UNSERE REZENSION

 

Lieber Husten oder Schlafstörungen?

 

Viroid

 

Gemeinsam die Menschheit vernichten

 

Ein Sammelstück für Spieleliebhaber in einer limitierten Kleinstauflage von 200 Stück: Wer kooperative Spiele mag und sich thematisch auch bei Pandemie wohl fühlt, ist auch bei Viroid an der richtigen Stelle. Bei diesem Spiel darf man als Spieler sogar einmal böse sein. Denn in Viroid sind die Spieler die Krankheiten selbst und wollen die Menschheit infizieren, umso mehr tödliche Ausgänge des Krankheitsverlaufs, umso besser. Ein anspruchsvolles und thematisch interessantes Spiel, allerdings hat es aufgrund der Kleinstauflage auch seinen Preis, noch dazu, da es teilweise in Handarbeit gefertigt wurde. Aber so ein persönliches Zertifikat für das eigene Exemplar hat schon etwas!

 

Viroid ist ein kooperatives Spiel, in dem die Spieler gemeinsam versuchen, die Menschheit auf der ganzen Welt zu infizieren und schließlich auszulöschen. Folglich ist, ähnlich wie bei Pandemie, die ganze Welt auf dem Spielplan abgebildet. Auch hier sind es zahlreiche Städte weltweit, wo wir interagieren und als Erreger Unwesen unter der Bevölkerung treiben können. Verbunden sind die Städte über Landwege, Schiffsverbindungen und per Flugzeug. Damit endet aber auch schon der Vergleich mit Pandemie. Denn zwei wesentliche Unterschiede machen Viroid zu einem ganz anderen Spiel: die Komplexität und – unter anderem auch als Resultat davon - die lange Spieldauer. Daher richtet sich das Spiel hauptsächlich an die Zielgruppe der Experten und ist weniger für ein gelegentliches Spiel unter Freunden geeignet.

Während die Spieler ihr Unwesen als Krankheitserreger treiben, ist aber leider auch die Menschheit nicht untätig und forscht ständig nach Heilmitteln, zeitweise mit weniger Erfolg, zeitweise mit mehr. Daher ist es wohl auch ein Spiel auf Zeit, ob die Menschheit siegt oder die Spieler als Krankheitserreger gewinnen.

 

Vor Beginn des Spiels einigen sich die Spieler gemeinsam, welche Art von Krankheitserreger sie spielen wollen. Für die erstmalige Partie eignet sich die Bakterie, da sie mit ausgewogenen Eigenschaften beginnt. Wichtig dabei ist, dass alle Spieler den gleichen Krankheitserreger spielen müssen.

Dieser muss nun während des Spiels in seinen Fähigkeiten verbessert werden bzw. neue Fähigkeiten entwickeln, hier ist jeder Spieler für sich gefordert, die für ihn wichtigen herauszufinden. Das sind einerseits Fähigkeiten, die sich aus regionalen Gegebenheiten ergeben und andererseits Fähigkeiten, auf die sich einzelne Spieler für den gemeinsamen Sieg spezialisieren müssen, denn alle Fähigkeiten wird ein Spieler allein nicht entwickeln können.

 

Die aktuellen Fähigkeiten seines Erregers hält jeder Spieler auf seinem Spielertableau fest. Basisfähigkeiten eines Erregers sind seine Resistenzen. Er kann gegen Kälte, gegen Hitze und gegen Medikamente resistent werden, die Höhe seiner Resistenzen wird auf drei Skalen am Spielertableau festgehalten.

Eine weitere wichtige Fähigkeit ist die Art der Ausbreitung, die der Erreger benutzt, um sich unter die Menschen zu bringen. Vier verschiedene Ausbreitungsarten können entwickelt werden, nämlich über Kleintiere, über Nutztiere, über Insekten und über Blutkonserven. Jede dieser Fähigkeiten kann der Spieler in zwei Stufen ausprägen. Damit man sich als Erreger aber noch rascher auf der Welt ausbreiten kann, gibt es auch noch erweiterte Ausbreitungsfähigkeiten wie die Ausbreitung über Vögel, womit weitere Distanzen über Land überbrückt werden können, auch die Ausbreitung über Wasser, d.h. das Nutzen der Schiffsverbindungen, und per Flugzeug gehören zu diesen Fähigkeiten.

 

Die Resistenz und Ausbreitungsfähigkeit des Erregers sind wichtige Eigenschaften, aber wie gefährlich ist unser Erreger überhaupt? Auch hier gilt es wieder Fähigkeiten zu entwickeln: wie zahlreich sich ein Erreger pro Runde ausbreiten kann und wie schnell der Krankheitsausbruch zum Tod des Menschen führen kann sind wieder individuelle Eigenschaften pro Spieler. Zweiteres wird sogar durch zwei Fähigkeiten bestimmt, seine Schwere und die Sterblichkeit.

