Unsere Rezension

 

Scheinbare Idylle

 

Die blutige Herberge

 

Gemeuchelte Gäste im Landgasthof

 

Was eher klingt wie ein drittklassiger Horrorfilm, entpuppt sich bei näher Betrachtung als neues Spiel des belgischen Verlags Pearl Games, das zur Spiel in Essen 2015 gleich in mehreren Sprachen veröffentlicht wurde. Diesmal nicht unbedingt, wie seine namhaften Vorgänger wie z.B. Deus, Bruxelles 1893, Tournay oder Troyes im Vielspielersegment angesiedelt, sondern durchaus für Gelegenheitsspieler geeignet. Die Altersfreigabe ab 14 Jahren ist wohl eher dem Thema als der Spielmechanik geschuldet, kann man das Spiel doch selbst mit der maximalen Spieleranzahl zu viert in einer Stunde schaffen.

 

Wie schon dem Namen zu entnehmen ist, geht es bei der blutigen Herberge nicht nur darum, seine Gäste zu beherbergen und zu bewirten, sondern auch darum den ein oder anderen Gast zu meucheln, nachfolgend ordentlich zu begraben, und damit sein Geld einzukassieren.

 

Die 2 bis 4 Spieler (es gibt auch eine Solovariante) bekommen je ein Zimmer mit einem farblich passenden Schlüssel in der Herberge zugeordnet und starten die Partie mit einem 10 Franc-Scheck. Zu Beginn verfügt jeder Spieler lediglich über 2 Bauernkarten in der Hand. Die restlichen Zimmer werden je nach Spielerzahl noch mit neutralen Schlüsseln belegt.

 

Rundenablauf:

Der Startspieler teilt jedem Zimmer genau einen Gast in Form einer Karte zu. Diese Gäste verfügen neben einer Stufe von 0 bis 3 noch über einen (je nach Stufe unterschiedlich hohen Geldwert, um den es ja hauptsächlich geht). Außerdem haben fast alle Gästekarten noch ein sogenanntes besonderes Talent und einen „Anbau“, also praktisch eine bestimmte vorteilhafte Funktion, sofern man denn die Karte während des Spiels vor sich auslegt.

Dann hat jeder Spieler genau eine aus 5 möglichen Aktionen, danach noch eine zweite Aktion und schon ist eine Runde wieder vorbei. Das ganze Spiel endet, wenn der Kartenstapel zweimal durchgespielt worden ist.

 

Erste mögliche Aktion ist „einen Gast bestechen“, um ihn auf die Hand zu nehmen. Dazu müssen , Handkartenentsprechend der Stufe des Gastes , bezahlt werden, (0 bis 3). Sollte dazu mit Bauern bezahlt werden, kommen diese immer in die Gaststube auf dem Spielplan (was für alle nachfolgend erklärten Aktionen gilt für die Bauern verwendet werden), alle andere Gäste kommen auf den Ausgang (Ablagestapel). Sollte zum Bestechen ein Gast mit dem besonderen Talent „Bestechung“ (Geldbündel-Symbol) verwendet werden, so muss dieser nur vorgewiesen werden und kommt danach wieder auf die Hand zurück. Statt eines Gastes können auch 1 bis 2 Bauern (aus der Gaststube) sofern vorhanden bestochen werden.

 

Bei der zweiten Aktionsmöglichkeit geht es um das „Anbauen“ einer Gastkarte aus der Hand vor sich in die eigene Auslage, um die Funktion dieses Anbaus für den Rest des Spiels nutzen zu können. Alle Funktionen bringen z.B. Geld, erleichtern die Standardaktionen, indem eine Karte weniger zu bezahlen ist bzw. haben diverse andere Vorteile. Außerdem ermöglichen sie das „Beerdigen“ der gemeuchelten Gäste (Anzahl je nach Stufe des Anbaus). Irgendwo muss man die Gäste-Leichen doch wieder loswerden, bevorzugt natürlich unter einem eigenen Anbau, das bringt nämlich den kompletten darauf abgedruckten Geldbetrag. Vergleichbar zum Bestechen werden auch beim Anbauen alle bezahlten Karten mit dem Talent „Anbauen“ wieder auf die Hand zurückgenommen.

