HEISSE SPUR
Meistens
werden in WIN "aktuelle" Spiele besprochen - Spiele, die eben (oder
vor nicht zu langer Zeit) erschienen sind. Spiele, die man in den Geschäften
(meist) leicht bekommen kann. Und da Jahr für Jahr mehr Spiele erscheinen als
man genauer registrieren kann, kann man damit gut auskommen - auch wenn man mit
der Qualität der Spiele oft nicht einverstanden ist. (Haben wir nicht schon
voriges Jahr einen Mangel an interessanten Neuerscheinungen festgestellt? Ist
die Situation heuer besser?) Trotzdem: Manchmal lohnt sich trotzdem ein Blick
zurück - nicht bloß auf die (wenigen) Spiele, die überlebt haben, sondern auch
diejenigen, die nach kurzer Zeit verschwunden sind, die heute nicht mehr im
Sortiment vertreten sind: Warum waren sie nicht erfolgreich? War immer
mangelnde Qualität daran schuld? Wurden sie immer durch bessere, ausgereiftere
Spiele ersetzte?
In diesem
Sinn möchte ich heute über ein Spiel berichten, das vor fast zehn Jahren
aktuell war, und heute vermutlich nicht mehr zu erhalten ist. (Wenn ich mich
dabei täuschen sollte: Schadet auch nichts):
HEISSE SPUR
mit dem
Fahndungscomputer auf Einbrecherjagd.
Parker
Spiele 1980.
Für 2-4
Spieler.
Bei diesem
Spiel geht es um folgendes:
Der
Spielplan stellt ein Geschäftsviertel dar, mit vier Gebäuden (oder
Gebäudekomplexen) und den dazugehörigen Straßen: einmal außen herum
(quadratisch) und je einmal senkrecht und einmal waagrecht quer durch. Zur
besseren Unterscheidung tragen die Blöcke Nummern (1-4), ebenso die in vier
Abschnitte geteilten Straßen (5-8). Außerdem gibt es fünf U-Bahn-Stationen (in
den vier Ecken, sowie in der Mitte). In diesem Geschäftsviertel treiben zehn
Verbrecher ihr Un- und (bis zu) vier Detektive ihr Wesen. Und ein "Fahndungs-Computer"
hilft ihnen dabei. Die 2-4 Spieler (die Detektive: lustig ist es nur mit vier
Spielern!) starten ihre Recherchen gleichzeitig in der Detektivagentur (am
Spielfeldrand, in der Mitte einer Seite).
Sie dürfen
sich so rasch fortbewegen wie es ihr Glück (der Würfel) und die liebe
Konkurrenz (die bösen Mitspieler) zulassen: nämlich maximal so viele Felder wie
sie mit zwei Würfeln Augen erzielen (2W6 heißt das wohl heute). Jeder Detektive
hat nur (stur wie alle Detektive) ein Ziel vor Augen: nämlich sich zumindest
bis auf ein Feld an den (vermeintlichen) Aufenthaltsort des gejagten
Verbrechers heranzupirschen, um eine Festnahme versuchen zu können.
Woher aber
weiß er, oder glaubt er zu wissen, wo der Gesuchte sich befindet? Nun: Jeder
Verbrecher hinterlässt Spuren. So auch die in HEISSE SPUR: und zwar akustische.
Auf Knopfdruck stiftet der „Computer" (schon damals eine Hochstapelei!)
den Verbrecher zunächst zu seiner ersten Tat an, verrät ihn aber in der Folge
schnöde, indem er durch vielerlei Geräusche die Detektive auf die richtige
(oder die falsche, jedenfalls aber eine HEISSE) SPUR hetzt. Da Verbrecher
obrigkeitsfürchtig sind, halten sie sich auch hier an gewisse Regeln: sie
bewegen sich nur auf bestimmten, durch Nummern gekennzeichneten Feldern - immer
von einem zu einem gerade oder diagonal benachbarten (ein solcher Schritt
umfasst - von wenigen Ausnahmen beim Verlassen von Türen und Fenstern (s.u.!)
abgesehen - zwei Felder), machen niemals einen Schritt unmittelbar rückgängig,
drehen in Türen und Fenstern niemals um, benutzen immer die U-Bahn, sofern sie
können, und - last but not least: Wenn sie sich in Reichweite eines
Beutestückes befinden (d.h. nur einen Zug davon entfernt sind), so lassen sie
dieses nicht liegen, auch wenn ihnen der gnadenlose Verfolger noch so dicht auf
den Fersen ist. Tja - die Habgier!
