Friemelige Fundstücke

 

ANASAZI

 

Fummelige Forscher-Freuden bei der Suche nach Schätzen einer untergegangenen Kultur

 

Ein tolles Spielthema: das Erforschen der Pueblos (Wohnhöhlen) der amerikanischen Anasazi-Stämme, schönes, liebevoll illustriertes Material aus stabiler Pappe und kleinen Holzstückchen, eine kurze Regel, die dennoch viele taktische Feinheiten zu bieten scheint und mit Klaus-Jürgen Wrede ein Autorenname, der aufhorchen lässt - Phalanx hat einiges aufgefahren. Und so warten wir mit insgesamt vier Spielern gespannt auf das anstehende Spielvergnügen.

 

Fummeln erlaubt
Sind die gerade einmal 2,1 Zentimeter hohen Wohntürme mit winzigen Farbpunkten beklebt, verdeckt gemischt und auf insgesamt 28 Spielplanteilen, den so genannten Mesas, verteilt worden, kann es fast losgehen. Vor uns liegt also nun eine Gebirgslandschaft, wobei die einzelnen Mesas die Orte darstellen, an denen die Stämme der Anasazi ihre Pueblos gebaut haben. Die Tischfläche dazwischen symbolisiert die Täler, in denen die Spieler je zwei Camps in ihrer Spielerfarbe ablegen. Jeder erhält zusätzlich eine Auftragskarte und fünf weitere Camps. In die Pueblos wird außer den Wohntürmen noch je ein beliebiger Schatz in Form von kleinen Holzklötzchen in vier Farben gelegt und dann ist der Tisch endlich gut gefüllt. Die Spielanleitung zeigt zur Veranschaulichung auf der Rückseite eine farbige Beispielaufstellung, die problemlos nachzuvollziehen ist. Die Expedition kann also beginnen.

Drunter und drüber
Die geheim zu haltende Auftragskarte verdoppelt am Ende des Spiels für den Besitzer den Wert der Schätze in dieser Farbe. Je mehr Schätze ich also davon sammle, desto besser. Wer am Zug ist, hat zwei Aktionen zur Auswahl. Er baut nun entweder ein weiteres Camp und darf sich dafür sofort die Farbe eines beliebigen Wohnturmes ansehen, oder er beteiligt sich an einer Expedition, indem er einen der winzigen Expeditionsmarker (Papp-Plättchen mit Leitern und einem noch winzigeren Forscher darauf) an einen der roten Startpunkte auf dem Tisch oder an eine bereits liegende Leiter anlegt. Schön anzusehen und typisch für Wrede ist dabei die stückweise Entwicklung der Landschaft auf dem Tisch. Waren es bei Carcassonne noch Landschaftsplättchen, beim Untergang von Pompeji Lavaplättchen und bei Mesopotamien Wälder, Ebenen und Steinbrüche, die schließlich eine imposante Umgebung ergaben, wird der Canyon bei ANASAZI im Laufe des Spiels mit weiteren Camps und einem Gewirr aus Leitern durchsetzt, mit denen die Forscher versuchen, die Wohnhöhlen zu erreichen, um die dort liegenden Schätze zu bergen.

Erbeutete Schätze legen die Spieler vor sich ab. Steht zudem ein Wohnturm in dem erreichten Pueblo, wird dieser ebenfalls entfernt und auf das seiner Farbe entsprechende Feld der Werte-Skala gestellt, die neben dem eigentlichen Spielbereich bereitliegt. Was bedeutet das? Ganz einfach: Je mehr Wohntürme einer Farbe entdeckt und dort abgestellt werden, desto geringer wird der Wert der Schätze in dieser Farbe. Sind also bei Spielende beispielsweise alle vier gelben Türme entdeckt worden, zählen gelbe Schätze im Besitz der Spieler statt anfänglich vier Punkten letztlich gar keinen Punkt mehr. Das alles ist im Grunde gut durchdacht, die einzelnen Auswirkungen der möglichen Aktionen beeinflussen sich gegenseitig und man legt sich gleich zu Beginn eine kleine Taktik zurecht. Wer am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt natürlich.