Es gilt also, viele verschiedene Fähigkeiten seines Erregers zu entwickeln und so erfolgreich die Menschheit zu vernichten. Einzelne der genannten Fähigkeiten können direkt verbessert werden, andere über sogenannte Symptomstämme. Jeder Erreger kann nämlich im Lauf des Spiels bis zu drei Symptomstämme entwickeln, wie zum Beispiel Husten oder Zysten oder Anämie. Die Symptomstämme müssen erst im Lauf des Spiels erworben werden, der Spieler hat dazu eine größere Anzahl zur Auswahl, und diese können dann entsprechend ihres individuellen Entwicklungspfades weiterentwickelt werden. Die stufenweise Weiterentwicklung liefert oft eine Verbesserung bestimmter, vorhin beschriebener Fähigkeiten. Eine ganz besondere Verbesserung einzelner Symptomstämme ist die Nekrose. Sie ermöglicht eine wichtige Eigenschaft für alle Spieler, die noch später erklärt wird.

 

Die beschriebenen Fähigkeiten haben nur einen Zweck: sich als Erreger möglichst ohne Grenzen am Spielplan, also auf der Welt, auszubreiten und möglichst viele Menschen zu infizieren und zu töten. Für die Ausbreitung am Spielplan sind nämlich immer Mindest-Fähigkeiten gefordert: Jede Stadt hat eine Mindestbedingung für einzelne oder alle drei Resistenzen, damit sich ein Erreger überhaupt in dieser Stadt ausbreiten darf. So ist zum Beispiel in afrikanischen Städten generell die Hitzeresistenz ein wichtiges Thema. Zusätzlich gibt jede Stadt auch noch vor, welche Ausbreitungsarten in dieser Stadt möglich sind. Die Bevölkerung jeder Stadt wird dazu durch mehrere Plätze in der Stadt für die Bevölkerungswürfel dargestellt. Die Bevölkerung einer Stadt kann zwischen zwei und sechs Plätzen stark sein, wobei ein leerer Platz gesunde Bevölkerung darstellt. Diese Plätze sind jeweils einer Ausbreitungsart zugeordnet, z.B. kann also ein Bevölkerungsteil in einer Stadt, d.h. ein Platz, nur durch Kleintiere infiziert werden, übrigens bei Viroid die weltweit am häufigsten auftretende Ausbreitungsart. Sind die Bedingungen für Resistenzen und Ausbreitungsart erfüllt, kann sich ein Spieler mit seinem Erreger in dieser Stadt ausbreiten, er darf also auf den entsprechenden Platz in der Stadt einen seiner Würfel in Spielerfarbe ablegen. Damit gilt dieser Bevölkerungsteil als infiziert. Ein Bevölkerungsteil kann natürlich auch absterben. In diesem Fall wird der farbige Würfel durch einen grauen ersetzt.

 

Wie läuft das Spiel nun ab? Es wird reihum gespielt, solange bis die Spieler gemeinsam gewonnen oder verloren haben. Jeder Spieler zieht zu Beginn seines Zuges eine Ereigniskarte und handelt diese sofort ab. Die Ereignisse können sowohl positiv als auch negativ für die Spieler sein, zu Beginn sind es des öfteren positive Effekte, im weiteren Spielverlauf sind die Ereignisse aber meist negativ. Die Karte gibt auch den Forschungserfolg der Menschen wieder: Abgesehen von den Anfangskarten gibt die Karte vor, in welcher Stadt bzw. im späteren Spielverlauf in welchen Städten Heilungserfolge auftreten. Dies äußert sich darin, dass in diesen Städten, wenn vorhanden, ein Farbwürfel entfernt wird. Dabei kann es passieren, dass die Stadt damit infektionsfrei wird, d.h. es gibt keinen Farbwürfel mehr in dieser Stadt. Dies zählt als Forschungserfolg für die Menschen, wodurch ein Marker auf einer eigenen Forschungsleiste weitergezogen wird. Sollte dieser Marker hierbei auf den zweiten Marker auf dieser Leiste treffen, der angibt, dass die Menschen das Heilmittel gegen den Erreger entdeckt haben, ist das Spiel sofort verloren. Dies ist eine der Spielende Bedingungen.

