UNSERE REZENSION

 

Verschmachten ohne Schnupftabak seit Tagen hier auf dieser Insel!

 

Robinson Crusoe.

 

Adventure on the Cursed Island

 

„Dort, auf dem Gipfel des Mauna Kika Nui habe ich einen Holzstoß errichten lassen. Wenn der brennt, das sieht man meilenweit.

Da sticht die Küstenwache sofort in See und sieht nach dem Rechten.“

Dagobert Duck, in: „Unternehmen Inselfrieden“

 

Gestrandet auf einer unbekannten, geheimnisvollen Insel in der Südsee – ein geradezu klassischer Beginn für ein spannendes Abenteuer! Was unternimmt man zuerst? Klar, eine befestigte Unterkunft errichten, um gegen Wind, Wetter und weitere Widrigkeiten wie Wildtiere oder gar karibische Kannibalen geschützt zu sein. Sodann ein Signalfeuer oder Ähnliches vorbereiten für den – wenngleich unwahrscheinlichen – Fall, dass hier abseits aller Schifffahrtsrouten doch ein Segler aufkreuzt. Zuletzt kann man ja auch noch die Insel erforschen. Womöglich ist von der anderen Seite oder einer Erhöhung aus doch bewohntes Land zu entdecken.

All diese Optionen will „Robinson Crusoe“, ein kooperatives Abenteuerspiel aus Polen, bieten. Man verkörpert einen von vier Charakteren: Forscher, Koch, Soldat, Tischler (jeweils als weibliches oder männliches Wesen vorhanden, unterschieden lediglich durch das Portraitbild). Jeder Charakter verfügt über spezifische Fähigkeiten (so kann der Koch Wunden heilen oder mit Branntwein die Winterstürme erträglich machen, der Forscher den Moralwert der Gruppe heben und so fort) sowie schon zu Beginn über einen exklusiven Plan für einen Gegenstand bzw. eine Gerätschaft (der Soldat kann einen Speer basteln, der Tischler eine Falle aufstellen, etcetera). Ziel des Spieles ist, eine gewisse Anzahl von Runden zu überleben (und zwar alle Charaktere; sobald auch nur einer stirbt, verliert die ganze Gruppe) und während dieser Zeit von Szenario zu Szenario unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. In Szenario Nr. 1 etwa, laut Beschreibung das am einfachsten zu bewältigende Abenteuer, müssen die Charaktere einen hohen Holzstapel für ein Notsignalfeuer errichten, im dritten Szenario eine weitere Schiffbrüchige aus Seenot retten oder in Szenario 6 eine Familie gründen und durch den Winter bringen. Und irgendwann bricht auch ein Vulkan aus oder gehen Dämonen und Kannibalen um. Man wählt also eines davon aus (im Internet stehen auf der Seite des Verlags http://portalgames.pl/pl/robinson-crusoe/#Pliki [polnisch] bzw. http://portalgames.pl/en/robinson/#Files [englisch] und auf http://boardgamegeek.com/boardgame/121921/robinson-crusoe-adventure-on-the-cursed-island bereits weitere Szenarien zum Herunterladen bereit).

