Rezension
We all die in a jolly Submarine
Captain Sonar
Schiffe versenken für stressresistente Schwermatrosen
Früher haben wir ja nichts gehabt: „DKT“, „Mensch ärgere Dich nicht“, „Risiko“ – das war´s im Wesentlichen auch schon. Und für die noch Brettspielärmeren unter uns gab es sogar nur Schiffe versenken auf kariertem Papier. Wenn sich dabei wenigstens die Schiffe bewegt hätten! Und wenn das auch sonst dynamischer gewesen wäre!! Und wenn man das mit mehr Mitspielern hätte spielen können!!! Und für die Atmosphäre wäre es super, wenn man dabei das Gefühl haben könnte, dass alle im selben Boot sitzen!!!! Und welch Wunder: Jahrzehnte später werden alle diese Wünsche erfüllt! Endlich sitzen sich also die vierköpfigen Besatzungen zweier U-Boote gegenüber, am Spieltisch getrennt durch einen langen und hohen Sichtschirm, belauern und umschleichen sich, und wollen sich auch sonst das Leben wechselseitig mit Wasserminen, Torpedos, Suchdrohnen und Sonaren schwermachen.
In jeder der beiden Mann- bzw. Frauschaften sind vier sehr unterschiedliche Funktionen zu besetzen bzw. auszuüben: Der Kapitän gibt den Kurs vor; mit einem (abwischbaren) Filzstift macht er – ausgehend von der frei gewählten Startposition des U-Bootes – waagrechte oder senkrechte Linien auf seinem Tableau (einer Seekarte), auf dem zu Spielbeginn bereits mehr oder weniger Inseln (auf weniger oder mehr Meer) abgebildet sind. Zusätzlich muss er diesen Kurs (bzw. den nächsten Bewegungsschritt) laut und deutlich ansagen, damit nicht nur die eigenen Mitspieler die aktuelle Fahrtrichtung mitbekommen, sondern auch der gegnerische Funker; dieser darf nämlich (und muss) mithören, um den Kurs der Gegenseite auf dem eigenen Tableau einzutragen bzw. zu verfolgen. Da die gegnerische Startposition diesem vorerst natürlich nicht bekannt ist, steht dem Funker dafür eine transparente Folie zu Verfügung, damit er diese über der eigenen Seekarte beliebig verschieben kann. Je länger die Fahrt andauert, desto besser lassen sich die aktuell möglichen End-Positionen schon deswegen einschränken, als ein U-Boot weder in bzw. durch Inseln fahren noch den eigenen bisherigen Kurs kreuzen darf (also ähnlich dem „Worms“-Handyspiel).
Aufgrund dieser und weiterer Informationen (nach Aktivierung von Suchdrohnen und Sonaren) erhellt sich nach und nach die vermutete aktuelle Position des Feindes: Zeit einen Torpedo loszuschicken, sofern wir uns selbst in Zielreichweite befinden! Um die „Freischaltung“ der diversen Such- und Waffenfunktionen hat sich der Erste Offizier zu kümmern; dessen Rang-Titel verschleiert aber etwas den Umstand, dass es sich dabei um eine eher monotone und sogar ein wenig stupide Aufgabe handelt: Nach jeder Bewegung des eigenen U-Bootes ist einfach ein Feld anzukreuzen; etwa kann nach drei „Schritten“ und somit nach drei Kreuzen ein Torpedo zum Abschuss bereitgemacht werden. Analog gilt das auch für das Legen von Minen sowie den Einsatz von Suchdrohnen bzw. Sonaren (aufgrund derer der Gegenseite bestimmte Informationen über den eigenen Standort preisgegeben werden müssen). Man kann sich das vielleicht so vorstellen, dass die Bewegungsenergie umgewandelt wird, um damit interne mechanische Vorgänge zu speisen.
