Unsere Rezension

 

Back to the Rondell-Roots

 

ANTIKE II

 

Sandalenepos-Kämpfe ohne Regelqualen-Krämpfe

 

Das Rondell: Vor einem Jahrzehnt ist es uns das erste Mal in „Antike“ begegnet und hat sich in den weiteren Jahren zum „Markenzeichen“ von Mac Gerdts entwickelt. Bereits 2006 ist „Imperial“ gefolgt, die spielerisch geniale (wenngleich thematisch etwas zynische) Variante zum ersten Weltkrieg. Die Errichtung von Kirchen im 17. Jahrhundert mit „Hamburgum“ (2007) war der vorläufige Abschluss der Rondell-Serie, da in „Die Prinzen von Machu Picchu“ (2008) das Rondell – durch das Auslösen einer Aktion mittels der 15 Viertel der Inka-Stadt – in gewisser Weise neu erfunden wurde. (Eine spannungserhöhende alternative Spielendebedingung dürfte hierbei an diese bekannte Pointe aus einem Sketch von Monty Python angelehnt sein: „Nobody expects the Spanish Inquisition“; und auch Lamas sind fast so zahlreich vertreten wie im Vorspann zu „die Ritter der Kokosnuss“). Spielthema von „Navegador” (2010) wiederum sind die Entdeckungen und die koloniale Ausbreitung Portugals im 15./16. Jahrhundert. Und mit „Concordia“ (2013) hat es der Autor sogar auf die Nominierungsliste zum Kennerspiel des (Vor-)Jahres geschafft; hier nimmt man das Rondell quasi in die eigene (Karten-)Hand, um sich in weiterer Folge mittels eines moderaten Kartendeckbaus thematisch erneut in der Antike auszubreiten. Zusätzlich zu der jeweiligen atmosphärisch sehr dichten Umsetzung eines Themas gibt es in all diesen Spielen als sehr netten Service stets ein Beiheft mit historischen Hintergrundinformationen, mit denen das Spielerlebnis nochmals intensiviert werden kann; positiv fällt stets auch die sonstige Ausstattung der Spiele von Mac Gerdts auf.

 

Was nun aber ist das Rondell? Abstrakt betrachtet ist es ein Kreis, der in acht tortenstückförmige Felder unterteilt ist, wobei jedes Feld für eine Aktion steht. Auf diesem Kreis bewegen die Mitspieler ihre Markierungssteine wie die Zeiger einer Uhr und entscheiden selbst, welche Aktion sie als nächstes ausführen wollen. Beim Rondell handelt es sich aber nicht bloß um ein anderes Wahlverfahren für Aktionen, es entsteht dabei auch ein dynamisches Spielgefühl, da die meisten der möglichen Aktionen (Einnehmen oder Ausgeben von Geld bzw. Ressourcen) nur wenig Zeit in Anspruch nehmen. Und so wie sich ein Film aus Einzelbildern zusammensetzt, erzeugen hier viele kurze Aktionen einen nahezu mitreißenden Spielfluss, der kaum Wartezeiten aufkommen lässt (sofern nicht ein unverbesserlicher Grübler mitspielt).

Verstärkt wird dieser Beschleunigungseffekt noch durch folgende Besonderheit: Es geht hier weniger darum, sein Kapital effizient einzusetzen, zu optimieren ist vielmehr die Anzahl an Aktionen; mit möglichst wenig Aktionen sollte ein Zwischenziel erreicht werden, damit zum Spielende eine Chance auf den Sieg besteht. So verlagert sich die für Mitspieler sonst oft zeitlich quälende Frage „ich bin jetzt dran, was soll ich tun?“ auf „ich war gerade dran, was mache ich als nächstes?“ – worauf sich zumeist eine Antwort während der Aktionen der Mitspieler finden lässt, zumal auf dem Rondell nur das Weiterrücken um bis zu drei Felder kostenfrei möglich ist. Deren Überspringen und das Nutzen einer „späteren“ Aktion muss hingegen bezahlt werden, weshalb davon seltener Gebrauch gemacht wird. Außerdem lassen sich aufgrund dieser Zusatzkosten die möglichen nächsten Aktionen der Mitspieler besser abschätzen.

