UNSERE REZENSION

 

Wir reisen in Gruppen

 

Wunderland

 

von Knuffingen nach Skandinavien

 

„Oh nein“, sagt da jemand in meiner Spielrunde, „nicht wirklich ein Reisespiel! Das ist doch Frühgeschichte des Spiels, so „Reise durch ….“, sag nicht wir müssen Ziele erreichen und womöglich auch noch Souvenirs sammeln und Fragen beantworten, damit wir sie kriegen!“

 

„Oh doch!“, zumindest Reisespiel und sammeln stimmen, aber von Frühgeschichte, so mit würfeln, ziehen, Frage beantworten, Kärtchen mitnehmen etc. ist absolut keine Rede. Wir befinden uns nämlich in der Spielbrett-Version von Miniatur Wunderland, der riesengroßen Modelleisenbahnanlage in Hamburg, auf 1300 m² mit Landschaften von Skandinavien bis USA, und simulieren eine Reise durch Wunderland.

Der Grundmechanismus ist tatsächlich der aller Reisespiele, man muss vorgegebene Ziele erreichen und von dort Andenken, in diesem Fall Ansichtskarten, mitbringen. Aber damit ist auch schon Schluss mit den Ähnlichkeiten! Aber fangen wir lieber ganz am Anfang an.

Wir sind mit einer Karte konfrontiert, die eine ziemlich willkürliche Anordnung geographischer Gebiete zeigt, Österreich zum Beispiel liegt, durch ein bisschen Wasser getrennt, gleich neben Amerika und das wiederum neben Skandinavien, aber das macht nix, die Reise ist ja ohnehin hypothetisch und die Karte entspricht exakt den Gegebenheiten der Anlage. Insgesamt haben wir acht solcher Gebiete und darin verschiedenste Orte, für sieben der Abschnitte gibt es Stapel mit Ansichtskarten, die offen auf die Kartenfelder gelegt werden. Vom Stapel der verdeckten Zielkarten bekommt jeder Spieler zwei, er hält sie geheim, darf sie aber selber jederzeit anschauen. Einer bekommt noch die große Lokomotive als Startspielermarker und alle stellen ihre jeweils acht Figuren nach Knuffingen, Start- und Zielort aller Reisen. 

Der aktive Spieler muss in seinem Zug eine oder mehrere Figuren seiner Farbe nach Wahl einen oder zwei Schritte weit bewegen, immer entlang der Linien; er darf beliebig viele Figuren bewegen, allerdings immer nur vom selben Ausgangsort zum selben Zielort und muss nicht alle seine Figuren mitnehmen. Er kann zum Beispiel drei der acht Figuren vom Startort Knuffingen zwei Felder weit Richtung Airport & Bayern ziehen, die anderen fünf bleiben stehen, und er muss alle drei Figuren ins zweite Feld stellen, er darf nicht unterwegs eine auf dem ersten Feld abstellen. Hat er seine Figuren gezogen, entscheiden alle anderen Spieler, die Figuren am Ausgangsort der aktuellen Bewegung des aktiven Spielers stehen haben, ob eigene Figuren mit dem aktiven Spieler mitreisen. Es können alle oder nur eine Figur eines Spielers mitgehen, müssen allerdings exakt die gleiche Reise machen, können also unterwegs nicht aussteigen. Der aktive Spieler darf vor oder nach dieser Pflichtbewegung Zielkarten erfüllen und Ansichtskarten sammeln.

Die Zielkarten zeigen verschieden viele Orte; um eine solche Karte zu erfüllen, muss man in jedem dieser Orte mindestens eine Figur stehen haben. Ist dies der Fall und will man die Karte erfüllen, deckt man sie auf und nimmt dann aus jedem auf der Karte abgebildeten Ort eine Figur weg und stellt sie zurück nach Knuffingen; die auf der Karte angegebenen Punkte werden sofort auf der Leiste markiert und man legt die erfüllte Karte offen vor sich ab. Hat man während seines Zugs eine oder mehrere Figuren auf Symbolfeldern stehen, kann man eine entsprechende Ansichtskarte nehmen und stellt eine Figur von diesem Symbolfeld zurück nach Knuffingen, gesammelte Ansichtskarten werden verdeckt gestapelt. Man darf übrigens beliebig viele Karten sammeln, punktet aber nur für maximal vier Karten eines Abschnitts.

