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Alter                   

Spezial                

 

Der Herr der Rondelle

 

Navegador

 

Eins, zwei oder drei …

… Du musst Dich entscheiden, drei Felder sind frei. Dieses Prinzip aus der bekannten TV-Show für Kinder umschreibt auch sehr gut den innovativen Mechanismus, den Mac Gerdts für die Auswahl der Aktionen erfunden hat: Das Rondell. Abstrakt gesehen ist es ein Kreis, der in acht tortenstückförmige Felder unterteilt ist, wobei jedes Feld für eine Aktion steht. Auf diesem Kreis bewegen die Mitspieler ihre Markierungssteine wie die Zeiger einer Uhr und entscheiden selbst, welche Aktion sie als nächstes ausführen wollen. Beim Rondell handelt es sich aber nicht bloß um ein anderes Wahlverfahren für Aktionen, es entsteht dabei auch ein dynamischeres Spielgefühl, da die meisten der möglichen Aktionen (Einnehmen oder Ausgeben von Geld bzw. Ressourcen) nur wenig Zeit in Anspruch nehmen. Und so wie sich ein Film aus Einzelbildern zusammensetzt, erzeugen hier viele kurze Aktionen einen beinahe mitreißenden Spielfluss, der kaum Wartezeiten aufkommen lässt (sofern nicht ein unverbesserlicher Grübler mitspielt).

Verstärkt wird dieser Beschleunigungseffekt noch durch folgende Besonderheit: Es geht hier weniger darum, sein Kapital effizient einzusetzen, zu optimieren sind vielmehr die Aktionen selbst; mit möglichst wenig Aktionen sollte ein Zwischenziel erreicht werden, damit zum Spielende eine Chance auf den Sieg besteht. So verlagert sich die für Mitspieler sonst oft zeitlich quälende Frage „ich bin jetzt dran, was soll ich tun?“ auf „ich war gerade dran, was mache ich als nächstes?“ – worauf sich zumeist eine Antwort während der Aktionen der Mitspieler finden lässt, zumal auf dem Rondell nur das Weiterrücken um bis zu drei Felder kostenfrei möglich ist. Deren Überspringen und das Nutzen einer „späteren“ Aktion muss hingegen bezahlt werden, weshalb davon seltener Gebrauch gemacht wird. Zugleich lässt sich aufgrund dieser Regel versuchen, die möglichen nächsten Aktionen der Mitspieler abzuschätzen.

Zusätzlich zu der jeweiligen atmosphärisch sehr dichten Umsetzung eines Themas gibt es als sehr netten Service stets auch ein Beiheft mit historischen Hintergrundinformationen, mit denen das Spielerlebnis nochmals intensiviert werden kann. Positiv fallen auch die sonstigen Ausstattungen der Rondell-Spiele auf. Bei den weiteren Gemeinsamkeiten ist das Fehlen von Glückselementen hervorzuheben. Dass es dennoch nicht zu schachähnlichen Zuständen kommt, ist zum einen dem Rondell, zum anderen der Interaktion zwischen den Mitspielern zu danken. Die Spielanleitungen bestehen jeweils aus einem relativ schlanken Regelwerk, das Meiste ist außerdem schlüssig und stimmig umgesetzt sowie leicht nachzuvollziehen. Die Spielregeln sind also nicht kompliziert, aber auf eine anregende Art komplex.

Antike: Die sandalentragenden Gefährten

In dem ersten Werk ist das Rondell mit geradezu puristischer Schönheit ausgestattet: Drei Felder für das Einnehmen von Ressourcen (Marmor, Gold oder Eisen), drei Felder, um diese wieder auszugeben und zwei Felder für die Bewegung der Armeen und Flotten. Damit entsteht eine ganze Spielewelt, bestehend aus kleineren Scharmützeln bis zu komplexen Feldzügen von bis zu sechs sich entwickelnden Völkern im Mittelmeerraum oder – auf der Rückseite des Spielplans –  in dem Gebiet, in dem einst Alexander groß geworden ist. „Antike“ ist aber kein Kriegs- bzw. „reines Bubenspiel“, zumal auch friedliche Strategien möglich sind. Da sich der Ausgang eines Kriegszuges eindeutiger vorhersagen lässt als die Antwort des Orakels von Delphi, kann sich das Endspiel aber etwas hinziehen. Außerdem ist der Optimierungscharakter sehr stark ausgeprägt, sodass Neulinge gegen versierte Feldherren kaum eine Chance haben.

