Unsere Rezension

 

Ärzte mit grenzwertigen Eigenschaften

 

HOSPITAL RUSH

 

Doktoren-Placement zum Gesund-Lachen

 

Emergency Room, Dr. House, Grey’s Anatomy und die Schwarzwaldklinik: viele TV-Serien bringen den (vermeintlichen) Krankenhaus-Alltag auf unsere Fernsehgeräte; im Brettspiel-Bereich wird diese Thematik seltener umgesetzt. Für all jene, die danach fiebern – und dem „Doktor Bibber“-Alter bereits entwachsen sind – gibt es jetzt ein neues Medikament:

 

Dem äußeren Anschein nach haben wir es mit einer kleineren Spielschachtel zu tun. Wir legen den noch bekleideten Probanden auf den Untersuchungs-/Spieltisch und können bereits erste Anzeichen für witzige Wortspiele erkennen, sowohl bei den (spielerisch von uns zu verkörpernden) Assistenz-Ärzten als auch bei den Patienten (etwa „Quentin Quarantino“, „Sharon Gallstone“, „Antonio Bandageras“ etc). Nach oberflächlicher Untersuchung des Regelwerks liefert schon der erste Befund ausreichend Daten für ein als klassisch zu bezeichnendes Worker-Placement-Spiel – somit eine Symptomatik, die uns sehr häufig begegnet, zumal in den letzten Jahren nahezu jedes zweite Brettspiel damit befallen ist. Üblicherweise verordnen wir hier eine erste, nicht-invasive Probepartie um feststellen zu können, ob der Patient gleich wieder nach Hause geschickt werden kann (zur quasi ewigen Bettruhe), oder ob sich eine nähere Beschäftigung und mehrere Therapie-Bemühungen doch lohnen könnten.

 

Schwester, den Tupfer und das Spielmaterial bitte: Beim Spielbrett auf die richtige Seite achten, daneben die Studiermarker, Pflaster- und Geldplättchen in Griffweite bereit halten, die Krankenhaus-Apotheke mit den Medikamentenplättchen (verfügbar in drei Farben) bestücken, die Patienten-Karten mischen und vier davon auslegen, jeden Kollegen mit einer Spielerablage, einem Geldplättchen sowie jeweils zwei Spielfiguren und zwei Farbmarkern ausstatten. Jetzt kann die Operation beginnen: Jede Runde werden unsere beiden Spielfiguren auf dem allgemeinen Krankenhaus-Plan eingesetzt, um für uns Medikamente, Pflaster oder Geld zu besorgen. Geld ist für uns Ärzte natürlich besonders wichtig, da opfern wir uns nolens volens sogar für den einen oder anderen Nachtdienst auf. Dennoch sollten wir uns nicht zu flott auf die entsprechende Aktion (bzw. das Einsetzfeld „Nachtschicht“) stürzen: Der erste Kollege bekommt nämlich nur zwei Geldplättchen (dafür darf er aber außerdem noch den Startspieler der kommenden Runde bestimmen), erst für die späteren steigert sich das auf drei oder sogar vier. Bei den anderen Aktionen schaut es zumeist so aus, dass doch der frühere Vogel den besseren Wurm (bzw. die bessere Wurmbehandlung) (emp)fängt. Etwa beim „Medikamente besorgen“: Der jeweils Erste darf sich hier kostenlos zwei Plättchen davon nehmen, für alle anderen gibt es nur eines umsonst, das zweite müsste mit einem Geldplättchen bezahlt werden. Eine Ungehörigkeit stellt aber nicht nur die offensichtliche Käuflichkeit des hiesigen Krankenhaus-Apothekers dar, der Vorrat an Medikamenten ist auch noch äußerst knapp bemessen. Sehr leicht kann es passieren, dass sich alle Medikamente der gewünschten Farbe bereits im Besitz der Kollegenschaft befinden; als schwacher Trost sind immerhin (Trost-)Pflaster unbegrenzt vorhanden.

 

Mit diesen Ressourcen behandeln wir in weiterer Folge das Patienten-Material, damit wir dafür mit Siegpunkten entlohnt werden. Je umfangreicher die Medikamentengaben, desto lukrativer natürlich unser Prestigezuwachs; praktischerweise weiß jeder Patient gleich selbst, was (bzw. welche Kombination an Medikamenten und Pflaster) ihm gut tut. Für uns gilt es hierzu die Aktion „Patient behandeln“ zu wählen: Der jeweils Erste darf seinen Lieblings-Patienten gleich mit zwei Plättchen (Medikamente und/oder Pflaster) ohne Zusatzkosten kurieren, jedes weitere Behandlungsplättchen würde wieder ein Geldplättchen erfordern. Die (vermutlich wegen eines Nachtdienstes) erst später aufstehenden Kollegen benötigen bereits für das zweite Medikament ein Geldplättchen. Die Krankenkasse erlaubt jedoch nur eine bestimmte Zeit für das Behandeln eines Patienten, danach wird er eventuell auch unkuriert (und vermutlich letal) aus dem Krankenhaus entlassen (bei uns beschwert hat sich darüber jedenfalls noch keiner). Hier ist das richtige Timing besonders zu fünft sehr heikel, da jeder Patient grundsätzlich nur von jeweils einem Assistenz-Arzt behandelt werden möchte. Die Mitspieler müssen sich somit um die stets nur vier vorhandenen Patienten mit besonderer Eile und Hingabe bemühen, um nicht als Fünfter eventuell leer auszugehen.

