PERLEN DER SPIELKUNST
RAJA
Palastbau in Indien
Liebe Leserin, lieber Leser! Der Ort dieses strategischen Brettspiels liegt im Nordwesten des Subkontinents Indien, genauer gesagt in der Provinz Rajasthan. Auch den von Kunst und Kultur weniger faszinierten Europäern können die „hinreißend schönen Bauwerke, Tempel, Moscheen, Paläste, Festungsanlagen und Mausoleen“ Indiens nicht so ohne weiteres unberührt lassen. In diesem taktisch-strategischen Entwicklungsspiel schlüpfen Sie in die Rolle eines angesehenen, mittelalterlichen Fürsten, der als Provinzherrscher bestrebt ist, der erste unter den Günstlingen des Maharadschas zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen prächtige Paläste und Häuser errichtet werden, dies allerdings unter ständiger, fast erstickender Geldnot. Empfinden Sie in eineinhalb bis zwei Stunden bei opulenter Spielauslage das Dilemma der damaligen Fürsten nach und sichern Sie sich durch geschicktes Taktieren, Bluffen und Handeln die zum ersten Fürstenrang nötigen Palastbauten. [aus: win330] Anmerkung: Dies war meine allererste Rezension für die „ewig“ laufende und doch so moderne Spielezeitschrift des Österreichischen Spielemuseums in Leopoldsdorf. www.spielen.at
Unser obligater Lichtkegel fällt auf einen ausladenden Spielplan klassischer Manier, der in schräger Vogelperspektive sieben indische Städte zeigt, jeweils mit Stadtmauer und einem Kuppelsymbol für sieben Paläste ausgestattet. Durch spinnenartige Wegenetze, an denen sich jeweils ein bis zwei Dorfanger schmiegen, werden die Städte des Maharadschas zusammen gehalten. Wo immer sich der Maharadscha gerade aufhält, werden Sie, die Fürsten, für Ihre mühevoll errichteten Paläste und Häuser reichlich belohnt. Sieben unterschiedliche Stadtwappen, die am Rand des Spielplans offen ausliegen, geben den Besuchsplan des Maharadschas und damit auch den Ablauf der Wertungen vor. Neben dem Spielplan lagert eine Reserve an Häusern und Geld. Dazu kommen sechs (in der Profiversion sieben) Vertraute, die die jeweiligen Fürsten mit ihren speziellen Fähigkeiten unterstützen. Raja geht im Maximalfall über zehn Spielrunden. Der Ablauf ist klar strukturiert, wenn auch für die Spielerinnen nicht immer einfach umzusetzen. Eine Spielrunde besteht aus vier Schritten: (1) Der Maharadscha und ein Stadtwappen werden in die zu wertende Stadt versetzt. (2) Die Spieler stellen geheim zwei Aktionen auf der Drehscheibe ein. (3) Entsprechend der Nummer der „Vertrauten“ werden die Aktionen ausgeführt und dabei die Architekten (Spielfiguren) bewegt. (4) Und zuletzt wird die Stadt des Maharadschas gewertet. Dies klingt sehr einfach und ist es auch, technisch gesprochen. Die Tücke liegt jedoch im Detail. Da Goldmünzen aus der Bank sowie neue Häuser aus dem allgemeinen Vorrat (Steinbruch) genommen werden, vorhandene Häuser gebaut und versetzt, Paläste errichtet, die Wertungsreihenfolge der Städte verändert, sowie neue Personenkarten gewählt werden dürfen, ergibt sich eine beachtliche taktisch-strategische Spieltiefe. Was dazu kommt ist eine überzeugende Optik: Die Paläste bestehen aus bunten Glastropfen, die Häuser und Architekten (Spielfiguren) sind aus edlem Holz. Es ist wahrlich ein Genuss, eine Spielstellung zu betrachten. Wie schon so oft, hat Franz Vohwinkel ausgezeichnete Grafikarbeit geleistet.
Rückmeldungen an: hugo.kastner@chello.at
Homepage: www.hugo-kastner.at
EMPFEHLUNG # 85
Spieler: 1-5
Alter: 12+
Autor: Wolfgang Kramer, Michael Kiesling
Gestaltung: Franz Vohwinkel
Dauer: 90+
Preis: ca. 15 Euro
Jahr: 2004
Verlag: Phalanx Games
www.phalanxgames.nl
Taktik: 4 von 9
Info±: 4 von 9
Glück: 1 von 9
Neben dem taktischen Fingerspitzengefühl muss auch genau gerechnet werden. Wie viele Wertungspunkte sind in der aktuellen Stadt für mich und die potenziellen Mitstreiterinnen möglich? Habe ich genug Geld, um die beiden Aktionen zum Zeitpunkt meiner Spielaktivität überhaupt umzusetzen? Auch die Frage, welche Stadt das nächste Ziel des Maharadschas wird, ist abzuwägen. Es ist immer zu befürchten, dass einer der Mitspieler die Wertungsreihenfolge ändert. Eine kleine Unachtsamkeit kann nur allzu leicht dramatische Spätfolgen nach sich ziehen.
Hugos EXPERTENTIPP
Für Spieler, die gerne an anspruchsvollen, abendfüllenden Spielrunden teilnehmen und die zudem ein ähnliches „Spieltempo“ gewohnt sind, ist Raja sehr zu empfehlen, besonders wenn vier oder fünf Fürsten um den Tisch Platz nehmen. Bei zwei und drei Spielern, für die Raja der Anleitung entsprechend ebenso geeignet ist, entfaltet sich die Dynamik deutlich weniger, trotz der in der Spielregel empfohlenen Profiversionen mit einem zusätzlichen Vertrauten (dem Yogi), der eine dritte Aktion im Spielzug erlaubt, trotz spezieller Versteigerung der Startpersonenkarten und einer dem jeweiligen Vertrauten zugeordneten Heimatstadt, sowie der Zuteilung mehrerer Vertrauter an jeden Spieler. Der besonders reizvolle Rollentausch dieser Personenkarten kommt eben nur bei voller Besetzung zum Tragen.
Hugos BLITZLICHT
Raja bietet viel für den erfahrenen Spieler. Der Einsteiger muss mit einer längeren Eingewöhnungsphase leben. Vier bis fünf Freunde sollten in jedem Fall um den Tisch sitzen, um alle, hohe Konzentration erfordernden Spielelemente optimal zu nutzen. Besonders originell sind die verschraubten Aktionsscheiben, auf denen geheim aus neun Aktionsmöglichkeiten zwei gewählt werden dürfen. Wer die Wahl hat, hat bekanntlich die Qual. Hier werden Spiele verloren oder gewonnen, hier werden die Fürsten ihre Schläue und Blufffähigkeiten einzusetzen wissen. Hier aber entstehen bisweilen auch große Längen im Spiel. Jedenfalls wird man außer entscheidungsschwangeren Stunden auch mit herrlich anzusehendem Spielmaterial belohnt.
VORANKÜNDIGUNG
REEF ENCOUNTER
Leuchtende Korallenwelten