Und so
funktioniert die Verfolgung:
Der
Computer gibt durch unterschiedliche Geräusche zu erkennen, welche Art von Feld
der Ganove gerade betritt:
(a) ein
Tatfeld
(b) ein
Stück Fußboden
(c) eine
Tür
(d) ein
Fenster (durch das die Detektive nicht klettern dürfen!)
(e) ein
Stück Straße,
(f) eine
U-Bahn-Station, wobei er- noch im selben Zug! - bei einem der fünf
U-Bahn-Felder (also eventuell auch beim Ausgangsfeld) wieder die Straße
betritt, oder ob er
(g)
überhaupt stehen bleibt.
Aus der
Abfolge dieser Geräusche (man muss genau aufpassen und sich alles merken!) und
aus der an der Computer-Anzeige ablesbaren Zonennummer (1-8) müssen die
Spieler/Detektive den Aufenthalt des Einbrechers erschließen, was nur manchmal
eindeutig möglich ist. Insbesondere ist es verwirrend, wenn der Täter längere
Zeit auf dem Fußboden herumschleicht - wobei zu beachten ist, dass ein einmal
geplündertes Feld solange als normaler Fußboden gilt, wie der Täter das
betreffende Gebäude nicht verlassen hat. War er allerdings danach einmal (wie
kurz auch immer!) außerhalb, so ist bereits frischer Nachschub als Beute
vorhanden. Nur beim einzigen Tatfeld im Freien (einem Zeitungskiosk) ist man
weniger großzügig: dieser bleibt geschlossen, bis der Täter verhaftet ist.
Glaubt nun
ein Detektiv zu wissen, wo sich der Täter aufhält, oder zumindest aufhalten
könnte, und befindet er sich (zufällig?) bei diesem Feld, so darf er die
entsprechende Code-Nummer eintippen: Alle Spieler erfahren nun durch
lautstarkes Sirenengeheul und Maschinengewehrfeuer, dass die Polizei alarmiert
wurde, und ob
(a) der
Tpip falsch war
(b) der
Einbrecher gefasst wurde, oder (c) entkommen konnte und über 5-6 Felder
entflieht.
Im Fall (a)
muss der unvorsichtige (oder vorlaute) Detektiv 100 Geldeinheiten (Lire?)
Bußgeld entrichten im Fall (c) erhält er das ausgesetzte Kopfgeld (800-1000
GE), zuzüglich jeweils 100 GE für jedes weitere von diesem Gangster begangene
Verbrechen (in Pfund?). Wer bei einem Startgeld von 300 GE als erster 2500 GE
erreicht, gilt als Sieger.
Ein Aspekt
des Spieles wurde bis jetzt außer Acht gelassen: zu Beginn des Spieles erhält
jeder Detektiv 3 (von 32) Aktionskarten, mit denen er den Ablauf des Spieles
beeinflussen kann: Jedes mal, wenn er an der Reihe ist, darf er EINE dieser
Karten ausspielen (die dann vom Stapel ersetzt wird). Es gibt davon mehrere
Typen:
(A) Heißer
Tipp: Sie gestattet es, den genauen Aufenthaltsort des Verbrechers zu erfragen
- gegen 0-100 GE;
(B)
gestattet es, einem Mitspieler 100 oder 200 GE abzunehmen;
(C)
gestattet es, einen Zug um 4, 5, bzw. 6 Felder zu verlängern;
(D)
gestattet es, einen Mitspieler zu einer Pause (eine Runde) zu zwingen
(E)
gestattet es, eine Figur zurück ins Detektiv-Büro zu schicken
-- (a) die
eigene, um dem Ort des Geschehens näher zu sein, bzw.