 

Noch ein anderer Fall kann bei Heilung eintreten: eine Stadt hat nach der Heilung nur noch gesunde und verstorbene Bevölkerung, also nur leere Plätze und graue Würfel. Dann wird diese Stadt unter Quarantäne gesetzt, d.h. sie ist über den normalen Infektionsweg nicht mehr infizierbar, außer ein Spieler hat schon das Symptom Nekrose entwickelt, damit kann diese Einschränkung ignoriert werden. Quarantänestädte können auch nicht betreten werden, d.h. eine Ausbreitung über eine Quarantänestadt hinweg benötigt eine erweiterte Ausbreitungsfähigkeit Vögel. Sie können also enorme Hindernisse für die Spieler darstellen.

Schließlich gibt die Ereigniskarte noch das Einkommen für den aktiven Spieler vor. In Viroid werden DNA-Punkte ausgegeben, um die Fähigkeiten des eigenen Krankheitserregers zu verbessern. Anfangs bekommt der Spieler von den Ereigniskarten noch einen relativ hohen Betrag an DNA-Punkten, später werden es immer weniger. Allerdings erwirbt man DNA-Punkte auch durch die eigene Ausbreitung.

 

Ist das Ereignis abgearbeitet, kommt die Infizierungsphase. Hier breitet sich der Spieler von Stadt zu Stadt aus, je nach seinen Fähigkeiten mehr oder weniger, beginnend bei einer Startstadt. Zuerst bestimmen seine Infektionspunkte auf seinem Spielertableau über die Höhe seiner Ausbreitung, d.h. sie bestimmen wie viele Infektionen der Spieler in seinem Zug maximal durchführen darf. Jede dieser Infektionen muss aber auch mit einer Ausbreitungsart kombiniert werden können, auch diese Fähigkeit kommt hier zum Tragen. Wobei jede Fähigkeit in den Ausbreitungsarten nur für eine einzige Infektion genutzt werden kann, möchte man sich z. B. zweimal über die Ausbreitungsart Kleintier ausbreiten, braucht man bereits diese Fähigkeit in Stufe 2. Hat der Spieler dann auch noch ausreichend Resistenzen, dann kann er sich in eine benachbarte Stadt ausbreiten oder auch in einer bereits von ihm infizierten, solange es noch gesunde Bevölkerung gibt. Mehrfach in einer Stadt zu infizieren hat den großen Vorteil, dass diese Stadt nach einer möglichen Heilung nicht gleich zu einer Quarantäne-Stadt wird oder ein weiterer Forschungserfolg der Menschheit verhindert wird. Möchte sich der Spieler weiter weg oder nicht über Land ausbreiten, so muss er auch seine Fähigkeiten bei Wasserwegen, Flugzeugen oder über Vögel, einmalig pro Runde, und zusätzlich zum einfachen Ausbreitungstyp benutzen. Wichtig hierbei ist auch, dass jede Infektion als Einkommen einen DNA-Punkt liefert, das wird oft gerne vergessen.

 

Sind alle möglichen Infektionen des Spielers abgehandelt, kann der Spieler nun seinen Erreger mutieren, also in seinen Fähigkeiten verbessern. In dieser Mutationsphase muss der Spieler gewünschte Mutationen mit DNA-Punkten bezahlen. DNA-Punkte verfallen aber nicht, so dass sie auch für spätere Runden angesammelt werden können. Hier gilt es taktisch und strategisch zu denken, eine fehlende Fähigkeit kann in der nächsten Runde die Ausbreitungsfähigkeit schmälern, andererseits muss man für spezielle Fähigkeiten, die im Laufe des Spiels sicher gebraucht werden, über mehrere Runden sammeln. In seinem Zug kann der Spieler sich beliebig verbessern, die einzige Einschränkung sind die DNA-Punkte, die er besitzt.

 

Am Ende seines Zuges kommen noch Schwere und Sterblichkeit des Krankheitserregers zum Tragen. Denn jetzt sterben möglicherweise Menschen an ihren Infektionen. Im Spiel erfolgt dies durch Würfeln. Die Schwere des Erregers gibt dem Spieler vor, wie viele Würfel er würfeln darf, die Sterblichkeit des Erregers, ab welchem Würfelergebnis ein Erfolg erzielt wurde. Kam es bei diesem Würfelwurf zu Erfolgen, dann muss der Spieler für jeden Erfolg einen seiner Würfel am Spielplan durch einen grauen Würfel ersetzen. Wenn möglich muss er die verstorbene Bevölkerung hierbei auf verschiedene Städte aufteilen. Zusätzlich liefert auch hier jeder Erfolg einen DNA-Punkt, den der Spieler aber erst frühestens in der nächsten Runde ausgeben kann. Eine der Aufgaben im Spiel ist es, eine bestimmte Anzahl von verstorbener Bevölkerung in jedem Kontinent zu erreichen. Daher werden in dieser Phase graue Würfel nicht vom allgemeinen Vorrat genommen, sondern von einem je Kontinent vorhandenem Vorrat. Dies ist wichtig für die erfolgreiche Spielende Bedingung.