Imperial: Die zwei Dimensionen

Auf den ersten Blick wirkt „Imperial“ wie ein in den 1. Weltkrieg zeitgereistes „Antike“; und zunächst hat es auch den Anschein, als würden die Mitspieler etwa als König von Italien, Zar von Russland oder als „Wir sind Kaiser“ von Österreich-Ungarn beginnen. Tatsächlich sind wir aber anonyme Investoren, die mit eigenem Kapital die Kriegskassen der Großmächte füllen und dafür nicht bloß Kreditschuldscheine erhalten, sondern auch gleich die Regierungsgeschäfte übernehmen (ähnlich dem Mehrheitsgesellschafter eines Unternehmens). Das richtige Timing, das Nutzen der Aktionen zum jeweils besten Zeitpunkt, ist bei dieser Kombination aus wertpapierspekulativen und kriegerischen Spielelementen besonders entscheidend. Gelungen ist nicht nur die Ausgewogenheit zwischen Börse und Krieg, darüber hinaus bietet keines der Länder einen Startvorteil; deren Wachstum (oder Misserfolg) hängt vielmehr von der Interaktion der Mitspieler ab (sodass letztlich auch Neulinge gewinnen können). Entgegen der „Rondell-Parabel” (in Lessings „Nathan der Weise“) ist „Imperial“ unter den Rondell-Spielen jedenfalls eindeutig der Vorzug zu geben. Mit „Imperial 2030“ ist im Vorjahr auch eine Variante auf einer zukünftigen Weltkarte als Spielplan erschienen. Hier fallen jedoch die nicht gleichwertigen geografischen Ausgangsbedingungen der sechs Großmächte auf. Manche „picken“ eng zusammen, andere verfügen wiederum über einen gewissen Sicherheitsabstand.   

Hamburgum: Die Rückkehr des Doppelspielplans

Der vorläufige Abschluss der Rondell-Trilogie überrascht mit der Abwesenheit von Militär. Aber auch im spielerischen Hamburg des 17. Jahrhunderts gibt es bei der gemeinsamen Errichtung von sechs Kirchen genügend Möglichkeiten, den Mitspielern in die Alsterwasser-Suppe zu spucken. Das Handelsgesetz zum hanseatischen Rondell lautet:
§ 1   Waren produzieren (Bier, Zucker oder Tuch)
§ 2   Waren mit eigenen Schiffen verkaufen (Kontor)
§ 3   Baustoffe (Holz, Ziegel, Glocke) kaufen (Kontor)
§ 4   Baustoffe eintauschen (in Schiffe, Gebäude oder Kirchenspenden)
Mit diesen vier Grundregeln ist tatsächlich jeder seines (Kirchen-)Glöckchens Schmied – die eigenen taktischen Überlegungen bei der spielerischen Bau-Statik muss man sich also nicht durch Zufall (etwa aufgrund der trügerischen Statistik von Würfeln) über den Haufen werfen lassen. Und auch bei dieser Wirtschaftssimulation lohnt es sich wieder, den Spielplan umzudrehen: „swinging Londinium“ amüsiert nicht nur die Queen. Aber leider sind diese beiden ersten Spielpläne grafisch nicht gut umgesetzt. Seit heuer gibt es mit „Antverpia“ endlich auch zwei wunderschön gestaltete Varianten mit leicht geänderten Regeln (ebenso wie bei „Lisboa“ mit der Möglichkeit, diese auf boardgamegeek.com runterzuladen und selbst auszudrucken). Und wenn man den neuen Spielplan von „Hamburgum“ um die Grenzen der Stadtviertel ergänzt, ist dieser auch mit den Basisregeln spielbar.  

 

Die Prinzen von Machu Picchu: Das Rondell neu erfunden

Anstatt auf einem Rondell fährt man hier mit seiner Hauptspielfigur in den 15 Vierteln der Inka-Stadt herum, und löst damit jeweils eine Aktion aus. Derart ist das Rondell quasi in einer unsichtbaren Weise involviert, es kommen jedoch nur dessen Vorzüge – schnelle, dynamische Spielweise durch kurze Züge bzw. Aktionen – und nicht die von manchen am Rondell kritisierte „mechanische und trockene“ Spielweise zur Geltung; außerdem gibt es einen sogar noch gesteigerten Grad an Interaktion. Mit dem Nachziehen von „Opferkarten“ (die letztlich die Siegpunkte bringen) kommt zwar erstmals ein Glückselement in ein Spiel von Mac Gerdts, das auch ein frustrierendes Endergebnis bedeuten kann. Dafür gibt es eine spannungserhöhende alternative Spielendebedingung, angelehnt an die bekannte Pointe aus einem Sketch von Monty Python: „Nobody expects the Spanish Inquisition“ (und auch Lamas sind fast so zahlreich vertreten wie im Vorspann zu „Die Ritter der Kokosnuss“).