 

In „Antike“ ist das Rondell mit geradezu puristischer Schönheit ausgestattet: Drei Felder für das Einnehmen von Ressourcen (Marmor, Gold und/oder Eisen), drei Felder, um diese wieder auszugeben (Tempelbau, Erwerb von Fortschritten bzw. Aufrüsten) und zwei Felder für die Bewegung der Armeen und Flotten. Im Wesentlichen ist alles sehr schlüssig und nachvollziehbar geregelt: Bewege ich meinen Aktionsstein etwa auf das Feld Marmor lukriere ich ein Marmor für jede Stadt, welche Marmor produziert (am Anfang ist das nur eine). Je mehr Marmor-Städte ich habe, desto mehr Marmor bekomme ich also. Alternativ zu mehr Städten lässt sich die Produktion auch dadurch erhöhen, dass in einer Marmor-Stadt ein Tempel errichtet wird: Dadurch erhält man für diese Stadt gleich drei statt bloß einem Marmor; außerdem kann auch über den Erwerb eines bestimmten Fortschrittes die Produktion erhöht werden. Und in analoger Weise gelten diese Regeln für Gold bzw. Eisen.

 

Marmor wird in weiterer Folge primär dafür verwendet, um Tempel in den eigenen Städten zu bauen. Gold wird vor allem dafür ausgegeben, um diverse Forstschritte zu erwerben, mit denen sich die Eigenschaften des eigenen Volkes verbessern lassen. Und Eisen ist die Währung für neue Armeen bzw. Flotten, die zunächst einmal für die Ausbreitung des eigenen Volkes auf dem Spielplan erforderlich sind. Zu diesem Zweck steht auf dem Rondell gleich zweimal die Aktion Bewegung zur Verfügung. Auf jedem einverleibten Gebiet kann dann für eine Trilogie aus Marmor, Gold und Eisen eine neue Stadt gegründet werden. Bei Kontakt mit weniger freundlich gesinnten Mitvölkern (bzw. -spielern) kommt es zur Schlacht, wobei die Einheiten dabei einfach im Verhältnis 1:1 abgetauscht und vom Brett genommen werden – und das sind im Wesentlichen schon fast alle Regeln!

 

„Antike“ ist jedoch kein weiteres „explore, expand, exploit and exterminate“-Kriegs- (bzw. „reines Buben“-) -spiel. Abhängig von der Mitspieleranzahl soll nämlich eine bestimmte Anzahl an Siegpunkten erreicht werden. Zwar bekommt man diese auch für das Ausbreiten auf dem Spielplan und/oder für das Zerstören fremder Tempel, ebenso bringen aber sowohl der Bau von je drei Tempeln als auch der jeweilige Ersterwerb eines Fortschrittes Punkte. Diese werden nicht bloß auf einer Leiste markiert, jeder Siegpunkt wird auch durch eine Karte (mit dem Namen einer antiken Persönlichkeit) visualisiert. Der Grund dafür: Für alle Völker gemeinsam gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Siegpunkten in jedem der fünf Bereiche zu holen. Irgendwann hat es also keinen Sinn mehr, etwa weitere Tempel zu bauen, wenn die Siegpunkte dafür schon alle vergeben sind. Auch müssen eigene Tempel oder die einmal erreichte Ausdehnung des Staatsgebietes nicht unbedingt mit viel Energie verteidigt werden; besser ist es vielmehr, auf belastenden Besitz zu verzichten und den dadurch ersparten Zeit- und Ressourcen-Aufwand in das Erzielen weiterer Punkte in einem anderen Bereich zu investieren. Das Spielgeschehen erfordert somit ein häufiges taktisches Umschwenken, um noch schnell den einen oder anderen Siegpunkt zu lukrieren bzw. diesen einem Mitspieler wegzuschnappen.

 

Worin bestehen die wesentlichen Unterschiede zwischen „Antike“ und „Antike II“? Zusammengefasst wollte der Autor den „kriegerischen“ Aspekt des Spieles eindämmen und rein friedlichen Strategien mehr Siegchancen als früher einräumen. Demzufolge existieren zu Spielbeginn etwa bereits drei neutrale Tempel, die zwar auch zerstört werden müssen, um einen entsprechenden Siegpunkt zu erhalten, womit man den Mitspielern aber natürlich nicht so weh tut, wie wenn deren Privat-Tempel dem Erdboden gleich gemacht werden. Außerdem ist der Preis für Militäreinheiten nunmehr verdoppelt, weshalb man sich aggressive (Feld-)Züge jetzt besser auch doppelt überlegt. Ein wenig wird dieser Mehraufwand durch eine neu eingeführte „Bellona“-Karte abgeschwächt: Mit dieser wird man nämlich beim Aufrüsten mit einer Gratis-Einheit beschenkt. Anschließend gibt man die Karte nach deren Nutzung an den rechten Nachbarn (also gegen den Uhrzeigersinn) weiter (damit erfüllt sie eine ähnliche Funktion wie die „Navegador“-Karte bzw. die „Praefectus Magnus“-Karte aus „Concordia“). Weiters benötigt es jetzt weniger Bewegungsaktionen, um fremde Städte zu erobern bzw. Tempel zu zerstören. Damit der böse Nachbar dennoch nicht gleich vor der eigenen Haustür steht, werden alle Völker solange mit einem Verteidigungsbonus ausgestattet, als sie noch klein – und somit diszipliniert und wehrhaft und noch nicht bereits dekadent und siegpunktegierig geworden – sind. Auch die acht Fortschritte sind in „Antike II“ überarbeitet, sie kosten jetzt unterschiedlich viel und es gibt eine neue Kategorie (dafür ist die jeweils zweite Ausbaustufe für die Land- oder Wasserbewegung entfallen). Und für einen leichteren Erwerb der Siegpunkte für die Ausbreitung auf dem Meer gibt es jetzt einige Meeresgebiete, deren Besetzung dafür vorteilhafter ist.