 

Eine Spielende Bedingung wurde schon genannt, nämlich wenn die Menschen das Heilmittel entdeckt haben. Wie so oft bei kooperativen Spielen gibt es aber in der Regel ein paar Spielende Bedingungen für ein verlorenes Spiel. Bei Viroid tritt das auch auf, wenn eine bestimmte Anzahl Spieler nicht mehr am Spielplan vertreten sind oder der Ereigniskartenstapel aufgebraucht ist bevor die Spieler gewonnen haben. Für ein gewonnenes Spiel gibt es zwei Bedingungen: erstens muss jede Stadt entweder von irgendeinem Spieler infiziert oder komplett ausgelöscht sein, wobei eine Stadt dann ausgelöscht ist, wenn alle Bevölkerungsplätze durch graue Würfel abgedeckt sind. Zweitens muss der Vorrat an grauen Würfeln in jedem Kontinent aufgebraucht sein.

 

De facto kann es neben diesen beiden Ergebnissen auch noch ein drittes geben: die Spieler geben auf. Denn im Lauf des Spiels werden immer mehr Verbindungswege unterbrochen wodurch es dazu kommen kann, dass Städte nicht mehr erreicht werden können; sind diese Städte noch nicht ausgelöscht und noch nicht infiziert, so ist ein Sieg der Spieler nicht mehr möglich.

 

Viroid kann in verschiedenen Schwierigkeitsstufen gespielt werden. Ähnlich zu Pandemie werden hier spezielle Ereigniskarten in den Ereigniskartenstapel eingemischt, je nach Schwierigkeitsstufe eine bestimmte Anzahl. Diese Ereignisse „Massive Forschung“ beschleunigen den Forschungsmarker der Menschheit in Richtung Heilmittel.

 

Viroid ist vom Spielablauf einfach, die Komplexität ergibt sich durch die Vielzahl an Möglichkeiten für den Ausbau der eigenen Fähigkeiten und unter Berücksichtigung deren Folgen. So ist es langfristig sicher ein Ziel seinen Erreger so stark zu machen, dass er möglichst viele Infizierte tötet, wenn der Spieler dies aber zu früh beginnt, kämpft er dauernd gegen die Ausrottung seines Erregers. Da die DNA-Punkte in der Regel immer in zu geringer Zahl zur Verfügung stehen, besteht hier die Herausforderung darin, sich zum rechten Zeitpunkt die richtigen Fähigkeiten anzueignen. Denn auch die Ausbreitung am Spielplan kann nur dann funktionieren, wenn der Erreger die geeigneten Resistenzen in Bezug auf Nachbarstädte entwickelt hat. Dies ist ein wesentlicher Teil, der den Spielreiz ausmacht. Ein anderer sind die Ereignisse, die eine noch so gute Planung zu Fall bringen können, sei es durch Heilung von Bevölkerung oder Unterbrechung von Verbindungswegen oder Erschwernis der Ausbreitungsfähigkeiten in einer Stadt. Da der Ablauf des Spiels einfach ist und sich bis zum Ende des Spiels nicht ändert, sind es genau diese Ereignisse, die das Spiel abwechslungsreich machen.

Als Nachteil des Spiels könnte man die Spieldauer anmerken, die für ein kooperatives Spiel schon recht hoch ist. Diese ergibt sich unter anderem durch die hohen Kosten zum Ausbau der eigenen Fähigkeiten. Bei niedrigeren Kosten würde der Spielfluss wahrscheinlich schneller entstehen und dies würde sich wohl auch auf die Spieldauer auswirken.

 

Bernhard Czermak

 

Spieler: 2-4

Alter: 12+

Dauer: 150+

Autor: Malte Meinecke

Grafik: Christian Fiore

Preis: ca. 100 Euro

Verlag: Ostia Spiele/Danta-Spiele 2018

Web: www.danta-spiele.de, www.ostia-spiele.de

Genre: Kooperatives Aufbauspiel

Zielgruppe: Für Experten

Version: multi

Regeln: de en

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Komplexes Aufbauspiel, einfaches Regelwerk, stimmige Spielatmosphäre

 

Vergleichbar:

Pandemie

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 7

 

Bernhard Czermak:

Ein kooperatives Spiel mit dem Ziel die Menschheit auszurotten ist schon vom Thema interessant. Die Umsetzung ist genauso gut gelungen, herausfordernd und spannend bis zum Schluss.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 3

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 3

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0