Grundsätzlich ist es somit also gut, wenn sich das eigene U-Boot viel bewegt, weil dadurch mehr bzw. wiederholt Funktionen aktiviert werden können. Andererseits liefert das zum einen der Gegenseite – über deren Funker – wertvolle Informationen; zum anderen bleibt das eigene Schiff durch viel Bewegung aber gerade nicht fit, sondern wird dadurch sogar stets leicht beschädigt – offenbar „bumpert“ das Schiff bei seiner Fahrt wiederholt mit Korallen oder zu großen Fischen zusammen. Zunächst hat das zwar noch keine allzu dramatischen Auswirkungen; lässt man das aber zu lange unberücksichtigt, sind nicht nur diverse Funktionen nicht mehr einsatzbereit, sondern kann es letztlich doch einmal das Äquivalent zu einem externen Treffer setzen. Hierbei ist die Funktion des Maschinisten wesentlich: Dieser hat auf seinem Tableau – ähnlich dem Ersten Offizier – für jeden Bewegungsschritt etwas anzukreuzen, bloß dass der Maschinist dabei noch weniger Entscheidungsmöglichkeiten als der Erste Offizier hat. Dafür kommt dem Maschinisten eine stärker kommunikative Aufgabe zu: Er sollte dem Kapitän Tipps für eine sichere Fahrt zustecken! Durch geschicktes Manövrieren lassen sich nämlich einige dieser kleineren Defekte von selbst reparieren (was nicht wirklich logisch bzw. nachvollziehbar erscheint, spielmechanisch aber gut funktioniert): Etwa ist nach einer beliebigen Kombination von Bewegungsschritten ein Mal nach Osten und drei Mal nach Norden einer von vier Abschnitten des U-Bootes wieder heil. Natürlich sollten diese Hinweise an den Kapitän möglichst geheim erfolgen, denn der gegnerische Funker wird wohl versuchen, auch diese Informationen bei seiner Standortsuche zu berücksichtigen.
Gleichzeitig muss der Kapitän aber auch Rat vom eigenen Funker einholen, wo es denn sinnvoller Weise langgehen sollte. Zusätzlich braucht der Kapitän noch Infos vom Ersten Offizier, welche Waffen- und/oder Suchfunktionen aktuell gerade verfügbar sind; dafür ist oft noch eine weitere Rücksprache beim Maschinisten erforderlich. Und das alles in stressiger Echtzeit: Das bedeutet, die beiden U-Boote machen ihre jeweiligen Bewegungen grundsätzlich unabhängig voneinander. Denkt die eine Besatzung also zu lange über ihren nächsten Zug nach, steht das andere U-Boot vielleicht schon – flott, flott – vor der Luke und winkt mit dem finalen Torpedo-Abschiedsgruß! Bloß bei der Nutzung (bzw. Abhandlung) des technischen Equipments wird dieser schnelle Spielfluss jeweils mit einem „Stopp“ unterbrochen.
Geht es einmal gar nicht mehr weiter, weil der Kapitän auf seinem Plan schon fast alles „angemalt“ hat oder sich die diversen kleineren Defekte des U-Bootes bereits gefährlich aufsummiert haben, besteht die Möglichkeit des Auftauchens: Hier darf der Kapitän zum einen tabula rasa machen (also den bisherigen Kurs löschen), zum anderen wird dabei auch das U-Boot repariert – spielerisch umgesetzt durch ein wieder hektisches, aber sehr witziges, abwechselndes gemeinsames Linienzeichnen auf dem Tableau des Maschinisten. Hierbei gibt es aber kein „Stopp“, sodass ein Auftauchen zu nahe beim gegnerischen U-Boot das Ergebnis „Reparatur gelungen, Besatzung leider tot“ bedeuten kann, sofern die Gegenseite bereits eine Vorahnung hat, wo sich der aufgetauchte Kontrahent denn befinden könnte. Zusätzlich muss der Kapitän sogar noch einen (weiteren) konkreten Hinweis auf die eigene aktuelle Auftauchposition geben.