 

Das schwer verdiente Geld für Medikamente auszugeben ist auch schon einem erst angehenden Arzt zutiefst zuwider. Lieber kauft man sich da diverse Zusatzdiplome ein; dafür steht die Aktion „Studieren“ zur Verfügung: Jeweils drei Geldplättchen für eine weitere Zusatzqualifikation erscheinen als durchaus angemessener Preis (für´s richtige Studieren fehlt uns natürlich die Zeit, immerhin soll eine Nachtschicht mehr dem gesunden Schlaf als dem Bücher-Büffeln dienen). Außerdem erhält man für jedes erworbene Zusatzdiplom sogar einen Siegpunkt, sofern man später die „Abschlussprüfung“ absolviert (für jeden Kollegen jedoch nur einmal möglich). Zur Auswahl stehen jedenfalls u.a. „Intensivmedizin“, mit der beim Behandeln eines Patienten ein weiteres Medikament oder Pflaster kostenfrei verabreicht werden darf. Die „Pharmazie“ wiederum gewährt ein Medikament beim Entlassen eines eigenen kurierten Patienten. Ähnlich fungiert das „Finanzwesen“, jedoch mit der Belohnung von zwei Geldplättchen (offenbar war das kein Kassenpatient); und „Management“ beschleunigt den „Patientenbehandlungsdurchfluss“.

 

Mit Geld lassen sich auch gleich direkt Siegpunkte erwerben, doch Obacht: Diese Aktion nennt sich „Bestechung“ und das entsprechende Einsetzfeld ist rot markiert! Sollte dieser Farbe vielleicht eine ähnliche Bedeutung wie im Straßenverkehr zukommen? Auch die Aktion „Sabotage“ lockt mit der roten Signalfarbe sowie mit der Möglichkeit, damit einem anderen Mitspieler Geld oder Medikamente zu entwenden (das mag zwar vielleicht etwas unkollegial erscheinen, kommt letztlich aber ohnehin „nur“ den Patienten zugute). Sollte der betroffene Kollege das doch als zu unsportlich auffassen, bleibt der Heulsuse immerhin noch das „Petzen“. Rot markierte Aktionen gehen nämlich nicht bloß mit dem Risiko einer späteren Rache des jeweiligen Opfers einher, sie können durch diese Reaktion nahezu sofort durch (legalen) Geldtransfer oder sogar Punkteverlust bestraft werden. Der Eid des Hippokrates muss hier also in folgender Weise interpretiert werden: „Böse“ Aktionen besser erst dann ausführen, wenn bereits jemand zuvor petzen gegangen ist, oder erst als letzter in der Runde, oder wenn zumindest noch ausreichend Geld (als Ersatz für den ansonsten sehr schmerzlichen Punkteverlust) vorhanden ist.

 

Für die Primare unter uns doch von Interesse ist der Umstand, dass wir auf unseren Spielerablagen jeweils über zwei spezielle (jedoch wieder rote!) Charakter-Eigenschaften verfügen, welche ebenfalls mittels der Spielfiguren aktiviert werden (die dann aber natürlich auf dem Krankenhaus-Plan fehlen). Das anfänglich festgestellte Beschwerdebild des Spiels verbessert sich somit in unserer Diagnose insoweit, als neben der gesteigerten Varianz bei der Auswahl an Möglichkeiten auch diverse Ärgerfaktoren bedient werden; dabei ist jedoch noch stärker auf das Risiko eines Verpetzt-Werdens durch einen Kollegen Bedacht zu nehmen. Auch sind die jeweiligen Spezialeigenschaften nicht ausgewogen bzw. unbalanciert; manche nützen einem außerdem selbst nicht unmittelbar, sondern schaden bloß einem Mitspieler, womit ein Königs- (bzw. Oberarzt-) -machereffekt auftreten kann. Das ist schon deswegen sehr schade, als gerade diese individuellen Sonderaktionen zu weiteren, etwas anders zu spielenden Partien motivieren sollen. Jedenfalls die Kollegin „Vanessa Toad“ sollte man besser gleich aus dem Krankenhaus mobben: Nur dieser steht nämlich die „das sag´ ich dem Chef“-Aktion zur Verfügung, womit rot gewordene Mitspieler – zusätzlich zur Sanktion beim „Petzen“ – noch mehr Geld bezahlen müssten, um keine Siegpunkte zu verlieren. Aufgrund der ständigen Geldknappheit sinkt damit aber natürlich die Motivation, überhaupt rote Aktionsfelder zu nutzen, was im Ergebnis dem Spielgefühl äußerst abträglich ist.

 

Harald Schatzl

 

Spieler: 3-5

Alter: 10+

Dauer: 45+

Autor: Thomas Kjølby Laursen, Kåre Storgaard, Steen Thomsen

Grafik: Olaf Hänsel

Preis: ca. 25 Euro

Verlag: Pegasus / eggertspiele 2014

Web: www.pegasus.de

Genre: Worker-Placement-Spiel

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: multi

Regeln: de en

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Zielgruppe offenbar wenig spielende Medizinstudenten und Turnusärzte

relativ wenig Regelaufwand

gute, leicht verständliche Symbolik

die witzige Gestaltung kann auch als alberner Klamauk empfunden werden

für Vielspieler nicht zu empfehlen

 

Vergleichbar:

alle anderen (einfachen) Worker-Placement-Spiele

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 4

 

Harald Schatzl:

 

Ein taktisches, dennoch eher leichter zugängliches Worker-Placement-Spiel, das weniger mit neuen Ideen als mit seiner satirischen Gestaltung und thematischen Umsetzung zu interessieren vermag (kaum jedoch Vielspieler). Anteil an dem im Großen und Ganzen noch positiven Endbefund haben die relativ flott zu spielende Dauer einer Partie (von unter einer Stunde) sowie diverse gemeine Interaktionsmöglichkeiten (welche bei den Mitspielern aber natürlich eine gewisse Frustrationstoleranz voraussetzen).

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 1

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0