 

Navegador: Back to the Rondell-Roots?

Der Titel des neuen Spiels führt uns in dessen Thema ein: Navegador bedeutet Seefahrer auf Portugiesisch. Spielthema sind also die Entdeckungen und die koloniale Ausbreitung Portugals im 15./16.  Jahrhundert. Der – sehr schöne – Spielplan zeigt demnach ua. einen Ausschnitt der Weltkarte mit Portugal, Afrika, Brasilien, Teilen von Südasien bis nach Japan (dabei lassen sich mit Zanzibar, Goa, Macao und auch Vasco da Gama frühere Spielebekannte verorten).

Die Spielmechanismen bieten zunächst die Möglichkeit, mit den eigenen Schiffen auf den Meeresgebieten herumzusegeln. Zum einen, um damit bislang noch unbekanntes Land zu entdecken, zum anderen, um dort in weiterer Folge Kolonien (= Plantagen) zu gründen. Eigene Kolonien erlauben den Verkauf von Zucker, Gold bzw. Gewürzen auf dem allgemeinen Markt, was natürlich Geld bringt, jedoch fällt dadurch der Preis für nachfolgende Verkäufe. Faktoreien lassen die Warenpreise wieder ansteigen und bringen dem jeweiligen Besitzer umso mehr Erlös, je niedriger die aktuellen Preise sind. Neben Faktoreien können die Mitspieler auch Werften (für günstige Schiffe) und Kirchen (für günstige Arbeiter) bauen; neben Geld sind für das Errichten von Gebäuden auch noch Arbeiter notwendig, je mehr desto besser.

Das Rondell setzt sich hier also aus folgenden Aktionen zusammen: Schiffe-Bau, Segeln, Kolonie-Gründen, Arbeiter-Anwerben, Gebäude-Errichten und zweimal Markt (für den Warenverkauf bzw. zur Verwendung der eigenen Faktoreien). Das achte Feld nennt sich „Privileg“: Dort bekommt man Plättchen, die als Multiplikatoren für Siegpunkte dienen. Denn natürlich ist das Herumsegeln (samt Ausbeuten fremder Länder im Frühkapitalismus) kein Selbstzweck, letztlich geht es um Siegpunkte. Siegpunkte gibt es für alles: Jedes entdeckte Land, jede Kolonie, jede Faktorei, jede Werft und jede Kirche bringen zu Spielende einen bestimmten Grundwert von ein bis vier Siegpunkten. Mit jedem Privileg lässt sich dieser Grundwert erhöhen: Etwa jede Werft zählt dann nicht bloß drei Punkte, sondern fünf oder sogar mehr (bis maximal neun). Die Kolonien lassen sich zwar nur von eins auf maximal vier Punkte steigern, dafür kann man in einer Partie üblicherweise mehr Kolonieplättchen als Werften einheimsen, was in der Multiplikation auch ein schönes Endergebnis bedeuten kann. Lediglich die Schiffe, Arbeiter und das Restgeld sind punktemäßig nicht steigerbar (sollen aber ohnehin primär als Mittel zum Zweck dienen).

Im Unterschied zu den früheren Rondell-Spielen fällt auf, dass das Rondell bei „Navegador“ mehr unterschiedliche Aktionen aufweist, von denen auch nahezu alle regelmäßig genützt werden müssen. Ohne Schiffsbau kein Entdecken und auch das Segeln und das Gründen von Kolonien ist mit den bloß zwei Schiffen zu Spielbeginn wenig effektiv; ohne Arbeiter wiederum keine Gebäude bzw. Privilegien. Da aber selbst mit mehreren Werften bzw. Kirchen neue Schiffe und neue Arbeiter auch noch Geld kosten, kann man es sich kaum leisten, den Markt nicht zweimal pro Rondell-Runde aufzusuchen. Für das Gründen von Kolonien und das Errichten von Gebäuden braucht es natürlich ebenfalls (sogar recht viel) Geld, ohne Kolonien bzw. Faktoreien wird man wirtschaftlich jedoch sehr bald von den Mitspielern abgehängt sein.