Die durch diese Spielweise bewirkte Hektik kann leider auch diverse (später nicht mehr aufklärbare) Spielfehler verursachen, die das Konzept natürlich beeinträchtigen bzw. sogar zerstören – hier braucht es wirklich Disziplin und Konzentration bei allen Beteiligten! Und wenn üblicher Weise die Verbindung von Brettspiel und Elektronik weniger gut gelungen ausfällt, würde sich hier eine Umsetzung für acht Tablets – zur „Fremdkontrolle“ durch ein elektronisches „Über-Wir“ – durchaus anbieten. Jedenfalls gibt es am Ende – ausgelöst nach vier Schadenspunkten, verursacht durch Torpedos, Minen oder auch durch riskantes bzw. schlechtes Navigieren – häufig extreme, euphorische Freude auf der einen und traurige Niedergeschlagenheit auf der anderen Seite. Es braucht aber nicht unbedingt acht Mitspieler, ideal spielt sich „Captain Sonar“ meiner Ansicht nach zu sechst (im Echtzeitmodus), weil dann die eher „faden“ Funktionen der beiden Ersten Offiziere entweder vom Kapitän oder vom Maschinisten mitübernommen werden; dafür geht es zu acht noch kommunikativer und spaßig-lauter zu. Zu viert verwaltet jeder am besten zwei Rollen, was zwar machbar ist, aber wohl nur im Rundenmodus: Dabei werden die einzelnen Züge nämlich abwechselnd und ohne Zeitdruck abgewickelt; hier ähnelt das Spielgefühl dann einer Art von „Geheimschach“ (bzw. von „Stratego“).
Bei Partien mit Neueinsteigern ist es aber doch nachteilig, dass die Regeln nicht bloß stets wieder neu erklärt, sondern auch verstanden werden müssen – denn auch schon ein Fehler des Neulings kann die ganze Partie kaputt machen! Somit müsste mit Neulingen vorsorglich zunächst einmal zumindest ein Spiel im Rundenmodus gespielt werden, bevor alle endlich „the real thing“ spielen können – und das könnte wiederum die Veteranen etwas langweilen. Neben den zwei grundsätzlich unterschiedlichen Spielweisen gibt es Varianz auch aufgrund von fünf verschiedenen Spielplänen bzw. Seekarten. Außerdem sind bereits Pläne bzw. Karten für „New York“, „Chicago“ und „Foxtrott“ erhältlich; und eine erste Erweiterung ist bei Matagot angekündigt. Für nur zwei bis vier Spieler soll demnächst auch noch ein eigenständiges, offenbar vereinfachtes Spiel unter dem Namen “Sonar” erscheinen.
Harald Schatzl
Spieler: 4-8
Alter: 10+
Dauer: 30+
Autor: Roberto Fraga, Yohan Lemonnier
Grafik: Ervin & Sabrina Tobal
Preis: ca. 40 Euro
Verlag: Pegasus Spiele 2016
Web: www.pegasus.de
Genre: Deduktives Echtzeitspiel
Zielgruppe: Freunde
Spezial: Viele Spieler
Version: de
Regeln: cn de en es fr it nl
Text im Spiel: nein
Kommentar:
Originelles, nahezu einzigartiges Spielerlebnis
Stark asymmetrische Funktionen der vier Rollen
gute Übersichten fehlen
am besten zu sechst und stets mit der selben Gruppe
Unspielbar bei zu schlampigen bzw. sogar schummelnden Mitspielern
Risiko eines anstrengenden bzw. frustrierenden Spielgefühls
Empfehlungsliste Kennerspiel-des-Jahres
Vergleichbar:
Andere Ausgaben:
Matagot (en es fr nl), Pendragon (it), Broadway Toys (cn)
Gesamt: 6
Harald Schatzl
Zufall (rosa): 1
Taktik (türkis): 3
Strategie (blau): 1
Kreativität (dunkelblau): 0
Wissen (gelb): 0
Gedächtnis (orange): 1
Kommunikation (rot): 3
Interaktion (braun): 2
Geschicklichkeit (grün): 0
Action (dunkelgrün): 1