 

Kommen wir nun zu den beiden wichtigsten Aktionen, die nur in Kombination zum gewünschten Erfolg führen: „Einen Gast umbringen“ und „eine Leiche beerdigen“. Beides will gut geplant und vorbereitet sein, kostet es doch bis zu 6 Handkarten, um diese beiden Aktionen mit einem Gast der Stufe 3 durchführen zu können. Einen Gast meuchelt man, indem man eine Gast-Karte in der Herberge (nicht aus der Hand) auswählt und wieder entsprechend seiner Stufe mit Karten aus der Hand bezahlt. Sollte hierbei ein Ordnungshüter (Talent-Symbol Waffe) beteiligt sein, wird auch dieser wieder auf die Hand zurück genommen. Der gemeuchelte Gast wird mit der „Tot“-Seite vor sich ausgelegt. Das „Beerdigen“ wird wieder durch Abgabe von Handkarten durchgeführt. Wichtig ist dabei, wo die „Leiche“ beerdigt wird, da bei Nutzung eines fremden „Anbaus“ der auf der Leiche abgedruckte Geldbetrag zwischen den Beteiligten aufgeteilt wird.

 

Schließlich gibt es noch die Aktion Passen, die entgegen ihrem Namen doch eine sehr wichtige Funktion beinhaltet, nämlich „Geld zu waschen“, das heißt Bargeld (Geldleiste auf dem Spielplan) gegen Schecks oder umgekehrt in 10er-Schritten zu tauschen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass man auf der Geldleiste, welche ja neben den 10 Franc-Schecks, ein Teil des Geldvermögens darstellt, nicht über 40 Franc hinauskommt. Man muss sich also durch die Aktion „Passen“ rechtzeitig darum kümmern, sein Geldertrag auch vorwärts fahren zu können. Sollte hier viel Geld verfallen, ist das mehr als schmerzlich, hat es doch normalerweise eine Menge Handkarten gekostet.

 

War jeder Spieler zweimal an der Reihe, kommt es noch zu drei Rundenabschluss-Schritten. Hierbei ist es wichtig, schon während der zwei Aktionsrunden darauf zu achten, ob sich ein „Ordnungshüter“ in einem Zimmer aufhält. Sollte nämlich bei Rundenende noch immer mindestens ein solcher in der Herberge sein, muss jede nicht beerdigte Leiche aus dem Spiel genommen werden und noch schlimmer muss pro Leiche 10 Franc entweder in Form eines Schecks oder Bargeldes bezahlt werden. Und eines kann ich fast prophezeien: Sollte das einem Spieler mehrfach passieren, hat er mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Chance auf den Sieg vertan. Also daher mein Rat, nicht zu viele Gäste zu killen ohne sie umgehend ordentlich zu beerdigen.

 

Neben dem Rundenende-Schritt „Abreise“, in dem alle noch verbliebenen Gäste auf den Ablagestapel kommen wofür ein Franc je eigenem Zimmer lukriert wird, gibt es noch den Schritt „Löhne“ ausbezahlen, wobei jede Handkarte mit einem Franc entlohnt werden will. Wer das nicht kann, dem laufen die evtl. teuer erworbenen Komplizen gleich wieder davon.

 

Fazit: Überschaubare Regeln, Spieldauer durch Anzahl der verwendete Karten zu Spielbeginn zwischen 45 Minuten und 75 Minuten variierbar, neuartiges Thema, nicht allzu große Schachtel, daher auch gut in den Urlaub mitzunehmen, Herz was willst du mehr, eine blutige Herberge muss her.

 

Gert Stöckl

 

Spieler: 1-4

Alter: 14+

Dauer: 60+

Autor: Nicolas Robert

Grafik: Luis Francisco, Weberson Santiago

Preis: ca. 23 Euro

Verlag: Pearl Games 2015

Web: www.pearlgames.be

Genre: Kartenspiel

Zielgruppe: Mit Freunden

Spezial: 1 Spieler

Version: de

Regeln: de en es fr pl

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Neues Thema

Einfache Regeln

Spieldauer wählbar

 

Vergleichbar:

San Juan, Brügge und alle anderen Kartenspiele, bei denen Karten Mehrfachfunktionen haben

 

Andere Ausgaben:

Englische, französische und spanische Ausgabe Pearl Games, polnische Rebel.pl

 

Meine Einstufung: 6

 

Gert Stöckl:

Gut funktionierendes kurzweiliges Kartenspiel für Freunde (und erfahrene Familien) mit überschaubarer Spielzeit und neuem, wenn auch ungewöhnlichem Thema

 

Zufall (rosa): 2

Taktik (türkis): 1

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 1

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0