Der Aufbau, obwohl nicht unnötig kompliziert, nimmt bereits einige Zeit in Anspruch: auf dem Spielplan, der recht hübsch wie ein Schiffskartentisch gestaltet ist, werden auf vorgegebenen Feldern zahlreiche Karten und Marker (abhängig auch von der Anzahl der Spielenden) platziert. In die linke Hälfte, die eine aufgerollte Landkarte darstellt, kommt (in fast allen Szenarien des Grundspieles) bereits das erste sechseckige Inselfeld, das Basisfeld der Charaktergruppe. Die Charakterkarten, weitere Spielkarten und -marken, der Nachziehstapel der Inselfelder sowie Würfel und die eher klobig wirkenden, hölzernen Spielsteine werden für die Mitspielenden möglichst bequem erreichbar rundherum ausgelegt. Die Runden sind in sechs Phasen eingeteilt: Moral (der Startspieler überprüft die Entschlossenheit der Gruppe), Produktion (die Gruppe erhält Ressourcen wie Nahrung oder Baumaterial), Aktionen (zerfällt in gemeinsame Planung und meist einzeln oder in Kleingruppen abzuhandelnde Ausführung), Wetter (Regen und Schnee können der Gruppe schaden), Nacht (hauptsächlich werden Nahrung aufgebraucht und Verwundungen geheilt) sowie Ereigniskarten (meist Unangenehmes wie Sturm oder Raubtiere, aber auch, ganz selten, wird nützliches Treibgut angespült) für die nächste Runde (falls noch zu spielen) ziehen.

Für alle am wichtigsten und interessantesten ist die Aktionsphase. Die Gruppe sollte gemeinsam entscheiden, wer welche Aufgaben erledigen will. Zur Wahl stehen (meist) eine gefährliche Probe (Bedrohungsaktion) aus der auf dem Ereignisfeld ausliegenden Karte; auf die Jagd nach Nahrung oder Fell gehen und mit wilden Tieren kämpfen; das Bauen von Befestigungen und Gegenständen (Karten mit Erfindungen oder Entdeckungen können unter bestimmten Bedingungen in gebrauchsfertige Dinge umgewandelt und ab der nächsten Runde benützt werden); die Insel erforschen (weitere Inselfelder aufdecken, gegebenenfalls darauf Aufgaben erfüllen wie wilde Tiere bekämpfen oder einen Schatz entdecken); Ressourcen von bereits erforschten Inselfeldern holen; durch „Ordnung machen“ die Moral der Gruppe stärken (die Moral sinkt zum Beispiel immer dann, wenn nicht genügend Nahrung vorhanden ist oder ein Charakter zu stark verwundet wird); durch „Ausruhen“ Wunden heilen.

In den meisten Abenteuern gibt es auch (nur auf der jeweiligen Szenariokarte aufgedruckt) spezielle Erfindungen bzw. Gegenstände, die den Charakteren bei dieser Aufgabe nützlich sind und in der Bauphase gebastelt werden können.

Die Aufgaben der Aktionsphase sind unterschiedlich zu bewältigen. So benötigen die meisten mehr als einen Abenteurer, auf jeden Fall, wenn sie weiter als ein Feld vom Basislager der Gruppe entfernt stattfinden. Den Charakteren stehen aber sehr oft, entweder als Resultat eines Ereignisses oder aus Entdeckungen in vorangegangenen Runden (oder auch als vereinfachte Spielvariante) Nicht-Spieler-Charaktere zur Seite. So gibt es eine Freitag-Spielfigur und einen Hund, aber auch anonyme Helferlein, die auftauchen und dann schnell wieder verschwinden, bevor sie zum Beispiel wertvolle Nahrung verbrauchen könnten. Manche Aktionen können auch von einem Charakter alleine angegangen werden. Dann muss aber das Ergebnis erst ausgewürfelt werden. Kämpfe, gewöhnlich gegen Tiere, werden hingegen nicht durch Würfeln entschieden, sondern durch den Vergleich der Kampfstärken. Oft zieht das Verwundungen für die Charaktere nach sich, der Beute (Nahrung, Fell) kann man sich aber meist dennoch sicher sein.

Das Spielmaterial, mit Ausnahme der Spielfiguren (klobige Holzzylinder in schwer unterscheidbaren Farben bemalt), ist mit großem Aufwand und Liebe zum Detail gestaltet. So unterscheiden sich etwa alle Szenariokarten in Farbgebung und Hintergrundgestaltung – mal als Seekarte, mal als Logbuchblätter, dann wieder als bekritzeltes Holzbrett – voneinander, bieten aber den gleichen, übersichtlichen Aufbau des Abenteuers (mit Sonderregeln, kurzer Inhaltsangabe usw.).