 

Die meisten Änderungen erscheinen jedenfalls sehr gut gelungen. Insbesondere die neuen Fortschritte „Mercatura“ und „Commercium“, mit denen sich Ressourcen umtauschen lassen, stellen eine Bereicherung dar. Einzig die Steigerung des Tauschverhältnisses (von zunächst 2:1 auf 3:2) wirkt etwas unstimmig, zumal die beiden anderen zweistufigen Fortschritte mit einer Verdoppelung des jeweiligen Vorteils verbunden sind. Insgesamt wirkt sich auch die Verdoppelung der Rüstungskosten positiv auf das Spielgeschehen aus (bzw. schränkt frustrierende Erlebnisse von „Opfern“ ein), auch wenn damit ein gewisser Verlust an Interaktion einhergeht, zumal man jetzt ja nicht mehr so leichtfertig wie früher den Kriegspfad beschreitet. Dadurch wird aber gerade jene Eröffnungs-Strategie in fairer Weise begünstigt, welche zunächst auf eine Ausbreitung auf dem Spielplan und das Gründen neuer Städte setzt. Diese ist nämlich mit einer höheren Verwundbarkeit verbunden als die „Tempel-Strategie“ (= schnelles Errichten von drei Tempeln, welche nicht nur eine Verdreifachung der anfänglichen Produktion ermöglichen, sondern auch bei der Verteidigung und bei der Ausbreitung helfen) oder die „Gold-Strategie“ (= Errichten eines Tempels in einer Gold-Stadt und rascher Erst-Erwerb diverser Fortschritte aufgrund der höheren Gold-Produktion). Dem Umstand, dass ein Blockieren der „Bellona“-Karte über längere Zeit möglich ist (vor allem durch die Tempel- bzw. die Gold-Strategie) sollte mit einer Hausregel begegnet werden (etwa ähnlich wie in „Navegador”). Nachteilig empfindet man den nunmehrigen „Alte-Welt-Frieden“ jedoch dann, wenn alle Mitspieler dazu tendieren, sich in ihren jeweiligen Reichen „einzuigeln“, da der militärische Aspekt doch ein sehr wesentliches Element der Interaktion zwischen den Mitspielern ist. Und weil der Optimierungscharakter in „Antike II“ weiterhin sehr stark ausgeprägt ist, werden Neulinge gegen versierte Bau- und Feldherren kaum eine Chance haben (was dann aber auch für den Gewinner kein wirklich befriedigendes Spielerlebnis bedeutet). Nach wie vor gibt es – abgesehen von militärischen Interventionen – nämlich kein Element, welches den zurück liegenden Völkern (bzw. Mitspielern) das Aufholen erleichtert. Übrigens vermittelt auch das aktuelle Schachtel-Cover einen falschen, nämlich zu martialischen Eindruck als sich das Spiel in der Neuauflage tatsächlich spielt.

 

Im letzten Jahrzehnt hat es auch immer wieder Kritik am Rondell selbst gegeben: Man sei durch die stets gleiche Abfolge der Aktionen und die Beschränkung auf die Auswahl von nur drei kostenlosen Aktionen zu stark eingeschränkt bzw. zu determiniert in seiner Spielweise; manchen erscheint das Rondell auch zu „mechanisch“ bzw. „trocken“. Hier können diese Einwände aber schon deswegen weniger zutreffen, als ein Überspringen von Feldern auf dem Rondell ohnehin nur jeweils eine Ressource kostet; auch die Aktionen jenseits der „3-Felder-Grenze“ lassen sich also relativ „billig“ in die eigenen taktischen Überlegen mit einbeziehen (bzw. kann man quasi „leichtfüßig“ gleich über mehrere Felder hinwegspringen, um die gewünschte Aktion zu nutzen). Da aber auch immer mehr Brettspiele für die Auswahl der Aktionen einen sehr gut spielbaren (moderaten) Kartendeckbau-Mechanismus integrieren (etwa „Rokoko“, „Lewis & Clark“ und eben auch „Concordia“), empfiehlt sich folgende Variante, sofern man ein ähnliches Spielgefühl auch in „Antike II“ haben möchte:

