Gewinnstrategie zu legen.
Die weißen Würfel beeinflussen die Spielerreihenfolge und dienen auch fallweise als Ersatz für Farben die nicht in der Auffangschale vorgefunden werden.
Bleibt noch das Gold. Verzichtet man darauf Aktionspunkte einzusetzen, so kann man Gold lukrieren und zwar wie folgt. Die Würfelmenge, die im Moment in der Auffangschale liegt, wird durch 3 dividiert und ergibt aufgerundet die Anzahl Gold. Letzteres hat 2 Funktionen. Während des Spiels kann man damit seine eigenen Aktionspunkte erhöhen. Bei Spielende erhält man pro Gold einen Siegpunkt.
Nach jedem Durchlauf des Rondells kommt es zu einer Zwischenwertung. Jetzt wird wie bereits erwähnt die Piratenstärke der Anzahl der jeweiligen Geschütze gegenübergestellt, sowie Fortschritts- und Warenmarker ergänzt.
Nach 5 solchen Durchläufen gibt es außerdem noch Siegpunkte für bestimmte erreichte Positionen auf den Leisten Fortschritt, Gold und Reihenfolge. Der Ertrag von Ware mal Rohstoff pro Sorte bringt ebenfalls, meist erhebliche Siegpunkte.
Das Material ist, wie bei Queen Games üblich, über jede Kritik erhaben. Die Regel ist in der Gestaltung, aber auch vom Inhalt vorbildlich. Das Spiel ist optisch überaus ansprechend und zählt für mich zu den besten des Jahrgangs 2013. Einziger Kritikpunkt wenn auch auf hohem Level ist, dass es uns nicht gelungen ist, trotz Umbau der Innenfächer des Turms den Ausstoß noch variationsreicher zu gestalten. Meist kam die gleiche Farbe die eingeworfen wurde mehrheitlich zurück. Das wäre meiner Meinung nach noch verbesserungswürdig. Mag sein, dass es aber auch an unserer Wurftechnik gelegen hat. Die vorgegeben Zeit von 90 Minuten ist kaum einzuhalten. Das sollte aber dem Spielvergnügen keinen Abbruch tun. Abgesehen von diesem ist es nicht nur Stefan Feld – Liebhabern zu empfehlen.
Rudolf Ammer
Spieler: 2-4
Alter: 10+
Dauer: 90+
Autor: Stefan Feld
Grafik: Harald Lieske, Claus Stephan
Preis: ca. 40 Euro
Verlag: Queen Games 2013
Web: www.queen-games.de
Genre: Development
User: Für Experten
Version: de
Regeln: de en fr nl
Text im Spiel: nein
Kommentar:
Schönes Material
Würfelturm bringt spannendes Zufallselement
Interessanter Mechanismus
Vergleichbar:
Archipelago und andere Aufbauspiele mit Seefahrt, Kolonisation und Handel
Andere Ausgaben:
Derzeit keine
Gesamt: 6
Rudolf Ammer:
Neue Anwendung des Würfelturms bringt einen überraschenden
Zufallsgenerator ins Spiel, der einen spannenden Ablauf garantiert
Zufall (rosa): 1
Taktik (türkis): 1
Strategie (blau): 2
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 0
Kommunikation (rot): 0
Interaktion (braun): 1
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 0