Gar nicht glücklich jedoch ist man mit der Spielregel. Ungeschickt im Aufbau, komplett ohne Register oder Index, findet man sich auch wegen der teilweise uneinheitlichen, eigenartigen, vermutlich fehlerhaften oder nicht immer vollständigen Übersetzung (zur Überprüfung hatten wir sowohl die deutsche als auch die englische Version; leider ist niemand von uns des Polnischen mächtig) nur schlecht zurecht. Zwar sollen zahlreiche Beispiele in eigens hervorgehobenen Kästen den Spielfortgang veranschaulichen. Erklärt werden aber meist Sachverhalte, die ohnedies keiner Erläuterung bedurft hätten. Anderes bleibt im Dunkeln. So gibt es zum Beispiel die Grundregel, dass nach der Aktionsphase alle Spielfiguren an die Spieler zurückgegeben (bzw. die Neutralen aus dem Spiel genommen oder auf ihre Startplätze zurückgestellt) werden. In der Nachtphase aber werden Charaktere erwähnt, die sich noch immer auf einem anderen als dem Basisfeld befinden sollen (und dementsprechend meist Schaden nehmen). Nirgends aber finden sich Bewegungsregeln, die deren Anwesenheit dort plausibel machen würden. Falls Ereigniskarten dafür verantwortlich sein sollten, haben wir sie nicht entdeckt (obwohl unseren Charakteren gerade Ereignis- und andere Abenteuerkarten eh genug geschadet haben). In jedem getesteten Szenario sind ähnliche Unstimmigkeiten aufgetaucht, was die Lust auf einen erneuten Versuch deutlich beschränkt hat.

Darüber hinaus ist die Balance zwischen Strategie und Zufallseinwirkung nicht gegeben. Die Auswirkungen von Nahrungsmangel und Wetterunbilden (Sturm! Gewitter! Donner! Blitz! Krach! Bumm!) sind schon fast zu realitätsnah für ein Abenteuerspiel, welches angeblich schon für Achtjährige gedacht ist.

Als Fazit bleibt festzustellen: die Spielanleitung bedarf einer eingehenden Überarbeitung, wohl auch einer verbesserten Übersetzung. Zusätzlich besteht dringender Bedarf nach einem Einstiegsabenteuer, denn bereits das erste Szenario „Schiffbrüchige“ (hier können erst ab der Hälfte der Spielzeit Wetterkapriolen auftreten, eigentlich ein feiner Zug des Autors) ist ohne zusätzliche Erklärung oder drastisches Zurechtbiegen der Regeln kaum zu bewältigen.

 

Martina & Martin Lhotzky, Marcus Steinwender

 

Spieler: 1-4

Alter: 8+

Dauer: 120+

Autor: Ignacy Trzewiczek

Grafiker: Piotr Słaby, Maciej Mutwil und Team

Preis: ca. 34 Euro

Verlag: Portal 2012 / Pegasus 2013

Web: www.pegasus.de

Genre: Kooperativ, Abenteuer

Zielgruppe: Für Experten

Version: en

Regeln: cn de en fr it pl ru

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Liebevoll gestaltetes Material

Sehr realistische Auswirkungen der Probleme

Altersangabe 8 Jahre etwas niedrig

Einstiegsszenario wäre erfreulich

 

Vergleichbar:

Kooperative Abenteuerspiele

 

Andere Ausgaben:

Filosofia, uplay, Hobby World, Z-Man, MYBG

 

Meine Einstufung: 3

 

Martina, Martin & Marcus:

Die sehr nette Grundidee eines kooperativen Abenteuerspieles wird durch eine ziemlich unübersichtliche und leider offenbar nicht einheitliche Anleitung kaputtgemacht. Im Moment helfen da nur Hausregeln.

 

Zufall (rosa): 3

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 3

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0