 

Jeder verfügt über acht Karten, welche das Rondell (bzw. die darauf abgebildeten acht Aktionen) ersetzen, und welche jeweils vor den Mitspielern ausliegen. Nach ihrer Nutzung wird eine Karte umgedreht und steht erst dann wieder zur Verfügung, wenn alle zuvor bereits genutzten Karten reaktiviert (und wieder auf die Vorderseite gedreht) werden (eine derartige Reaktivierung ist vor oder nach jedem eigenen Zug möglich). Die Reaktivierung aller Karten kostet stets so viele Ressourcen wie noch offene (= ungenutzte) Karten ausliegen, minus zwei (quasi eine Umsetzung der Möglichkeit, auf dem Rondell zwei Felder kostenlos überspringen zu können).

 

Will man eine bestimmte Karte gleich zwei Mal hintereinander nutzen, ohne zuvor noch eine andere Aktion aktiviert zu haben, würde das sieben Ressourcen (für die restlichen noch offenen Karten) minus zwei, im Ergebnis also fünf kosten (und somit genau so viel, wie wenn auf dem Rondell eine bestimmte Aktion zweimal hintereinander gewählt wird). Im Unterschied zum Rondell ist es jetzt aber etwa möglich, eine Aktion als sechste Karte zu spielen und im folgenden Zug kostenfrei ein weiteres Mal (weil man bei nur zwei restlichen Karten alle genutzten Aktionen wieder kostenfrei reaktivieren darf). Wer Interesse an dieser Variante hat, kann die nachfolgenden Druckvorlagen verwenden (davon eine mit textlicher Erläuterung der jeweiligen Aktion, die andere ohne).

 

Und zu der „Bellona“-Karte bietet sich noch folgende Ergänzungsregel an: Wird diese übergeben, liegt sie zunächst auf der linken Seite des betreffenden Mitspielers. Bei dessen erster nachfolgender Reaktivierung seiner Karten wird sie auf dessen rechte Seite gelegt, und bei der zweiten nachfolgenden Reaktivierung muss sie auch dann weitergereicht werden, wenn sie der betreffende Mitspieler bis dahin noch nicht genutzt hat (also nicht „Militia“ gespielt hat; wie gehabt muss die „Bellona“-Karte jedenfalls nach ihrer Nutzung gleich weitergegeben werden).

 

Erneut lässt das Rondell eine ganze Spielewelt entstehen von bis zu sechs sich entwickelnden antiken Völkern im Mittelmeerraum oder – auf der Rückseite des Spielplans – in dem Gebiet, in dem einst Alexander groß geworden ist. Dabei stellt „Antike II“ quasi die „Eisenzeit“-Variante zum „Antike“ der „Bronzezeit“ (bzw. von vor zehn Jahren) dar. Krieg führen ist jetzt deutlich teurer, sodass es zwischen den Mitspielern friedlicher zugeht. Damit verbunden ist das spielerische Gefühl einer jeweiligen (tendenziell solitär zu meisternden) Optimierungsaufgabe verstärkt. Nach wie vor lässt uns jedoch kaum ein anderes Spiel bei so wenig Regelaufwand und in einem vergleichbar vernünftigen Zeitrahmen einen Zivilisations-Entwicklungs-Wettstreit mit einer derart erfreulich hohen Spieltiefe und anregenden Komplexität (ohne dabei aber kompliziert zu sein) erleben.

 

Hier die Druckfiles anhängen - antike_II _d und antike_II _d1

 

Harald Schatzl

 

Spieler: 3-6

Alter: 12+

Dauer: 90+

Autor: Mac Gerdts

Grafik: Mac Gerdts

Preis: ca. 40 Euro

Verlag: PD Verlag 2014

Web: www.pd-verlag.de

Genre: Aufbau- und Entwicklungsspiel

Zielgruppe: Freunde

Version: multi

Regeln: de en

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

stimmiges Ineinandergreifen von Thema und Mechanismen

schöne Ausstattung

keine Glückselemente

schlankes und schlüssiges Regelwerk

sehr gute Kurzspielregeln

 

Vergleichbar:

Antike, Antike Duellum, Imperial, Imperial 2030

 

Andere Ausgaben:

Rio Grande Games, Oya

 

Meine Einschätzung: 6

 

Harald Schatzl:

Erneut ein Spiegelbild sich entwickelnder Zivilisationen, mit deutlich kostspieligerer Kriegsführung und höheren Optimierungsanforderungen auf Basis von wenig Regelaufwand und mit viel Spieltiefe und reizvoller Komplexität.

 

Zufall (rosa): 0

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 1

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0