Worte überführen  den Täter

 

Ein bisschen Mord muss sein

 

Phonetik als Aufklärungswerkzeug

 

Ah,  eine neue Krimi-Anthologie, ist mein erster Gedanke beim Anblick der eleganten rot-schwarzen Kassette mit sieben Büchern. Seltsam, ist mein zweiter, wozu steckt da eine Schachtel drin, und warum erscheint das bei einem Spieleverlag.

Messerscharf kombiniert, es ist ein Spiel und in der Schachtel ist das Material!

 

Nach dieser Holmes-reifen korrekten Deduktionsleistung muss ein bisschen Mord natürlich sein, was heißt ein bisschen? Die Kassette verspricht 241 Geschichten, 1025 Verdächtige und 2892 Wörter. Man braucht mindestens vier Spieler, bis zu sieben sind vorgesehen. Zu viert fällt die Rolle des Gerichtsschreibers aus, jeder muss ehrlich sein und die Auswertung wird gemeinsam vorgenommen. Sind es fünf oder mehr Spieler, verkörpert einer den Inspektor, der zweite den Gerichtsschreiber, der dritte den Täter und die restlichen Spieler sind Verdächtige. Jeder dieser Charaktere verfügt über sein eigenes Buch, ob unschuldig oder Täter ergibt sich aus der zufälligen Verteilung der Bücher. Der Inspektor wählt den Fall aus und fasst ihn zusammen, die Verdächtigen stellen sich vor. Dann nennt der Inspektor die Indizien.

 

Das klärt die Geschichten und die Verdächtigen, aber wozu die exakte Anzahl Wörter? Nun, der Inspektor verhört nun reihum die Verdächtigen, alle müssen in ihrem Alibi/ihrer Rechtfertigung ihre im eigenen Buch vorgegebenen Pflichtwörter phonetisch korrekt verwenden, der Täter hat einen eigenen Satz Wörter und alle Unschuldigen dieselben. Der Gerichtsschreiber passt genau auf, ahndet Irrtümer durch Zurücksetzen der Spielsteine und signalisiert dem Inspektor korrekte Verwendung. In der zweiten Runde haben alle einen zweiten Satz Wörter, der Inspektor wählt die Reihenfolge der Verhöre, darf aber nicht denselben Verdächtigen als Ersten verhören.

Es folgt eine Vertrauensabstimmung über die Fähigkeit des Inspektors, alle Spieler die glauben, dass er den Täter entlarven wird, stimmen mit der „Vertrauen“-Seite der Karte nach oben ab, die anderen mit „Zweifel“. Dann benennt der Inspektor den Schuldigen und es wird ausgewertet. Der Gerichtsschreiber versetzt als Wertung entsprechend die Spielsteine vorwärts oder zurück. Dann wird der Gerichtsschreiber Verdächtiger für die nächste Runde, der Inspektor wird Gerichtsschreiber und sein linker Nachbar neuer Inspektor. War jeder einmal Inspektor, gewinnt, wessen Stein in Führung liegt.

 

Naja dachten wir, klingt ja soweit recht interessant, und haben uns als Beispiel den ersten Fall angeschaut – kann ja nicht so schwer sein, die Wörter sind eindeutig und der Inspektor braucht ja nur aufpassen, wer welches Wort sagt – wo ist der Witz dabei? Genau hier, hier setzt der Spielspaß erst so richtig ein, denn es passt ja nicht nur der Inspektor auf, sondern alle Mitspieler, und alle egal ob Unschuldige oder Täter wollen den Inspektor verwirren um selber zu punkten. Also probiert jeder, zusätzlich zu seinen Pflichtworten alle auffälligen Wörter aus den Alibis der Mitspieler ebenfalls einzubauen, der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt und es dürfen die absurdesten oder haarsträubendsten Geschichten erzählt werden um den Inspektor abzulenken.

 

Eigentlich ist „Ein bisschen Mord“ mehr ein Erzählspiel der besonderen Art denn ein Detektivspiel, bei dem es fast ausschließlich auf den Wortschatz und den Erfindungsreichtum der Mitspieler ankommt, damit das Spiel gut funktioniert – Mindestvoraussetzung ist, dass man entweder alle seine Pflichtwörter im Kopf hat oder dann bei jedem dritten Wort der Geschichte ins Buch schaut, damit es nicht auffällt, wann man eine Gedächtnisauffrischung braucht, weil man sich nicht gemerkt hat, ob man nun Imprägnierung oder Imprägnieren verwenden muss. Und wenn schon äh und ahem ,dann auch bitte häufig, und ansonsten frisch drauf los fabuliert, man wird sich doch noch was einfallen lassen können, warum man als Parfümeur Gratisproben an den Friseur verkauft hat und darin die Worte Degradierung oder Anonym unterbringen können.

 

Hier setzt der einzige Kritikpunkt von mir an – die meisten Wörter sind so eindeutig, dass der Hinweis auf die phonetisch korrekte Aussprache überflüssig ist, ich kann nur Keller sagen, und das Wort im Sinn von Keller in der Geschichte verwenden. Die Regel gestattet ausdrücklich, dass phonetisch gleiche Worte verwendet werden dürfen und nennt als Beispiel ruhte und Rute für Route, aber solche Worte kommen kaum vor. Aber das ist nur eine Anmerkung, denn meist ist man viel zu beschäftigt damit, die eigentlichen Pflichtworte halbwegs unauffällig in das Gestammel einzubauen, das man grade von sich gibt, und wer da noch Zeit für phonetische Wortspiele hat, dem ist zu gratulieren.

Entsteht der Eindruck, dass mir das Spiel Spaß macht? Gratuliere zur meisterlichen Detektivleistung, der Eindruck ist richtig! Alibi habe ich dafür keines, bekenne mich schuldig, ich mag solche Wortgefechte und bin nicht gerne Gerichtsschreiber, weil ich da nicht mitschwadronieren kann. Und jetzt will ich wissen, welche Oma erpresst Bettler in Lourdes?

 

Dagmar de Cassan

 

Kid                       

Family                  

Adult           ein    

Expert                           

 

Alter                    

Spezial         vi      

 

Spieler         : 4-7

Alter            : ab 13 Jahren

Dauer           : ca. 60 min

 

Autor           : Hervé Marly

Grafik          : Ingo Anlauff

Vertrieb A.   : Pro Ludo

Preis            : ca. 30,00 Euro

Verlag          : Pro Ludo

                     www.proludo.de  

                    

Genre                    : Detektiv- und Sprachspiel

Zielgruppe             : Für Jugendliche/Erwachsene

Mechanismen         : Wörter regelgerecht verwenden, zuhören

 

Zufall                     :

Wissen                  : ****

Planung                 : ***

Kreativität              : ******

Kommunikation      : *******

Geschicklichkeit      :

Action                   :

 

Kommentar:

Edle Ausführung

Freude am Geschichten erfinden ist Voraussetzung

Sprachgewandtheit bringt Vorteile

Gutes Training für Wortschatz

Gutes Gedächtnis von Vorteil

 

Vergleichbar:

Thematisch Black Stories, ansonsten erstes Spiel dieser Art

 

Atmosphäre           : 7

 

Dagmar de Cassan:

Ein amüsantes Wortspiel mit Detektivthema, gelungene Wortwahl bringt Spielspass ohne Ende in der richtigen Runde, je mehr Spieler desto besser!