-- (b) eine
andere, um sie von diesem zu entfernen;
(F)
gestattet es, ein beliebiges Feld aufzusuchen:
(G)
gestattet es, noch einen kompletten Zug anzuschließen;
(I-i)
gestattet es, den Verbrecher weitere 3, 4, 5, oder gar 6 Schritte machen zu
lassen - in der Hoffnung, ihn dadurch
(a) in die
Nähe der eigenen Figur zu treiben, oder aber
(b) aus der
Reichweite der Konkurrenz zu entfernen.
Kommentar:
Die
Grundidee von HEISSE SPUR ist originell und führt (in entsprechend gelaunter
Runde) zu einem unterhaltsamen Spiel. Allerdings ist die Originalregel (die
hier beschrieben worden ist) wohl nur Familienrunden (mit jüngeren Kindern)
spielbar. Für anspruchsvolle Spieler sind einige Regeländerungen angebracht:
Die
Aktionskarten vom Typ A sind nicht bloß überflüssig, sondern stören. Es
widerspricht der Grundidee, dass der tatsächliche Aufenthalt des Täters so
billig zu erfahren ist. Man sollte daher entweder den Preis für den Tipp
drastisch erhöhen, oder (besser!) diese Karten überhaupt entfernen.
Die Karten
vom Typ B sind von geringem strategischem Wert und dienen eher dazu, den lieben
Mitspieler zu ärgern. Auch die Karten vom Typ F und (wenn auch in geringerem
Ausmaß) jene vom Typ E sind wegen des übermäßigen Vorteils, den sie bieten,
eher entbehrlich. Bleiben somit die Karten vom Typ C, D, G, und H: Sie passen -
jede in ihrer Art - gut in das Konzept des Spieles. Allerdings: Entfernt man
alle 'störenden' Karten, so bleiben leider nur etwas wenig Karten übrig --
Außerdem
erhöht es den Reiz des Spiels, wenn man auf die Möglichkeit, die letzten
zehn(!) Züge vom Computer wiederholen zu lassen, verzichtet und außerdem auch
keinerlei schriftliche Notizen zulässt.
Ein
weiterer - allerdings nicht behebbarer - Mangel ist, dass der Fahndungscomputer
zu wenig flexibel ist:
(a) der
Computer - und damit auch der Verbrecher - reagiert nicht auf die Position der
Detektive
(b) obwohl
die Steckbriefe zehn verschiedene Verbrecher- mit unterschiedlichen 'Berufen' -
zeigen, verhalten sie sich doch völlig gleich, ob sie nun Taschendiebe sind
oder Autodiebe.
Wieso ist
dieses Spiel faktisch verschwunden?
Am Thema
kann es nicht liegen: Detektivspiele sind immer noch in und erfolgreich. Ich
denke dabei unter anderem an SCOTLAND YARD, das (sehr entfernt und nur
oberflächlich) an HEISSE SPUR erinnert. Und weniger gelungen ist.
Die hier
erwähnten Mängel können es auch nicht sein: Abgesehen davon, dass Spiele mit
ärgeren Fehlern im Programm bleiben, beruhen die Mängel alle nicht auf dem
Spielprinzip und lassen /ließen sich daher leicht beheben.
Man könnte
heute sicherlich leicht (und trotzdem kostengünstig) einen leistungsfähigeren
und flexibleren Fahndungscomputer beigeben. (Ja, man kann sogar mit dem
Original-Gerät mehr Tempo ins Spiel bringen, indem man häufiger auf die Taste
drückt (je zweimal, oder: im Freien je dreimal, oder: wenn der Verbrecher
stehen bleibt, oder etc.)!)
Generell
wundert es mich dass die Idee, (Klein-)Computer als 'Game Master' einzusetzen,
so wenig Anklang gefunden hat: Gerade bei Spielen mit Detektiv-Charakter, aber
auch bei Wirtschaftsspielen, könnte dies mit Vorteil geschehen.
(Apropos:
Für einen entsprechend interessierten Computer-Fan wäre es ein leichtes - wenn
auch vielleicht zeitraubendes - Unterfangen, die Idee von HEISSE SPUR für den
PC/Atari/Commodore zu adaptieren )
WIN-Wertung:
** Heiße
Spur (leicht modifizierte Regeln)
WW S I MMM
UUU A (2-)4