Dieser Umstand führt dazu, dass die Mitspieler – jedenfalls im ersten Spieldrittel – auf dem Rondell fast nur schrittweise vorankommen, erst nach Aufbau einer ausreichenden wirtschaftlichen Basis kann man versuchen, Prioritäten zu setzen bzw. eigene Strategien zu entwickeln. Dadurch entsteht ein etwas anderes Spielgefühl als bei den früheren Rondell-Spielen. Man hat bei „Navegador“ sogar fast den unangenehmen Eindruck, vom Rondell gespielt zu werden, zumal sich von den drei möglichen „Gratis-“Aktionen ohnehin stets eine als die Zweckmäßigste anbietet. Dazu kommt noch, dass es noch nie so teuer war, mehr als drei Schritte auf dem Rondell vorzunehmen: Pro weiteres Feld ist hier nämlich ein bereits zu Wasser gelassenes Schiff zu versenken! Das erscheint thematisch zwar stimmig, bedeutet aber nicht bloß den Verlust von je einem Siegpunkt, sondern auch von früheren bzw. sogar späteren Aktionen. Dadurch fühlt sich das Rondell hier beinahe wie ein enges Korsett an, das einem kaum Luft lässt, um – wie in den früheren Rondell-Spielen – quasi „leichtfüßig“ gleich mehrere Felder zu überspringen, um seine Mitspieler durch einen gelungenen Zug zu überraschen. Auch lassen die Spielmechanismen ein Element vermissen, das den (sich bis zum Spielende kumulierenden) Vorteil der zu Beginn wirtschaftlich führenden Mitspieler ausgleicht. Wenn man etwa in der ersten Rondell-Runde den „Fehler“ begeht, die Aktionen Schiffe-Bau oder Arbeiter-Anwerben effektiver nutzen zu wollen, wird man sich letztlich mit einem der letzten Plätze begnügen müssen.  

Deswegen ist „Navegador“ kein schlechtes Spiel; die Umsetzung des historischen Themas ist wieder sehr stimmig gelungen und die gegebenen Eigenheiten können sogar zu einer noch flotteren Partie führen, als dies bei den anderen Rondell-Spielen der Fall war (angeblich kann sie sich sogar in einer Stunde ausgehen). Ein kleines Glückselement ist auch hier enthalten, dieses sollte sich aber eher nur in Ausnahmefällen auf den Spielsieg auswirken. Gerade aufgrund der vom Autor angedachten „etwas leichteren Zugänglichkeit“ wäre die Beilage von Kurzspielregeln wünschenswert gewesen; zwar finden sich Teile der Regeln in Symbolen auf dem Spielplan und den Spieler-Tableaus wieder, für die ersten Partien wäre jedoch auch eine textliche Stütze sehr hilfreich.

 

Harald Schatzl

Harald.Schatzl@spielen.at

 

 

 

Spieler         : 2-5

Alter            : ab 12 Jahren

Dauer           : ca. 90 min

 

Autor           : Mac Gerdts

Grafik          : Marina Fahrenbach, Mac Gerdts

Titel            : ???????

Preis            : ca. 35,00 Euro

Verlag          : PD-Verlag

  www.pd-verlag.de

 

Genre                   :Aufbau- und Entwicklungsspiel

Ziegruppe              :Mit Freunden Freunde

Mechanismen         :Entdecken von Spielplanfeldern

  

Kommenar:

Stimmiges Ineinandergreifen von Thema und Mechanismen

Schöne Ausstattung und Grafik

Keine Kurzspielregeln

 

Vergleichbar mit:

Hamburgum

 

Harald Schatzl

Das vierte „richtige“ Rondell-Spiel bietet zwar wieder ein sehr schönes und spannendes Spielerlebnis, wird für die „Evolution“ des Rondells aber wohl eher keinen Fortschritt bedeuten.

 

Meine Bewertung: 5

 

Zufall                            1

Taktik                  3

Strategie__                  2

Kreativität          

Wissen_              

Gedächtnis         

Kommunikation   1

Interaktion                   2

Geschicklichkeit 

Action