AVALANCHE

 

Was macht ein pflichtbewußter Redakteur, wenn er - aus Urlaubs- und anderen Gründen - schon zuletzt keinen Artikel abgeliefert hat? Er hat ein schlechtes Gewissen! Was macht derselbe Redakteur, wenn bereits der nächste Redaktionsschluß vor der Tür steht, und er - aus ebendiesen Gründen - auch keines der aktuellen Spiele bei sich hat, die der Besprechung harren?? Er hat ein noch schlechteres Gewissen!! - Und er sinnt nach einem Ausweg!!! Gibt es nicht (vielleicht) irgend ein altes Spiel, das in Vergessenheit geraten ist - das man daher "ausgraben" und (wieder) vorstellen könnte? Und tatsächlich: es gibt! Hier ist es:

 

Avalanche [de luxe].

Die rollende Kugellawine.

1-6 Spieler. Parker.

Kategorie: ?

(Ich habe das Spiel in diesem Sommer in der "Wühlkiste" einer Spielwarenhandlung gefunden - ich kann daher gar nicht sagen, ob es regulär noch erhältlich ist.) Das "Spielbrett" von AVALANCHE ist eine einfache, aber recht raffinierte mechanische Vorrichtung: Es besteht aus mehreren parallelen, miteinander verknüpften Schächten und wird als schiefe Ebene aufgestellt. Während des Spiels werden Kugeln am oberen Rand eingeworfen. Auf ihrem Weg zum unteren Rand trifft jede Kugel auf mehrere verstellbare Sperren (jede Sperre hat zwei Stellungen). Sie wird von einer solchen Sperre entweder aufgehalten oder aber sie kann passieren, und schaltet dabei auf die andere Stellung um, wobei gegebenenfalls durch das Umschalten eine bisher von der Sperre aufgehaltene Kugel freigegeben wird: Auf diese Weise kann durch eine einzige Kugel im "Schneeball- System" eine wahre "Kugellawine" (avalanche!) ausgelöst werden.

 

Dieser Mechanismus ist - wie könnte es anders sein - aus Plastik angefertigt, obwohl es sich um eine ''de luxe'' Version handelt.

Das Spielsystem von AVALANCHE ist denkbar einfach: Reihum werfen die Spieler eine/mehrere Kugeln ein und nehmen alle /einen Teil der heruntergefallenen Kugeln an sich. Auf der Schachtel (es gibt kein Regelheft: de luxe!) sind vier Varianten angegeben: "Anfänger" sollen 9 Kugeln sammeln (durch Los ermittelte Zusammensetzung: 6 einer Farbe, 3 einer anderen Farbej - nicht benötigte Farben werden zurückgegeben. Beim "Standardspiel" geschieht ungefähr dasselbe, nur müssen überzählige Kugeln behalten werden - will man gewinnen, so muß man sie in der Folge durch entsprechend geschicktes Einwerfen wieder loswerden. Experten schließlich sollen entweder (a) alle ihre Kugeln loswerden (man beginnt mit 7 Kugeln, wobei der Startspieler vier zusätzliche Kugeln einwirft), oder (b) (genau) fünf Kugeln in einer Farbe sammeln (man beginnt mit je 3 Kugeln der 3 Farben).

 

Bei allen Varianten endet der Zug eines Spielers, wenn das erste Mal eine Kugel herunterfällt.

Übrigens: Es ist nicht bloßer Zufall, daß ich die Spielregeln hier nur so vage schildere - die Regeltexte gehören zu jener Spezies, die beim ersten (sehr flüchtigen) Blick in Ordnung zu sein scheinen, aber bei genauem Lesen von Mal zu Mal unklarer werden. Aber was soll's? Die Regeln schließen mit der Bemerkung: "Besonders reizvoll an AVALANCHE ist, daß man diese Spielregeln durch eigerie Einfälle beliebig abwandeln kann." --- Ist das der Sinn von Spielregeln?

 

Parker verkauft also kein Spiel (d.h. Spielmaterial mit Regeln), sondern ein Spielmaterial mit Regelanregungen! Aber in diesem Fall ist das nicht schlimm:

Die Grundidee der Regeln ist klar. Einzelheiten muß man eben festlegen. Und das Spielmaterial ist originell und reizvoll - und überhaupt das wichtigste an diesem Spiel: Abstrakt gesehen ist AVALANCHE nämlich ein eher uninteressantes Knobelspiel - theoretisch läßt sich die Wirkung jedes Zuges exakt ausrechnen:

In der Praxis ist es anders: die physikalische Realität - kleine Unwägbarkeiten, geschicktes Ein"legen" der Kugel - lassen Abweichungen zu. Das - und der hübsche Effekt einer Kugellawine - geben dem Spiel das "gewisse Etwas" und machen es (wenn man es nicht zu ernst nimmt) zu einer netten Unterhaltung im Familienkreis oder so "zwischendurch".

WlN-Wertung:

* Avalanche UUU In W S A 3-6(1-6) 3