Es könnte so schön sein
Die Strategie ist klar: Es geht darum, möglichst viele Schätze in der Farbe zu sammeln, die meine Auftragskarte zeigt und dabei möglichst viele andersfarbige Wohntürme von den Mesas zu nehmen, um den Wert der anderen Schätze sinken zu lassen. Ein paar weitere Regeln bieten genügend Möglichkeiten, zwischenzeitlich einzelne Türme heimlich anzusehen, um deren Farbe zu erfahren. Selbst das Spielende kann teilweise selbst bestimmt werden. Entweder erfolgt nämlich die Schlusswertung, wenn alle Leitern verbaut sind, oder, wenn alle vier Türme einer Farbe entdeckt wurden. Und da ich diese Entdeckungen zumindest theoretisch zeitlich verzögern oder beschleunigen kann, sollte ANASAZI doch eigentlich ein taktischer und strategischer Leckerbissen sein. Aber das ist es leider nicht.

Pedanten werden mit ANASAZI schon spieltechnisch bedingt keine Freude haben, denn das gesamte Material ist dermaßen winzig und die Auslage verrutscht so leicht, dass man ab und zu schon einmal großzügig sein muss, was die Einhaltung der Regeln betrifft. ANASAZI krankt dort, wo auch Günter Burkhardts CAIRO einst versagte: Wann ist das Männchen auf den Leitern genau abgedeckt? Erreicht meine Leiter den Kreis mit dem Wohnturm bereits oder liegt sie noch außerhalb? Wer entscheidet in derartigen Zweifelsfällen – und was passiert, wenn jemand an den Tisch stößt und gleich zwei oder drei der wackligen Wohntürme umkippen, ihre Farbe offenbaren und so den eigentlich reizvollen Memory-Part ad absurdum führen?

Das Spiel erweckt den Anspruch, taktisch und planbar zu sein, ist letztendlich vor allem in voller Besetzung aber so unwägbar, dass gezieltes Taktieren, um bestimmte Farben in die Wertung zu bringen, fast unmöglich wird. Viel zu viel passiert, bis man wieder an der Reihe ist. Zu Beginn warteten wir zu viert gespannt auf das anstehende Spielvergnügen. Leider wollte sich das nicht vollständig einstellen.

 

Stefan Olschewski:

Schicke Aufmachung, hoher Spielreiz, interessantes Thema in stimmungsvoller Umsetzung. Dann aber leider Ernüchterung durch die Unwägbarkeiten des Materials und die geringe Planbarkeit der eigentlich reizvollen Endeckungsreise. Nichts für Grobmotoriker oder knallharte Taktiker. Als Familienspiel aber nett.

 

Überblick

 

Spieler: 2-4

Alter: ab 10 Jahren

Dauer: ca. 30 Min.

 

Autor:          Klaus-Jürgen Wrede

Grafik:         Franz Vohwinkel

Preis:           ca. € 25,00

Vertrieb:      Pro Ludo / Fachhandel

Verlag:         Phalanx Games 2006

www.phalanxgames.nl

 

Bewertung

Genre: Taktisches Entdeckungsspiel mit Memory-Element

Zielgruppe: Familie

Mechanismus: Legespiel

 

Strategie:              ***

Taktik:                  ***

Glück:                   ****

Interaktion:            **

Kommunikation:     ***

Atmosphäre:          *****

 

Kommentar

Schöne Aufmachung

Einfache Regeln

Kurze Spieldauer

Geringe Planbarkeit

Marker und Holzsteine viel zu klein

Eigentlich ein Spiel, das von der Grundidee, dem Spielmechanismus und der Umsetzung begeistern müsste. Bringt man es aber tatsächlich auf den Tisch, ist diese Begeisterung leider getrübt. Nett, aber irgendwie doch nicht ganz befriedigend.

 

Stefan Olschewski

stefan@stefanmagie.tobit.net