 

Hat jemand seine fünfte Zielkarte erfüllt, endet das Spiel sofort. Ein Spieler kann das Spiel auch sofort beenden wenn er Ansichtskarten aller sieben Abschnitte besitzt und aufdeckt; dies kann er, muss er aber nicht tun.

Endet das Spiel auf eine dieser beiden Arten, wird keine Figur mehr bewegt, aber alle dürfen nochmals Zielkarten erfüllen und/oder Ansichtskarten sammeln.

Dann wertet man noch die Ansichtskarten nach Häufigkeit pro Abschnitt; für die Karten des Abschnitts, von denen man am meisten hat, gibt es pro Karte einen Punkt, für den Abschnitt mit den zweitmeisten Karten 2 Punkte pro Karte usw. Wer danach die meisten Punkte hat, war der eifrigste Tourist im Wunderland und gewinnt.

 

„Oh ja, ein Reisespiel“, aber ein modernes, die Zielkarten erinnern ein wenig an Zug um Zug, aber das absolut gelungene Kernstück des Ganzen ist der raffinierte Mitreisemechanismus. Nicht auf den ersten Blick erkennbar, aber  unbedingt notwendig ist die exakte Planung der Reisen für das Erfüllen einer Zielkarte, man muss ja an jedem Ort eine Figur zurücklassen, da muss man sich genau überlegen, wie viele man mitnimmt und ob man gleich auch eine Ansichtskarte sammeln will. Bei diesem Mitreisen kommt auch das Zufallselement ins Spiel, je nach Verteilung der Zielkarten hat man Glück und kann mitreisen, das heißt eine Karte schneller erfüllen oder muss sich sich allein Schritt für Schritt zu den Zielorten vorarbeiten.

 

Wunderland ist trotz Thema eigentlich mehr ein Logistik- denn ein Reisespiel, der Bezug zur Touristenattraktion ist gelungen und manifestiert sich besonders in den Ansichtskarten, die tatsächliche Details aus dem Wunderland darstellen. Die hypothetische Gewinnstrategie, sich nur auf vier Ansichtskarten pro Abschnitt zu konzentrieren und diese en bloc abzuholen ohne Zielkarten zu erfüllen einzusammeln, ist theoretisch möglich, aber praktisch durch Mitreisende mit der gleichen Idee kaum umzusetzen. Allerdings sollte man für die optimale Nutzung der Ansichtskarten gleich viele aus jedem Abschnitt einsammeln, womit wir wieder bei Taktik in diesem Spiel wären, die möglich ist, aber nicht nötig ist um Spaß im und mit Wunderland zu haben. Ein tolles Familienspiel mit genug Tiefgang auch für erfahrenere Spieler!

 

Dagmar de Cassan

 

Spieler: 2-4

Alter: 8+

Dauer: 45+

Autor: Dirk Hillebrecht

Grafiker: Jarek Nocoň, Hans-Georg Schneider

Preis: ca. 25 Euro

Verlag: Pegasus Spiele 2013

Web: www.pegasus.de

Genre: Reise, Setz, Sammel

Zielgruppe: Für Familien

Version: multi

Regeln: de en es fr it nl

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Tolle Ausstattung in Anlehnung an Miniatur Wunderland in Hamburg

Reizvoller Reisemechanismus

Taktik trotz Zufallsverteilung der Zielkarten

Ausgezeichnetes Familienspiel

 

Vergleichbar:

Alle Reise/Logistik-Spiele

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 6

 

Dagmar de Cassan:

Wer Logistik und taktische Planung mit genau dem richtigen Quäntchen Glück oder Zufall mag, wird sich auf den Schienenstrecken von Wunderland wohl fühlen.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 0

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0